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Debatte zur Flexibilität im Strommarkt: Die Rolle der Flexibilität im Strommarkt der Zukunft

Der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung steigt und mit ihm der Bedarf an Flexibilitätsoptionen zur Integration der volatilen Energieträger Sonne und Wind. Die vorhandenen Flexibilitätspotenziale nutzbar zu machen, ist die nächste große Herausforderung im Rahmen der Energiewende. Eine Einführung in die Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings.

Zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität bei schwankender Einspeiseleistung durch Erneuerbare Energien ist die Nutzung von Flexibilitätsoptionen von zentraler Bedeutung. Vor dem Hintergrund der weiteren Ausbauziele für die Erneuerbaren Energien – schon im Jahr 2025 sollen 40 bis 45 Prozent des erzeugten Stroms aus fluktuierenden erneuerbaren Energiequellen stammen – wird derzeit der Regulierungsbedarf diskutiert. Ziel ist, die Flexibilität im Strommarkt zu erhöhen, um damit zum Erhalt der Versorgungssicherheit beizutragen.

Im Grünbuch des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) wird davon ausgegangen, dass zumindest aus technischer Sicht ausreichend Flexibilitätsoptionen zur Verfügung stehen. Aus Gründen der Kosteneffizienz gelte es jedoch „Hemmnisse abzubauen und einen technologieneutralen Wettbewerb der Flexibilitätsoptionen untereinander möglich zu machen“.

Geteilte Verantwortung

Das derzeitige Regulierungsregime umfasst eine Vielzahl von Instrumenten, die dabei helfen sollen, Erzeugung und Verbrauch zu jedem Zeitpunkt zu synchronisieren. Das Einspeisemanagement nach § 14 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) räumt Netzbetreibern das Recht ein, an ihr Netz angeschlossene Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien, Kraft-Wärme-Kopplung oder Grubengas zu regeln – also temporär die Einspeiseleistung zu verringern – , wenn die Netzkapazität in einer Region nicht ausreicht, um den erzeugten Strom aufzunehmen. Die Betreiber der Anlage erhalten in einem solchen Fall eine Entschädigung vom Übertragungsnetzbetreiber.

Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings
Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings

© TPM

Die Betreiber konventioneller Kraftwerke und von Speicheranlagen (>10 MW) werden über die im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) geregelten Redispatch-Maßnahmen der Übertragungsnetzbetreiber in die Verantwortung für die Stabilität des Netzes genommen. Droht an einer bestimmten Stelle im Netz ein Engpass, so werden Kraftwerke diesseits des Engpasses angewiesen, ihre Einspeisung zu drosseln, während Anlagen jenseits des Engpasses ihre Einspeiseleistung erhöhen müssen. Dafür erhalten sie eine Entschädigung in Höhe entstandener zusätzlicher Kosten oder es wird eine Rückzahlung bei zusätzlichen Einnahmen fällig.

Auch die energieintensive Industrie als größter Stromverbraucher wird über die Verordnung zu abschaltbaren Lasten in die Bereitstellung von Flexibilität eingebunden. Diese regelt den Erwerb von monatlich 3 000 Megawatt Gesamtabschaltleistung durch die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) über ein Ausschreibungssystem. Die Verordnung garantiert Unternehmen eine feste Vergütung, wenn sie sich bereit erklären, ihren Stromverbrauch zu senken, wenn es die Laststeuerung erfordert.

Ansätze eines Marktes für Flexibilität

Ansätze für stärker marktgetriebene Strukturen bei der Beschaffung von Flexibilität zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität sind vor allem am Regelleistungsmarkt und am Spotmarkt zu finden. Seit der Liberalisierung des Strommarktes 1998 sind die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber für die Vorhaltung von Regelenergie im Falle einer unvorhersehbaren Netzfrequenzschwankung verantwortlich. Die Regelenergie wird in drei Qualitätsstufen am Markt ausgeschrieben: Primär- und Sekundärregelenergie wöchentlich und die Minutenreserve werktäglich. Für die Teilnahme am Regelleistungsmarkt müssen sich die Anlagenbetreiber präqualifizieren. Erneuerbare Energieanlagen sind beispielsweise verpflichtet, ihren Strom über die Direktvermarktung zu vertreiben. Außerdem müssen Anlagen mindestens 5 MW an Leistung erbringen können, um für die Minuten- und Sekundärreserve mitbieten zu dürfen. Für die Primärenergie liegt die Grenze bei 1 MW.

Die Primärreserve muss innerhalb von 30 Sekunden, die Sekundärreserve von 5 Minuten und die Minutenreserve in 15 Minuten abrufbar sein. Insgesamt wird über 60 Minuten Regelenergie durch die ÜNB bereitgestellt. Bei einer länger andauernden Netzfrequenzschwankung liegt die Verantwortung für die Wiederherstellung des Gleichgewichts im Stromnetz bei dem verursachenden Bilanzkreis. Für die Bereitstellung von Regelenergie erhalten Anlagenbetreiber sowohl einen Leistungspreis für die reine Vorhaltung und einen Arbeitspreis für die tatsächliche Abrufung von Energie. Die Kosten werden über die Netzentgelte und den Ausgleichsenergiemechanismus umgelegt.

Einen Beitrag zum kosteneffizienten Ausgleich von Angebot und Nachfrage am Strommarkt und damit zur Netzstabilität leistet auch der Day-Ahead- und Intradaymarkt der Strombörse EPEX SPOT. Insbesondere durch die seit 2011 verfügbare Möglichkeit viertelstündliche Stromlieferungen zu handeln, hat der Sportmarkt dazu beigetragen, den Bedarf und die Kosten für die Regelleistungsbereitstellung zu verringern.

Reformansätze im Grünbuch

Im Grünbuch „Ein Strommarkt für die Energiewende“ werden verschiedene Reformansätze diskutiert, um die Anzahl der faktisch zur Verfügung stehenden Flexibilitätsoptionen auszuweiten und die Kosteneffizienz zu verbessern. So wird vorgeschlagen, die Struktur der Netzentgelte weiterzuentwickeln, damit Lastmanagement für Stromverbraucher attraktiver wird. Ebenso werden Anreize für einen systemdienlichen Einsatz von Anlagen zur Eigenstromerzeugung ins Spiel gebracht. Insgesamt sollen die Netzentgelte und die staatlich veranlassten Preisbestandteile im Hinblick auf ihre Anreizwirkung überprüft werden.

In Bezug auf den Regelleistungsmarkt strebt das BMWi eine Harmonisierung auf europäischer Ebene an. Die Bundesnetzagentur soll darüber hinaus die Ausschreibungsbedingungen überprüfen, um den Wettbewerb zu fördern und Erneuerbare-Energie-Anlagen, Speicher und Verbraucher stärker als bisher in den Markt für Regelenergie zu integrieren. Außerdem wird die Möglichkeit für eine situationsbasierte Ausschreibung von Regelleistung in Abhängigkeit zur Einspeisung aus Wind- und Sonnenenergie erwogen.

Alle Beiträge zur Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings finden Sie hier.

Hendrik Köstens

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