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Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner diskutieren mit Jugendlichen auf dem Demokratiefestival in Berlin.

© Charlotte Greipl

Demokratiefest „Generation Germany“: Sind Kinder die besseren Fragesteller, Herr Lindner?

Die Vorsitzenden von SPD, CDU, Grünen und FDP diskutieren mit Jugendlichen über Gerechtigkeitsfragen. Doch es bleibt bei ausweichenden Politikerantworten.

Manchmal schaffen es Kinder, Politikern Antworten zu entlocken, die selbst gestandene Journalisten nicht aus ihnen herausbekommen. Fast legendär ist das Interview mit dem damaligen CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet, der sich von den elfjährigen Kinderreportern Pauline und Romeo in die Enge treiben ließ.

Frage an FDP-Chef Christian Lindner: Sind Kinder die besseren Fragesteller? „Ja, sie haben eine natürliche Neugier und Unvoreingenommenheit. Wenn Kinder das Gefühl haben, dass von oben herab gesprochen wird und sie nicht ernst genommen werden, dann spüren sie das.“

Lindner bahnt sich am Freitagnachmittag seinen Weg durch die Menge im Hotel Estrel in Neukölln. Auf einem Podium soll er mit der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Jugendlichen aus ganz Deutschland über Gerechtigkeitsfragen diskutieren. Außerdem geladen sind die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang und der Abgeordnete Andreas Jung (CDU), der kurzfristig für seinen Parteichef Friedrich Merz einspringen musste.

Bei dem dreitägigen Demokratiefestival „Generation Germany“ kommen 300 repräsentativ ausgewählte Jugendliche zwischen 16 und 24 Jahren aus ganz Deutschland zusammen, um über Gerechtigkeits-Fragen zu diskutieren. Das Projekt wird von einem Marktforschungsinstitut begleitet und die Ergebnisse in einer Studie verwertet.

Nervosität bei Esken und Lindner

Am Freitagnachmittag präsentieren die Jugendlichen ihre Ergebnisse aus den vorherigen Workshops, die geladenen Politiker sollen sich dazu äußern. Auf einem der Podien sitzen Lindner und Esken, beide wirken erstaunlich nervös. Vielleicht denken sie an Armin Laschet und das verpatzte Interview.

Esken zupft an ihrem Jacket, Lindner taxiert das Publikum. „Gespannte Stille“, kommentiert er den wartenden Raum. Die Moderatoren sind noch nicht da, da kommt eine Frage aus dem Publikum. „Herr Lindner, Sie haben mal gesagt, dass Sie zu Oliver Welke in die ,heute-show’ gehen. Wann machen Sie das?“ Lindner muss kurz überlegen. „Er hat nie wieder gefragt.“

Dann aber geht es los, erster Diskussionspunkt: Gendergerechtigkeit. Die Jugendlichen sprechen sich dafür aus, dass die Aufteilung von Care-Arbeit eine private Entscheidung bleiben muss. Lindner wähnt sich zufrieden unter potenziellen FDP-Wählern, dann aber wird es konkret.

Die Jugendlichen stellen ihre Forderungen vor: bedingungsloses Grundeinkommen, Abschaffung des Ehegattensplittings, Kindergelderhöhung. Lindner und Esken klatschen höflich. Dann sind sie dran − und geben standardmäßige Politikerantworten. Esken lobt die Jugendlichen überschwänglich. „Großartig!“ ruft sie. „Ihr habt alles bedacht.“

Beim Thema Klimagerechtigkeit beginnen die Sticheleien gegen Lindner. „Vielleicht ist es nicht so gut, Porsche zu fahren“, sagt einer der Jugendlichen. Der Saal lacht, Lindner zeigt sich ungerührt. Später fordert einer, die Steuern für „Superreiche, die mehrere Autos besitzen“, zu erhöhen. Da kann sich auch Lindner ein Grinsen nicht mehr verkneifen, die Jugendlichen ohnehin nicht.

Esken und Lindner berichten sodann, was ihre Parteien jeweils alles täten, um den Klimawandel zu bekämpfen: Ladesäuleninfrastruktur, Gaskraftwerke, Gähn. Für die FDP, ganz klar, muss das Stichwort Technologieoffenheit fallen. „Werdet Ingenieure!“ ruft Lindner den Jugendlichen zu.

Enttäuschende Antworten

Ähnlich wenig überraschende Sätze fallen ein Stockwerk höher. Hier hören sich Ricarda Lang und Andreas Jung geduldig die Ausführungen der Jugendlichen an und beantworten ihre Fragen. Beide fordern ein gut ausgebautes Nahverkehrsnetz und ernten dafür Applaus. Konfrontativ wird es auch hier nicht.

Eine Schülerin fragt die Politiker, ob sie für die Einführung eines muslimischen Feiertags sind. Beide zeigen sich skeptisch. Aber mehr Sichtbarkeit, mehr Beteiligung, das sei wichtig, sagt Lang. Jung verweist auf die Religionsfreiheit im Grundgesetz und erzählt vom Andachtsraum im Bundestag.

Welcher Politiker hat die Jugendlichen am meisten überzeugt? „Wenn man den Politikern Fragen gestellt hat, haben sie die einfach nicht beantwortet“, beschwert sich die 19-jährige Schülerin Alara aus Bocholt. „Das hat mich genervt.“

Ihre Freundin Layla, ebenfalls 19 und aus Duisburg, nickt. „Die wollten nur die Zustimmung von dem Publikum. Deswegen haben sie nicht richtig geantwortet“, meint sie. Fazit: Auch Jugendliche und Kinder können Profi-Politikern nicht unbedingt etwas entlocken. Aber täuschen darüber lassen auch sie sich nicht.

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