zum Hauptinhalt
Ulrich Kelber (SPD), der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI).

© Bernd von Jutrczenka/dpa

In Teilen verfassungswidrig: Datenschützer fordert Nachbesserung beim Gesetz gegen Hasskriminalität

Die vom Bundestag beschlossenen neuen Regeln im Kampf gegen Hate Speech sind teilweise wohl verfassungswidrig. Jetzt muss der Bundespräsident entscheiden.

Das im Juni vom Bundestag verabschiedete Gesetz gegen Hasskriminalität im Netz ist wohl in Teilen verfassungswidrig. Jetzt fordert deshalb der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Ulrich Kelber, das Gesetz gegen Hate Speech und digitale Drohungen nachzubessern.

Er habe bei seiner „Beratung des Gesetzgebers und in meinen Stellungnahmen gegenüber Bundesregierung und Bundestag mehrfach darauf hingewiesen, dass die geplanten Gesetze aus datenschutzrechtlicher Sicht bedenklich sind“, sagte Kelber dem Tagesspiegel. Durch ein nunmehr von der Grünen-Fraktion veröffentlichtes Gutachten des Bundestags, wonach die Bestimmungen teilweise verfassungswidrig seien, sehe er sich in seiner Kritik bestätigt.

Das neue Gesetz räumt den Bundeskriminalamt (BKA) die Möglichkeit ein, von den Betreibern sozialer Plattformen die entsprechenden Daten zur Identifizierung einzelner Nutzer einzufordern. Doch diese Befugnis des BKA, anhand von übermittelten Daten den Nutzer eines sozialen Netzwerkes zu identifizieren, sei nicht verhältnismäßig, heißt es in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Diensts des Bundestages: „Daher ist die Pflicht, die IP-Adresse zu übermitteln, nicht verhältnismäßig und daher nicht verfassungsgemäß.“

Die Kritik ist wesentlich durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Juli bestimmt, mit dem verschiedene Regelungen zur Bestandsdatenauskunft bei Telekommunikationsunternehmen für verfassungswidrig erklärt wurden. Diese Festlegungen kamen zeitlich jedoch erst nach der parlamentarischen Verabschiedung des Gesetzes.

Das neue Gesetz gegen Hasskriminalität legt fest, dass die Betreiber sozialer Netzwerke Hassbotschaften an das BKA melden müssen, damit sie von den Ermittlungsbehörden verfolgt werden können. Darunter fallen Morddrohungen, Volksverhetzung und Gewaltdarstellungen, die Billigung von Straftaten sowie die Verbreitung von Kinderpornografie.

Damit soll der zunehmenden Hasskriminalität im Netz entgegengewirkt werden. Auch einem Gutachten des Mainzer Juristen Matthias Bäcker zufolge enthält das im Juni beschlossene Gesetz „teils offensichtlich, teils mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrige und teils verfassungsrechtlich zweifelhafte Regelungen“, wie die Grünen mitteilten. Es müsse daher dringend korrigiert werden.

Das Staatsoberhaupt könnte sich weigern, das Gesetz zu unterzeichnen

Die im Gesetz festgelegte Meldepflicht „ist in Art und Umfang so verfassungsrechtlich nicht haltbar“, kritisierte die Grünen-Abgeordnete Renate Künast. Zum Beispiel sei ein zweistufigen Meldeverfahren erforderlich, damit die Daten erst ausgeleitet würden, wenn das BKA als staatliche Stelle einen Anfangsverdacht begründet habe.

Das Gesetz hatte der Bundesrat im Juli gebilligt, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat es bislang aber noch nicht unterzeichnet. Ob es dazu kommt, ist offen. Nach Medienberichten haben Mitarbeiter Steinmeiers bereits Gespräche mit dem Justizministerium, dem Innenministerium und dem Kanzleramt aufgenommen, um die verfassungsrechtlichen Bedenken zu erörtern. Steinmeier hat das Recht, die Ausfertigung von Gesetzen zu verweigern, wenn diese evident gegen das Grundgesetz verstoßen. Das Justizministerium äußert sich auf Anfrage dazu nicht. Es gelte, das Verfahren beim Bundespräsidenten abzuwarten, hieß es. (Mit AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false