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Was Hetze ist und was hinzunehmen muss bei anonymen Schmähungen zunächst geklärt werden.

© imago/Christian Ohde

Der Fall Künast und das NetzDG: Wenn Beleidiger getarnt bleiben

Nach dem Urteil zugunsten der "Drecks Fotze"-Beleidigung wird das Gericht gebasht - dabei ist auch das Gesetz selbst ein Problemfall. Ein Einspruch.

Von Fatina Keilani

Grässliche Hasskommentare bleiben stehen, aber als Staatssekretärin Sawsan Chebli im Mai auf Twitter den Namen Mohammed erwähnte, wurde ihr Account gesperrt – das hatte sich ihr Parteifreund, der heutige Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD), sicher anders vorgestellt, als er noch als Justizminister das als Mittel gegen Hass im Netz gedachte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) schreiben ließ. Ein aktueller Beschluss des Landgerichts hat die Zweifel an der Wirksamkeit des Gesetzes jetzt weiter erhöht. 

Die Grünen-Politikerin Renate Künast wurde auf Facebook mit üblen Beleidigungen geschmäht und wollte sich dagegen wehren. Dazu musste sie zuerst herausfinden, wer sich hinter den Absendernamen verbarg, von denen die Schmähungen kamen. 

Die Rechtslage dazu ist allerdings wie folgt: Facebook darf nur Auskunft über  Schmierfinken erteilen, wenn ein Gericht dies anordnet, und das Gericht muss dafür prüfen, ob es sich um rechtswidrige Inhalte im Sinne des NetzDG handelte. 

Bei dieser Prüfung befanden die Richter aber, es sei in dem Zusammenhang von Frau Künast hinzunehmen, dass sie als „Stück Scheiße“, „Drecks Fotze“ oder „alte perverse Drecksau“ bezeichnet werde. Doch selbst wenn Künast vor der Pressekammer gewonnen hätte,  hätte sie nur das Recht gewonnen, Facebook nach den Identitäten zu fragen, und Facebook hätte dann Auskunft erteilen dürfen. Aber eben nicht müssen. Fazit: Über das NetzDG seine Rechte geltend zu machen, funktioniert nicht. 

Kein Wunder, dass manche Beleidigte, statt den zivilrechtlichen Weg mit dem NetzDG zu beschreiten, gleich oder zumindest zusätzlich auf die Staatsanwaltschaft zukommen, damit die übernimmt. Den Strafverfolgungsbehörden darf nämlich so eine „Beleidiger-Auskunft“ erteilt werden, ohne dass ein Gericht das vorher anordnet. Über die IP-Adressen lässt sich  recht einfach ermitteln, wo der Rechner steht, dessen Besitzer Schmutz über andere im Internet auskübelt. 

Das NetzDG kann nicht bleiben, wie es ist

Das NetzDG  sollte  dringend überarbeitet werden; dieses Ziel hat das Bundesjustizministerium  bereits selbst ins Auge gefasst. Sind Straftatbestände erfüllt, so sollten die Internet-Plattformen dem Geschädigten zur Auskunft verpflichtet sein, ähnlich wie dies im Urheberrechtsgesetz für Rechtsverletzungen vorgesehen ist. Die Konzerne reagieren schon vorher. Facebook besetzt gerade ein unabhängiges Gremium aus 40 Experten, die über die Beschwerden von Usern entscheiden sollen, also über die Frage, ob gelöscht wird oder nicht.

Einfacher ist es, wenn Beleidiger sich mit Klarnamen äußern.  Dann macht man sie direkt mit einem Unterlassungsanspruch dingfest und bekommt im Idealfall noch eine Geldentschädigung, so wie im Fall von Noah Becker, der wegen rassistischer Beleidigungen gegen einen AfD-Politiker vorging.

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