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Hatte die CDU aus der Fassung gebracht: der Youtuber Rezo.

© dpa

Der Einfluss der Influencer: Reichweite macht Politik

Die Rezo-Videos haben gezeigt, dass die Politik massiv unterschätzt hat, welchen Einfluss Youtuber und Influencer auf die politische Debatte haben können.

Die Wirtschaft hat das Potenzial längst erkannt: Influencer, die in den sozialen Netzwerken Hunderttausende von Fans haben, werden von Unternehmen sehr gut dafür bezahlt, dass sie ihren Fans bestimmte Produkte ans Herz legen. Die Währung heißt Glaubwürdigkeit. Empfiehlt zum Beispiel eine Beauty-Bloggerin den Lippenstift einer bestimmten Marke, können – so das Kalkül – die Absatzzahlen stark in die Höhe gehen.

Nur was passiert, wenn die Beauty-Bloggerin ihre enorme Reichweite nicht für Schminktipps nutzt, sondern für eine Wahlempfehlung? Die letzten Tage haben gezeigt, dass die Politik es unterschätzt hat, welchen Einfluss Youtuber und Influencer auf die politische Debatte haben können. Nachdem der Youtuber Rezo seine mittlerweile zwölf Millionen Mal geklickte Abrechnung mit der CDU veröffentlichte, legte er später mit mehr als 90 Youtubern noch einmal nach. Gemeinsam forderten sie, CDU, SPD und die AfD wegen der Klimapolitik nicht zu wählen. Darunter beispielsweise der Youtuber Simon Unge, der für Videos bekannt wurde, in denen er vor laufender Kamera Computerspiele spielte, oder Dagi Bee, bei der es häufig um Styling, in letzter Zeit aber auch ums Muttersein geht. Sie allein hat mehr als vier Millionen Abonnenten auf Youtube.

Deutungshoheit neu verteilt

Eine Debatte darüber, welche Verantwortung Influencer für ihre Reichweite haben, kam im April auf. Damals griff die Stand-up-Komikerin Enissa Amani, die auf Instagram etwa eine halbe Million Follower hat, die Journalistin Anja Rützel an. Rützel hatte über Amani in einer TV-Kritik geschrieben, was der Komikerin nicht gefiel. Nachdem Amani ihrem Unmut auf Instagram Luft gemacht hatte, fielen ihre Fans in den sozialen Netzwerken über Rützel her. Der Vorgang wurde auch als Beleg dafür gewertet, dass sich die Deutungshoheit neu verteilt – und die klassischen Medien nicht mehr zwangsläufig am längeren Hebel sitzen.

Die Youtube- und Instagram-Stars haben zum Teil Reichweiten, an die manche Zeitung nicht herankommt. Sie erreichen mehr Menschen, als es die Parteien im Netz tun. Und sie nutzen zum Teil Plattformen, die vielen Politikern fremd sein dürften: beispielsweise den Nachrichtendienst Snapchat, die Videoplattform Tiktok oder die Gamingplattform Twitch

Keine Freunde gemacht

Der aktuelle Zoff zwischen der Youtuber-Szene und der CDU kündigte sich bekanntermaßen bereits in der Debatte um die EU-Urheberrechtsreform an. Damals fühlten sich die Webvideo-Produzenten mit ihrem Protest gegen die Novelle nicht ernst genommen und diffamiert. In ihrem Aufruf von letzter Woche, CDU, SPD und AfD bei der Europawahl nicht zu wählen, war dann auch ein Seitenhieb auf die Reform enthalten. „Ihr habt euch damit keine Freunde gemacht“, sagte Youtuber Rezo an die Adresse von CDU und SPD. Ein wenig darf man den Boykottaufruf also auch als Machtdemonstration verstehen. Wie groß der Rezo-Effekt schließlich war, ist schwer messbar. Politikwissenschaftler gehen davon aus, dass die Videos vor allem junge Wähler mobilisiert haben könnten. Zudem trugen sie dazu bei, das Thema Klima weiter in den Fokus zu rücken.

Ganz verborgen geblieben ist Parteien und politischen Institutionen das Potenzial von Influencern aber auch vorher nicht. So hatte das Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in Deutschland vor der Europawahl die Idee, Influencer als Werbepartner für die Wahl zu gewinnen. Sie sollten junge Menschen zum Wählen motivieren. Es stand auch ein Budget zur Verfügung. Die meisten Influencer haben aber nach Angaben des Büros kostenlos gearbeitet.

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