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Vorerst schöpfen sie aus dem Vollen: Wirtschaftsminister Robert Habeck, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP).

© Kay Nietfeld/dpa Pool/dpa

Der Ampel-Haushalt für 2022 steht: Union beklagt wundersame Stellenvermehrung

Der Haushaltsausschuss im Bundestag finalisiert den Etat. In der Endrunde vermehrt die Ampel-Koalition nochmals die Stellen im Plan.

Agiert die Ampel auch haushaltspolitisch nachdem Motto „schneller, höher, weiter“? Die Bereinigungssitzung des Haushaltsauschusses im Bundestag ist ein ritueller Termin im Parlamentskalender. Dann wird der jährliche Bundeshaushalt finalisiert, bevor er zur Schlussabstimmung ins Plenum kommt. Es wird noch einmal hin- und hergeschoben zwischen den Etatpositionen. Einige Milliarden werden bewegt. Die letzten Schliffe werden gesetzt. Alle Minister und ihre Staatssekretäre müssen der Reihe nach antanzen.

Es gibt die Möglichkeit zu Fragen und Anträgen, über die auch kleinere Summen ergänzt, gestrichen, umgebucht werden. Die Regierung bekommt Gelegenheit, zusätzliche Projekte in den Haushalt zu schmuggeln, in der Hoffnung, dass die Opposition das angesichts der Flut von Daten nicht merkt. Üblicherweise dauert das ziemlich lange. Immer an einem Donnerstag gegen Mittag beginnt die Sitzung und endet in aller Regel gegen fünf Uhr am nächsten Morgen.

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Wer bei der Bereinigung des Etats für 2022 vorbeischaute, sah Merkwürdiges. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger von der FDP etwa kam mit dem üblichen Pulk von Mitarbeitern, gewappnet fürs Gegrilltwerden. Aber nach zehn Minuten trat sie schon wieder aus der Tür des Sitzungssaals. Speed-Dating im Ausschuss statt Zahlenmarathon? Dass es doch bis kurz nach zwei Uhr dauerte, dennoch die kürzeste Bereinigungssitzung seit langem, soll auch an längeren Pausen gelegen haben. Und, folgt man dem Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler, an einem etwas anderen Oppositionsverhalten der Union. Es habe nur wenig Fragen und Anträge von deren Seite gegeben. Die Linke mit ihren zwei Mitgliedern sei da fast schon produktiver gewesen.

Brutto und netto

Was sich aber auch in die Rubrik Arbeitsökonomie einordnen ließe – schließlich haben Oppositionsanträge in aller Regel keine Folgen, weil die Mehrheit sie abweist. Der Unions-Haushälter Christian Haase hielt sich am Freitag denn auch gar nicht bei Details auf, sondern nahm sich vor allem die erhebliche Stellenvermehrung im Etat und in der Finanzplanung vor. Er hat zählen lassen in den Personallisten und ist auf ein Plus von knapp 9300 Posten und Pöstchen im großen Bereich der Bundesverwaltungen gekommen.

Brutto wohlgemerkt. Denn es wird natürlich auch gestrichen. Netto liegt die Stellenvermehrung laut Hasse bei gut 6000 Stellen. Wobei die Ampel-Koalition gegenüber dem ersten Entwurf des Etats von Finanzminister Christian Lindner (FDP) ordentlich erhöht hat, folgt man den Berechnungen des CDU-Politiker. Lindner hatte ein Brutto-Plus von 7500 Stellen geplant. Im parlamentarischen Verfahren sattelte die Koalition nochmals 1800 Stellen drauf.

Mehr für die Bundespolizei

Wobei diese Stellen nicht auf einen Schlag eingeplant sind, sondern sich auf den gesamten Finanzplanungszeitraum bis 2026 beziehen. Die von Haase genannte Zahl ist also eine Willensbekundung und stellt noch keine Tatsache dar. Viele Stellen sind zudem auch beim Bund unbesetzt, aber stehen eben im Etat. Wobei in den Ministerien sich schon allein wegen des Regierungswechsels ein Stellenplus ergibt – das war schon immer so.

Der Chefhaushälter der SPD, Dennis Rohde, wählte die Bundespolizei als Beispiel, wie weitsichtig die Koalition bei ihrer Stellenplanung vorgeht. 2000 dieser neuen Stellen sind demnach bei der Bundespolizei vorgesehen. Zum Großteil allerdings erst ab 2025, weil die künftigen Polizisten erst einmal gesucht, angeworben und ausgebildet werden müssen.

Doch scheint die Koalition angesichts einer noch recht komfortablen Wirtschaftslage – die Steuereinnahmen stiegen auch im April deutlich – und ihres Schuldenpolsters von knapp 140 Milliarden Euro in diesem Jahr keine Probleme gehabt zu haben, auch kurzfristige Herausforderungen zu stemmen. Die eine Milliarde Euro, die Kanzler Olaf Scholz (SPD) gerade der Ukraine zugesagt hat (über die bisherige Militärhilfe hinaus), wurde in der Nacht flugs in den Etat genommen.

Freie Mittel entdeckt - und ausgegeben

Und die Ampel-Parlamentarier waren, folgt man dem FDP-Haushälter Otto Fricke, auch fleißig beim Freimachen von Mitteln durch Etatkritik: Wenig nutzvoll gebuchte 125 Millionen Euro wurden demnach beim Innenministerium entdeckt und durch Umschichtung einem besseren Zweck zugeführt.

Dass die Ampel vorerst aus dem Vollen schöpft, hat die Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch bei einem tieferen Blick in den Etat entdeckt. Die Regierung habe bei der Ausstattung für den G7-Gipfel in Elmau Ende Juni „mächtig zugelangt“. 50 Millionen Euro seien ohnehin geplant gewesen. Nun seien nochmals 30 Millionen aufgesattelt worden. Der G7-Gipfel am gleichen Ort im Jahr 2015 habe dagegen 15 Millionen Euro gekostet, und damals seien die Sicherheitsmaßnahmen auch schon erheblich gewesen.

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