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Aus dem Südwesten nach Berlin: Annegret Kramp-Karrenbauer und Julia Klöckner umarmen sich beim CDU-Parteitag, umringt von Bund-Länder-Prominenz.

© Stefanie Loos/AFP

Das politische Bund-Länder-Karussell: Munteres Wechselverhalten

Kramp-Karrenbauer, Klöckner, Kretschmer, Seehofer, Scholz: Wie das personelle Hin und Her zwischen Ländern und Bund den politischen Betrieb prägt. Eine Glosse.

Eine Glosse von Albert Funk

Auf dem Weg zur Geschlechterparität in der Runde der deutschen Ministerpräsidenten ist die Entscheidung von Annegret Kramp-Karrenbauer, das Regieren im Saarland sein zu lassen und stattdessen der CDU Deutschlands ein neues Profil zu geben, ein Rückschlag. Eine Frau weniger, nachdem schon Hannelore Kraft wahniederlagenhalber im vorigen Jahr ausgeschieden ist. Immerhin ist es dank des Umzugs von Manuela Schwesig von Berlin nach Schwerin im vorigen Sommer nun nicht dazu gekommen, dass wieder nur eine Ministerpräsidentin, nämlich Malu Dreyer, in einem der wichtigsten Gremien sitzt, die wir haben. Ja, die Ministerpräsidentenkonferenz, abgekürzt MPK, hat gewaltig an Bedeutung gewonnen in den vergangenen Jahren. Wie überhaupt die obersten Führungskräfte der Länder eifrig mitmischen in der Bundespolitik, wie zuletzt bei den Sondierungen und Verhandlungen zur Bildung einer neuen Bundesregierung zu sehen war. Wer berichtete in die Kameras, als sich Union und SPD in der Bildungspolitik einig wurden? Schwesig und Kramp-Karrenbauer. Daher lautet der Merksatz hier: Wer immer das Ressort im Bundeskabinett besetzt, die tatsächlichen Entscheider sitzen zuständigkeitshalber in den Ländern. Mal sehen, wie Anja Karliczek damit umgeht. Dass die neue CDU-Generalin nun aus dem Saarland kommt, dürfte auch damit zu tun haben, dass Kramp-Karrenbauer sich in der MPK und über die MPK erst still und leise und zuletzt ein bisschen deutlicher profilieren konnte, als es Politikern aus einem kleinen Ländchen üblicherweise zukommt.

Edmund Stoiber ließ es sein

Der Austausch der Kräfte zwischen Bund und Ländern ist zwar ein Normalvorgang im deutschen Föderalismus, aber er war schon dürftiger als in letzter Zeit. Wann erwägt schon mal ein bayerischer Ministerpräsident, sich vom Landesherrscher zum Mitsitzer in der Bundesregierung zu degradieren?  Edmund Stoiber hat ja einst die Sache lieber sein lassen, als er merkte, dass er sein Supersupersuperministerium nicht bekommen würde. Nun reicht schon die Beifügung „Heimat“ (wenn Horst Seehofer denn tatsächlich umzieht). Olaf Scholz wäre ein weiterer aus dem Kreis der erfahrenen „MPs“, der die Seite wechselt (wobei auch ein Bundesfinanzminister Scholz ein Zurückwechsler wäre, er saß ja wie Seehofer schon mal im Bundeskabinett). Dass die Gute-Laune-Fee der CDU als Landwirtschaftsministerin nun nicht mehr nur im Südwesten die Feste besuchen darf, sondern gesamtnational, ist ebenfalls Teil des aktuellen Bund-Länder-Karussells. Julia Klöckner wird damit sozusagen von der Landespolitik erlöst, in welche die vormalige Bundespolitikerin 2011 wechselte, um dann bei zwei Landtagswahlen zu verlieren. Auch sie ist also eine Zurückwechslerin. Dass der sächsische Ministerpräsident nun Michael Kretschmer heißt, geht ebenfalls auf eine Bund-Länder-Tauschaktion zurück, die wiederum nötig wurde, um einen anderen Vorgang dieser Art zu verhindern, nämlich den Wechsel von Thomas de Maizière von der Spree an die obere Elbe. Man darf gespannt sein, ob Kretschmer - der bei der Bundestagswahl ein Mandat verpasste - als Import aus Berlin akzeptiert wird. Und wer weiß, möglicherweise wird demnächst Winfried Kretschmann doch von Cem Özdemir ersetzt, der bundespolitisch ein bisschen in den Schatten gerückt ist, nachdem Robert Habeck die schleswig-holsteinische Landesbühne zu klein geworden ist. Apropos Südwesten: 2016 ging der frühere CDU-Bundespolitiker Thomas Strobl vollends in die Landespolitik, um für die Union zu retten, was zu retten ist, tut sich aber ein bisschen schwer damit. Nicht immer gelingen die Übergänge vom Hier ins Dort ganz problemlos.

Munteres Wechselverhalten

Das muntere Wechselverhalten dürfte immerhin dazu beitragen, das gewohnte politische Bund-Länder-Miteinander in kooperativer Herzlichkeit fortzusetzen. Oder auch, schaut man auf den Koalitionsvertrag, es noch auszubauen. Aus diesem Miteinander ergab sich auch die erwähnte Bedeutung der MPK, der Ministerpräsidentenkonferenz. Die hat eigentlich vor allem die Aufgabe, die Länder untereinander zu koordinieren, wo es nötig ist – zum Beispiel in Rundfunkangelegenheiten, in denen der Bund (noch) wenig zu bestimmen hat. Aber in der vergangenen Wahlperiode hat sie das eigentliche bundespolitische Länderorgan, den Bundesrat, regelrecht verdrängt. Ein Grund, neben der vielfältigen Koordinierungszwänge, die sich aus der Flüchtlingskrise ergaben: In der Länderkammer sind die Verhältnisse immer bunter geworden. Es gibt derzeit in den Ländern 15 Koalitionsregierungen in neun Ausformungen. Unterscheidet man noch danach, welche Partei die Führung hat, dann kommt man über alle 16 Länder einschließlich der bayerischen Alleinregierung auf 13 Regierungsvarianten. Da ist die MPK halt überschaubarer, Union und SPD sind dort weitgehend unter sich, was angesichts einer Groko im Bund schon ein Vorteil ist. Irgendwie ist die MPK so zu einer Art länderübergreifendem Zweitkabinett geworden, das sich möglicherweise auch in den nächsten Jahren vieldutzendfach mit dem Bundeskabinett treffen wird, um das Miteinander zu besprechen, zu koordinieren, zu intensivieren. Würden sie nicht so viel kooperieren, sie hätten es einfacher. Aber das sage mal jemand einer Truppe wie unserer politischen Klasse, die bisweilen wohl nicht mehr auseinanderhalten kann, wer gerade auf welcher Ebene agiert.

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