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Russlands Präsident Wladimir Putin finanziert den Krieg in der Ukraine auch mit dem Gasgeschäft.

© Alexander Nemenov/AFP

Debatte um Sanktionen: Russland muss aus Swift ausgeschlossen werden – jetzt!

Während Russlands Präsident Putin in der Ukraine militärische Fakten schafft, zögert Kanzler Scholz bei einem Swift-Ausschluss. Das ist fatal. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Seit ein paar Tagen ist ein Kürzel in aller Munde: Swift. Das internationale Zahlungssystem Swift dient Banken dazu, sich gegenseitig Geld zu überweisen. Und über Swift begleicht Deutschland seine Rechnungen für russisches Gas.

Deshalb gilt ein Ausschluss Russlands aus dem Zahlungsverbund als das schärfste Sanktions-Schwert. Bundeskanzler Olaf Scholz scheut bislang davor zurück, davon Gebrauch zu machen. Dennoch zeigt der Verlauf des russischen Angriffs auf die Ukraine, dass es richtig wäre, Russland aus dem Verbund auszusperren.

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Nun ist Scholz nicht der einzige Regierungschef in der EU, der Bedenken hat, die schärfste aller Sanktionen gegen Moskau einzusetzen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Ländern wie Österreich und Italien ist man sich der Abhängigkeit von russischen Öl- und Gaslieferungen nur allzu bewusst.

Auf einen Swift-Ausschluss würde der russische Präsident Wladimir Putin vermutlich mit einem Stopp der Rohstofflieferungen reagieren. Kalte Wohnungen und noch höhere Energiepreise – viele Regierungschefs in der EU wollen ihren Bevölkerungen derartige Zumutungen ersparen.

Zudem hat Außenministerin Annalena Baerbock auf eine andere unangenehme Folgewirkung eines Swift-Ausschlusses hingewiesen. Auch Überweisungen nach Russland, die für humanitäre Zwecke gedacht sind, kämen ohne Swift nicht mehr ans Ziel.

Putins Finanzquellen müssen ausgetrocknet werden

Dies sind alles ernst zu nehmende Überlegungen. Im Kern geht es aber darum, Putin sofort zu stoppen und die Finanzquellen seines Krieges auszutrocknen. Die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft bilden die wichtigste Grundlage dafür, dass Putin seine Kriegsmaschinerie im Osten der Ukraine und in Belarus überhaupt in Gang setzen konnte.

Von den bislang auf EU-Ebene beschlossenen Sanktionen dürfte sich Putin in seinem Kurs kaum beirren lassen. Das gilt beispielsweise für die eher symbolische Gegenmaßnahme, die eventuellen Vermögenswerte des Kremlchefs in der EU einzufrieren.

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Zwei Sanktionspakete hat die EU auf den Weg gebracht, seitdem Putin zu Beginn der Woche die Rebellengebiete Luhansk und Donezk anerkannte. Sie dürften allerdings erst mittelfristig ihre Wirkung entfalten. Ganz anders würde ein Swift-Ausschluss wirken: Er hätte unmittelbare Auswirkungen für die Einnahmen des russischen Staates.

Worauf will Scholz noch warten?

Kanzler Scholz hat angesichts der Debatte um Swift erklärt, man müsse noch schärfere Sanktionen für eine weitere Eskalation im Köcher behalten. Doch ein derartiges Abwarten spielt Putin, dessen Strategie offenbar auf eine militärische Enthauptung der Ukraine durch die Einnahme der Hauptstadt Kiew zielt, nur in die Hände.

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Worauf wollen Scholz, der österreichische Kanzler Karl Nehammer und Italiens Regierungschef Mario Draghi noch warten? Auf die fadenscheinigen Angebote zu Friedensgesprächen mit der Ukraine aus dem Kreml?

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In dieser Situation bietet sich für die Bundesregierung ein kurzfristiges und ein langfristiges Szenario an. Das kurzfristige Szenario betrifft die nächsten Wochen und diesen verhältnismäßig milden Winter. Nach den Aussagen von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen befindet sich Europa mit Blick auf die Gasspeicher auf der sicheren Seite, selbst wenn der Konzern Gazprom ab sofort seine Lieferungen stoppen sollte.

Dies sollte das Risiko eines russischen Swift-Ausschlusses für Deutschland und andere EU-Staaten mindern.

Soziale Ausgleichszahlungen bei hohen Energiepreisen

Das langfristige Szenario gilt für den kommenden und die darauffolgenden Winter. Weil es Deutschland versäumt hat, die Diversifizierung bei der Energieversorgung in den vergangenen Jahren ernsthaft in die Wege zu leiten, dürfte die Abhängigkeit von Russlands Gas noch einige Jahre andauern.

Die alternative Versorgung mit Flüssiggas, die neben dem Ausbau der Erneuerbaren für Wirtschaftsminister Robert Habeck als Mittel der Wahl gilt, wird für die Verbraucher teuer werden. Diesen Effekt werden Ausgleichszahlungen für die sozial Schwächsten abfedern müssen.

Die Risiken eines russischen Swift-Ausschlusses sind also nicht zu unterschätzen. Noch größer sind indes die langfristigen Risiken für Putin. Er ist für die nächsten Jahre auf Europa als Absatzmarkt für Öl und Gas angewiesen. Ob China bei allem Energiehunger diesen Absatzmarkt ersetzen kann, ist fraglich. Auch Putin hätte also allen Grund, über eine völlige Disruption in der Energiepolitik zweimal nachzudenken.

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