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Himars-Raketenwerfer in der Ukraine.

© IMAGO/Cover-Images

Ukraine-Invasion Tag 183: „Das Schicksal Europas hängt an 25 Himars und 200 Haubitzen“

Ukrainisches AKW wieder am Netz , wie viele Waffen Kiew noch braucht, Putins Spione in Deutschland. Der Überblick am Abend.

Wenn die Waffenhilfe aus dem Westen nicht gewesen wäre, dann hätte die Ukraine am Mittwoch nicht ihren Unabhängigkeitstag gefeiert. Da ist sich der Präsidentenberater Oleksiy Arestovych sicher. In einem Interview (Quelle hier) dankt er deshalb den USA und anderen westlichen Staaten; besonders hebt er Polen hervor, das unter anderem 300 Panzer an die Ukraine abgegeben hat. Auch Frankreich habe einen großen Anteil, ein Fünftel seiner Artilleriesysteme habe das Land in die Ukraine geschickt.

An den neuen Waffenlieferungen (gestern im Newsletter Thema) hebt er besonders die Menge an Artilleriemunition hervor, rund 250.000 Schuss. Eine Einheit westlicher Munition sei so viel wert wie fünf Geschosse der Russen. Tatsächlich ist die in der Nato gebräuchliche Munition präziser und hat mehr Reichweite. 

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Interessant an Arestovychs Aussagen ist auch, dass er glaubt, mehr Himars-Raketenwerfer aus den USA würden das Gewicht im Krieg zugunsten der Ukraine verschieben. Bisher haben die USA 16 der Systeme geliefert. "Das Schicksal Europas hängt an 25 Himars und 200 Haubitzen", sagt er zur Menge der Waffen, die noch gebraucht würden. 

Er sieht die nächsten Monate als entscheidend für den Kireg an. Sie würden zeigen, ob die Ukraine die Krim und den Donbass am Ende zurückerobern könne. Noch vor dem Winter soll die russische Armee wesentlich geschwächt werden. Das deckt sich mit Aussagen ukrainischer Militärs, laut denen bis Ende des Jahres die aktive Phase des Krieges beendet sein soll (hier mehr).

DIE WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK

  • Drama um die Stromversorgung des AKW in Saporischschja: Das Atomkraftwerk in Saporischschja versorgt 20 Prozent der Ukrainer mit Strom. Nun ist es laut dem Betreiber wieder am Netz. Die Gefahr bleibt. Mehr hier. 
  • Putins Spione sollen Waffenausbildung von Ukrainern ausgespäht haben: Verdächtige Fahrzeuge, Drohnen und spezielle Spionage-Geräte: Medienberichten zufolge waren russische Geheimdienste an Bundeswehr-Standorten aktiv. Mehr hier. 
  • Russland setzt in der Ukraine massiv Streumunition ein: Der "Streubomben-Monitor" beschreibt der Einsatz der geächteten Waffen. Mehrere Hundert Menschen sollen durch diese getötet worden sein. Mehr hier. 
  • Der deutsche Botschafter in Großbritannien, Miguel Berger, hat gegenüber der britischen Zeitung "The Guardian" Sorgen darüber geäußert, dass der europäische Beistand für die Ukraine im Winter nachlassen könnte. "Indem Putin Gas als Waffe einsetzt und Druck auf unsere Gesellschaften ausübt, will er unsere Entschlossenheit testen", erklärt Berger. Es hänge daher stark von den jeweiligen Entlastungspaketen der Regierungen in Europa ab. Mehr in unserem Newsblog. 
  • In der Debatte über eine Beschränkung der Einreise russischer Touristen in die EU hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Kompromissbereitschaft signalisiert. Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt seien sich einig, „dass wir gemeinsam in Europa eine Lösung finden, die die berechtigten Sorgen und Anliegen von allen zueinander bringt“, sagte Baerbock. Die an Russland grenzenden EU-Länder Estland, Litauen und Lettland, aber auch Tschechien haben die Einreise von russischen Touristen bereits eingeschränkt. Finnland will im September folgen. Auch andere Länder wie Polen sind für die Beschränkung der Visa-Vergabe.
  • Das russische Militär hat einem Bericht der Nato zufolge zehn Kampfflieger von der besetzen Krim abgezogen. Um weitere Verluste einzuschränken, seien diese auf russisches Gebiet verlegt worden. Um gegen mögliche ukrainische Angriffe mit Drohnen vorzugehen, verstärke Russland der Nato zufolge zudem die Boden-Luft-Raketen auf der Krim.
  • Russland verbrennt einem BBC-Bericht zufolge riesige Mengen an Erdgas nahe der im Moment kaum noch befüllten Ostseepipeline Nord Stream 1. Die Flamme bei der Kompressorstation Portowaja nordwestlich von Sankt Petersburg ist demnach bis in das benachbarte Finnland und deutlich auf Satellitenbildern zu sehen. Es soll sich um Gas handeln, das für den Export nach Deutschland bestimmt war, aber wegen der geringeren Auslastung der Leitung im Moment nicht anderweitig abgeführt werden kann.
  • Behauptungen Moskaus zu angeblich absichtlich verlangsamten Angriffen in der Ukraine sind nach Ansicht britischer Experten falsch. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London am Freitag hervor. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte am Mittwoch gesagt, seine Armee habe ihre Angriffe verlangsamt, um die ukrainische Zivilbevölkerung zu schonen. Doch den Briten zufolge ist das eine absichtliche Falschinformation, die das Versagen des russischen Militärs kaschieren soll.
  • Belarussische Kampfjets vom Typ SU-24 sind nach Angaben von Präsident Alexander Lukaschenko so umgerüstet worden, dass sie mit Atomwaffen bestückt werden können. Der Schritt sei mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vereinbart worden, sagt Lukaschenko vor Journalisten. Belarus hat keine eigenen Atomwaffen, ist aber ein Verbündeter der Nuklearmacht Russland. Belarus hat Russland die Nutzung seines Territoriums für die Invasion der Ukraine erlaubt. 
  • Die jüngsten Äußerungen von Papst Franziskus zum Krieg in der Ukraine sorgen für Unmut in Kiew. Wie der US-Sender CNN berichtet, ließ die ukrainische Regierung nun den Papstbotschafter, Erzbischof Visvaldas Kulbokas, einbestellen. Für Ärger sorgten demnach vor allem die Einlassungen von Franziskus zum Mord an der moskautreuen russischen Berichterstatterin Darja Dugina. Das Kirchenoberhaupt hatte bei der Generalaudienz am Mittwoch von einer „armen jungen Frau“ gesprochen, „die in Moskau im Auto von einer Bombe in die Luft gejagt wurde“.
  • In einem „Friedensappell“ drängt eine Gruppe von Parteilinken aus der SPD auf eine diplomatische Offensive, um den Krieg zu stoppen. In dem Papier, das dem „Spiegel“ vorliegt, fordern die Autoren „einen schnellstmöglichen Waffenstillstand als Ausgangspunkt für umfassende Friedensverhandlungen“. Nach den SPD-Linken müssten die EU-Staaten ihre diplomatischen Anstrengungen verstärken. Auch mit anderen Ländern solle der Austausch intensiviert werden, „um sie für eine Vermittlerrolle zwischen den Kriegsparteien zu gewinnen“. Explizit nennen die Verfasser auch China mit seinen engen Verbindungen zu Moskau.
  • Der prominente russische Oppositionspolitiker Jewgeni Roisman wurde einen Tag nach seiner Festnahme wieder aus der Haft entlassen - aber unter strikten Einschränkungen. Ein Gericht in der Millionenstadt Jekaterinburg am Ural entschied, der 59-Jährige dürfe bis Ende September keine öffentlichen Orte und Veranstaltungen besuchen.

HINTERGRUND UND ANALYSE

1. Die Fehler des ukrainischen Präsidenten: „Selenskyj hat durchaus autoritäre und problematische Züge“

2. Sechs Monate Krieg gegen die Ukraine: Von wegen international isoliert – welche Länder zu Putin halten

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