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Mit Sterne-Koch Nelson Müller (l), der Moderatorin Nazan Eckes (M) und dem Ex-Formel-1-Fahrers Nico Rosberg (r) wirbt die Bahn im Internet

© Bahn/dpa

Das Problem mit der Vielfalt: Martenstein über Boris Palmer und die Bahn-Kampagne

Die Bahn will mit ihrer Werbekampagne Vielfalt zeigen, doch besonders vielfältig sind die Bilder nicht. Palmer hat darauf hingewiesen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Martenstein

Die Bahn hat eine Werbekampagne gestartet. Beim Image der Bahn ist Luft nach oben, weil die Züge oft unpünktlich sind oder überfüllt oder gar nicht fahren. Viele Orte sind leider überhaupt nicht mehr mit der Bahn erreichbar. Die Fahrpreise steigen allerdings schneller, als die Gletscher am Nordpol schmelzen können. Bei der Bahn sagen sie, dass bald alles besser werden soll, das sagen sie eigentlich seit Jahren. Mit der Werbekampagne soll das Besserwerden jetzt erst mal anfangen. Später werden dann vielleicht auch andere Sachen besser.

Auf den Bildern der Werbekampagne sind sechs glückliche Bahnkunden zu sehen, darunter ein Kind, vier sind dunkelhäutig. Damit möchte die Bahn zeigen, dass sie für Vielfalt ist, außer vielleicht, man versteht unter „Vielfalt“, dass viele Züge zu vielen Zeiten zu vielen Orten fahren. Besonders vielfältig ist die Bilderreihe aber gerade nicht.

Auch sozial ist sie etwa so vielfältig wie eine Aufsichtsratssitzung bei Daimler. Zu sehen sind zum Beispiel ein Starkoch, eine Moderatorin und ein Rennfahrer. Vermutlich fahren diese wohlhabenden Menschen eher selten Bahn. Sie haben viele Termine, wenig Zeit und müssen pünktlich sein.

Ich habe mich gefragt, warum die Bahn nicht statt einer türkischstämmigen Millionärin einen ebenso sympathischen türkischen Arbeiter zeigt. Nun, dieser Mann kann sich vermutlich das Bahnfahren gar nicht leisten, der nimmt lieber den Flixbus. So ein für wenig Geld hart arbeitender Mensch ist ja auch kein Rollenmodell, egal, wo seine Eltern herkommen.

Die Botschaft der Bahn: Vielfalt ist nicht für alle da

Das Problem mit der Vielfalt ist, dass sie vielfältig sein muss. Das Vielfältige gehört zur Vielfalt irgendwie dazu. Also, wenn ich zum Beispiel vier Fußballer zeige, um die Vielfalt des deutschen Sportangebots zu zeigen, dann ist da in der Agentur was schiefgegangen. So eine Kampagne sagt eher aus: „Spielt Fußball! Den Rest könnt ihr vergessen.“ Die Handballer werden das nicht mögen, auch wenn sie nichts gegen Fußball haben.

Die Bahnkampagne sagt insofern aus: „Werdet reich und erfolgreich und seht nicht biodeutsch aus!“ Das schafft ja nun auch nicht jeder.

Sie hätten auch auf einem der Bilder eine Mutter mit einem fröhlichen Kind mit Downsyndrom zeigen können oder eine nette alte Frau mit Einkaufstasche oder einen dicken Lehrer, der in der Bahn Hefte korrigiert, aber so haben sie das mit der Vielfalt bei der Bahn nicht gemeint. Vielfalt ist nicht für alle da!

Der grüne Politiker Boris Palmer, der auf dieses Problem hingewiesen hat, wird jetzt übrigens der Vielfaltsfeindlichkeit angeklagt und soll aus der Partei ausgeschlossen werden, weil es die Vielfalt stört, wenn man zu viel Vielfalt oder die falsche Vielfalt oder die Vielfalt mit den falschen Worten fordert.

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