zum Hauptinhalt
Im Bundestag ist der Etat für 2023 vollendet worden.

© Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

18 Stunden, 750 Anträge: Nach einer durchgemachten Nacht steht der Bundeshaushalt

Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat den neuen Etat vollendet. Die Ampel will 31 Milliarden Euro mehr ausgeben - auch dank höherer Schulden.

Es war kurz nach 16 Uhr am Donnerstagnachmittag, als Helge Braun aus dem Saal 2400 im Paul-Löbe-Haus des Bundestags trat und zu einigen Abgeordnetenkollegen sagte: „Ich habe gerade mal nachgerechnet. Wenn wir so weitermachen, dann wird es 6 Uhr in der Frühe werden.“

Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, einst Angela Merkels Kanzleramtsminister, lag nicht schlecht mit seiner Schätzung. Die „Bereinigungssitzung“ des Ausschusses zum Etat für das kommende Jahr, ein Ritual im parlamentarischen Kalender, lief bis Freitagmorgen 5 Uhr 39.

Nach etwas mehr als 18 Stunden und einer durchgemachten Nacht verschickten die Chef-Haushälter der Ampel-Koalition – Dennis Rohde (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP) – vier Minuten später das Eigenlob per Mail: „Der Ampel gelingt mit diesem Haushalt die schwierige Balance aus Investitionen in die Zukunft und den gesellschaftlichen Zusammenhalt unseres Landes auf der einen Seite und der haushaltspolitischen Vernunft innerhalb der Schuldenbremse auf der anderen Seite.“

Dass es so lange dauerte, hatten sich die Koalitionäre auch selbst zuzuschreiben. Zum einen hatten die Regierungsfraktionen 400 eigene Anträge in die Sitzung eingebracht (von der Union kamen 350). Zum anderen berichtete der CDU-Haushälter Christian Haase, dass es in der Sitzung durchaus noch Diskussionsbedarf zwischen den Ampel-Abgeordneten und den Vertretern der Regierung gegeben habe. Immerhin ging es um viel Geld.

Schuldenbremse soll wieder gelten

445 Milliarden Euro an Ausgaben hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) in seiner Vorlage vom Sommer vorgesehen. Nun sollen es gut 476 Milliarden sein. Ein beträchtliches Plus von 31 Milliarden Euro – da gingen die Vorstellungen über die Verwendung im Parlament und im Kabinett offenbar immer wieder etwas auseinander. Die hohe Summe erklärt auch die vielen Anträge - da ging es unter den Ampel-Parlamentariern auch darum, möglichst viele Anliegen durchzudrücken. Auch mal mit Blick in den eigenen Wahlkreis.

Dass eine solche Summe auflief in den vergangenen Wochen, hängt an einer auf den ersten Blick widersprüchlichen Entwicklung. Einerseits sind die Steuerschätzungen für 2023 recht kommod, nicht zuletzt dank der Inflation – auch wenn Lindner mit seinem Inflationsausgleichsgesetz dem einen Dämpfer aufgesetzt hat, indem der Einkommensteuertarif geändert und somit eine Entlastung der Steuerzahler im Etat eingebaut ist.

Andererseits aber erlaubt die Schuldenbremse, welche die Ampel 2023 wieder einhalten will, wegen der Erwartung einer leichten Rezession im kommenden Jahr mehr neue Kredite, als Lindner noch im Juni eingeplant hatte. Statt 17 Milliarden im Regierungsentwurf dürfen es nun 45,6 Milliarden sein.

Kein Aufwuchs im Verteidigungsressort - da spüre ich nichts von Zeitenwende

Christian Haase, CDU-Haushaltspolitiker

Den größten Brocken an neuen Krediten – das 200-Milliarden-Paket für die Energiepreisbremsen und andere Entlastungsmaßnahmen – nimmt die Ampel trickreich an der Schuldenbremse vorbei auf, indem sie buchungstechnisch dem Jahr 2022 zugeschlagen werden, in dem noch die Notfallklausel der Schuldenregel im Grundgesetz wirkt. Auch andere Tricksereien leistet sich die Ampel.

Haase wies darauf hin, dass das Plus bei den Investitionen in Höhe von 13 Milliarden Euro zum größten Teil für den Einstieg in die von der FDP in den Koalitionsvertrag geschrieben Aktienrente – zehn Milliarden Euro, die nun quasi als Anzahlung auf die Umsetzung des Projekts dienen. Der CDU-Politiker verwies auch darauf, dass die Koalition etwa 5000 neue Stellen in der Bundesverwaltung geschaffen habe.

Risikopuffer wird aufgelöst

Einen Risikopuffer von fünf Milliarden Euro, den Lindner vorsichtshalber angelegt hatte, lösten die Ampel-Fraktionen auf und verteilten das Geld: etwa drei Milliarden Euro fließen in das Bürgergeld, jeweils eine Milliarde gehen an das Entwicklungs- und an das Außenministerium. Annalena Baerbock, spät in der Nacht im Ausschuss (alle Minister müssen antreten), konnte sich freuen: Mit einem Plus für ihren Etat von 17 Prozent wurde sie mit am besten zusätzlich bedient, vor allem für humanitäre Hilfsmaßnahmen.

Kaum Plus für das Wehrressort

Dass sich der Etat von Wohnungsbauministerin Klara Geywitz (SPD) fast verdoppelt hat, liegt daran, dass über ihr Ressort das höhere Wohngeld abgewickelt wird. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) kann über zehn Prozent mehr Mittel verfügen, vor allem für Krisenbewältigung.

Recht mager dagegen das Ergebnis für das Verteidigungsressort: Für Ministerin Christian Lambrecht wurden gerade einmal zwölf Millionen Euro mehr eingestellt, wohl damit in diesem Einzelplan kein Minuszeichen eingefügt werden musste. Aber aus dem Sondervermögen Bundeswehr, einem Nebenhaushalt mit 100 Milliarden Euro Verfügungsmasse, sollen 2023 erstmals 8,9 Milliarden Euro zur Aufrüstung der Bundeswehr verwendet werden.

Aber den höchsten Zuwachs hat der Einzelplan namens Bundesschuld: Ein Drittel der Mehrausgaben - 10,3 Milliarden Euro – müssen wegen der steigenden Zinsen zusätzlich eingeplant werden. Fast ein Viertel davon ist nötig, um die wegen der Preissteigerung nun sehr teuer gewordenen Inflationsanleihen bedienen zu können.

Am Ende aber hat die Ampel gerettet, was in vielen Jahren zusammengetragen worden war: Die Rücklage, die sich seit 2014 - also in den Jahren mit Haushaltsüberschüssen - angesammelt hatte, wird nun zur Deckung des Etats zum großen Teil genutzt. Ohne die 40 Milliarden Euro aus diesem Topf (insgesamt sind es gut 48 Milliarden) hätten Rohde, Kindler und Fricke am Freitag etwas weniger Anlass gehabt, sich für ihr Etatwerk zu loben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false