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Der Rechtspopulist Jair Bolsonaro hatte die Präsidentenwahl verloren.

© Reuters/Adriano Machado

Dekret kurz vor Amtsende: Brasiliens Präsident Bolsonaro begnadigt verurteilte Polizisten und Soldaten

Nur noch wenige Tage ist Bolsonaro Brasiliens Präsident – und verfügt nun einen Gnadenerlass, von dem auch Sicherheitskräfte profitieren, die in Haft sitzen.

Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit hat der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro verurteilte Polizisten und Soldaten begnadigt. Angehörige der Sicherheitskräfte und des Militärs, die wegen fahrlässigen Straftaten verurteilt wurden und bereits mindestens ein Sechstel ihrer Strafe verbüßt haben, können aus dem Gefängnis entlassen werden. Dies geht aus einem am Freitag (Ortszeit) im Amtsblatt veröffentlichten Dekret hervor.

Auch Behinderte, Invaliden und Schwerkranke werden demnach begnadigt. Der rechte Staatschef Bolsonaro scheidet nach dem Wahlsieg des Links-Politikers Luiz Inácio Lula da Silva zum Jahreswechsel aus dem Amt.

Von der Amnestie könnten beispielsweise Polizisten und Soldaten profitieren, die bei Einsätzen Menschen getötet oder verletzt haben. Der Ex-Militär Bolsonaro hatte immer wieder gesagt, gegen Polizisten, die im Dienst einen Verdächtigen töten, sollte nicht ermittelt werden. Vielmehr hätten sie eine Medaille verdient.

2021 töteten Sicherheitskräfte in Brasilien 6133 Menschen

Die brasilianischen Sicherheitskräfte sind für robuste Einsätze berüchtigt. Wenn die schwerbewaffneten Spezialeinheiten der Polizei im Kampf gegen die Drogenbanden in die Elendsviertel einrücken, geraten auch immer wieder Unbeteiligte zwischen die Fronten. Im vergangenen Jahr töteten Sicherheitskräfte in Brasilien 6133 Menschen.

Experten wie der Rechtsprofessor Thiago Bottino aus Rio de Janeiro zeigten sich überzeugt, dass unter das Dekret auch 74 Polizisten fallen könnten, die wegen eines Massakers in der Haftanstalt Carandiru in São Paulo 1992 verurteilt wurden. Beim Polizeieinsatz zur Niederschlagung eines Gefängnis-Aufstandes waren dabei 111 Insassen getötet worden.

Insgesamt 74 Polizisten wurden deshalb verurteilt, sie sollen die Gefangenen teilweise regelrecht hingerichtet haben. Durch Berufungen und Verzögerungen schafften sie es aber laut Medienberichten bisher, auf freien Fuß zu bleiben. Sollten die Polizisten unter das Gnadenerlass fallen, dann können ihre Anwälte vor Gericht die Einstellung aller Verfahren beantragen.

Bolsonaro beendet Kommission zur Suche von Diktaturopfern

Mitte Dezember hatte Bolsonaro bereits die Suche nach Opfern der Diktatur (1964-85) zuständigen Kommission beendet. Die durch die Regierung des Rechtspopulisten eingesetzte Mehrheit der Kommissionsmitglieder stimmte für die Auflösung, berichten Medien Bolsonaro, der die Suche nach den Opfern stets verhöhnt hatte, will mit dem Ende der Kommission offenbar ein letztes Zeichen setzen.

Die dem Ministerium für Frauen, Familie und Menschenrechte unterstellte Kommission war 1995 vom damaligen Präsidenten Fernando Henrique Cardoso eingerichtet worden. Dass sie nun aufgelöst wird, verstößt gegen die Empfehlung der Bundesstaatsanwaltschaft, des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie Organisationen der Zivilgesellschaft wie der Menschenrechtskommission „Dom Paulo Evaristo Arns“, die nach dem Befreiungstheologen und Erzbischof von Sao Paulo (1921-2016) benannt ist.

Bolsonaros Regierung argumentiert, dass die Kommission hohe Kosten verursache und wenige Erfolge aufzuweisen habe. Allerdings ist ihre Arbeit in der nach dem Ende der Diktatur verabschiedeten Verfassung von 1988 festgeschrieben. Während der Diktatur sind Schätzungen zufolge über 400 Personen verschwunden. Noch immer suchen Angehörige der Opferfamilien nach ihnen.

Der Ex-Militär Bolsonaro ist bekennender Anhänger der Diktatur und hat mehrfach die Opfer verhöhnt. Wer nach Knochen suche, sei ein Hund, lautete eine seiner Beschimpfungen. Er hatte auch versucht, Entschädigungen für Diktaturopfer rückgängig zu machen. (dpa, AFP, KNA)

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