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Aussage verweigert. Der Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann (SPD) am 5.Februar 2015 als Zeuge vor dem Edathy-Untersuchungsausschuss.

© Maurizio Gambarini/dpa

Sebastian Edathy und Michael Hartmann: Das laute Schweigen der SPD

Nachdem Michael Hartmann im Edathy-Untersuchungssausschuss die Aussage verweigerte, steckt das Gremium in einer Sackgasse. Und die SPD weiß nicht, wie sie sich verhalten soll.

Eigentlich ist Eva Högl Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zum Fall Sebastian Edathy. Tatsächlich aber muss sie seit Monaten in die Rolle der SPD-Verteidigungsministerin schlüpfen. Denn ihre Partei steht längst im Mittelpunkt dieses Ausschusses. Die letzte Sitzung war wieder keine richtig gute für die SPD. Michael Hartmann, SPD-Abgeordneter und Schlüsselfigur in der Affäre Edathy, hat kurzfristig die Aussage verweigert. Die Opposition ist offen erzürnt, der Koalitionspartner beißt die Zähne zusammen.

Die Opposition verlangt eine Klärung des Verhältnisses der SPD-Fraktion zu Hartmann. Das ist die etwas verklausulierte Aufforderung, Hartmann auszuschließen. „Diese Frage stellt sich nicht“, sagt Högl trocken und blickt stoisch geradeaus. Ihr Kollege Uli Grötsch bemüht sich etwas ungelenk, die ganze Sache als Einzelaktion von zwei Leuten abzutun. Politische Folgen der ganzen Angelegenheit? Keine, sagt er. Dabei ist die halbe SPD-Spitze in die Affäre verwickelt. Unklar ist nur noch, wie tief.

Doch das lauteste, was man aus der SPD zum Fall Edathy hört, ist Schweigen. Außer Högl redet keiner gern über die Angelegenheit. Und gern macht es Högl wohl auch nicht. „Das ist eine unangenehme Situation für uns“, sagt sie. Doch SPD-Chef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Thomas Oppermann und Frank-Walter Steinmeier weichen Fragen aus oder blocken sie mit Verweis auf den Untersuchungsausschuss und die Staatsanwaltschaft ab.

Der Ausschuss steckt in einer Sackgasse. Die Details des Falls sind verworren. Widersprüche bleiben unaufgeklärt. Edathy nennt Hartmann als seinen Informanten zu den Kinderpornografie-Vorwürfen, dessen Quelle der ehemalige Präsident des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke sein soll. Hartmann hat dies in seiner Befragung im Dezember bestritten. Nach weiteren Zeugenaussagen, die Hartmann weiter belastet haben, verweigert er nun die Aussage. In der Begründung seines Anwalts weist er die Vorwürfe zurück. Jetzt sind die Staatsanwaltschaften am Zug.

Wenn eine Falschaussage vorliegt, wäre das strafrechtlich relevant

Zum einen befasst sich die Staatsanwaltschaft Berlin mit dem Fall. Der Untersuchungsausschuss will der Behörde die Protokolle der Befragungen übermitteln, damit geprüft werden kann, ob eine Falschaussage vorliegt. Denn das wäre strafrechtlich relevant. „Die Staatsanwaltschaft wartet zunächst den Abschluss des Untersuchungsausschusses ab. Sollte der Ausschuss von sich aus vor Abschluss seiner Tätigkeit Unterlagen übersenden, werden diese geprüft werden“, heißt es bei der Berliner Behörde.

Zum anderen die Staatsanwaltschaft Lüneburg. Dort wird der Verdacht auf Strafvereitelung geprüft. Außerdem laufen bereits seit Mai 2014 Ermittlungen gegen Unbekannt wegen des Verdachts auf Verrat von Dienstgeheimnissen in der Affäre Edathy. „Die Ermittlungen gestalten sich schwierig, es geht nicht nur um eine Person, sondern eine Vielzahl“, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. Konkret gebe es aber noch nichts, sagte sie weiter. Damit gewinnt die SPD vor allem eines: Zeit.

Hartmann hat keine politische Zukunft mehr

Für Hartmann ist die Lage dennoch aussichtslos. In der SPD ist er weitgehend isoliert. Nach seiner Beichte, Chrystal Meth konsumiert zu haben, ist er ohnehin nur noch auf Bewährung in der Fraktion. Den Rauswurf aber muss er derzeit nicht fürchten, schließlich würde das signalisieren, dass man Edathys Darstellung für glaubwürdig hielte. Und das wäre am Ende für die SPD ein Eigentor, weil die Frage, warum Hartmann Edathy informiert hat, noch drängender würde. Eine politische Zukunft in der SPD-Fraktion hat Hartmann aber kaum mehr, wenngleich aus SPD-Kreisen jetzt verlautete, dass er sein Bundestagsmandat behalten wolle. Druck kommt für ihn vor allem aus seinem Landesverband in Rheinland-Pfalz. Schließlich wird dort nächstes Jahr gewählt, und Hartmann ist in dem Bundesland eine prominente Figur, die der Partei Schaden könnte.

Linke sieht Schaden für die gesamte Politik

Linken-Obmann im Ausschuss, Frank Tempel, sieht durch die Ereignisse nicht nur die Arbeit des Ausschusses untergraben. „Das ist ein eklatanter Schaden für die gesamte Politik“, der keineswegs nur Hartmann oder die SPD betreffe, sagte Tempel. „Wir reden immer über Wählerverdrossenheit. Da kann man auch mal Wähler verstehen, wenn man sagt, die kann man da alle, wie sie sind, nicht wählen.“ Tempel forderte Hartmann auf, sein Bundestagsmandat aufzugeben. Högl will diese Forderung nicht aufgreifen, Unterstützung für Hartmann gibt es aber auch von Högl nicht mehr. „Das muss Michael Hartmann selbst alles beantworten“, sagte sie im Deutschlandfunk.

Die Union nimmt das Schweigen ihres Koalitionspartners gelassen. Zwar gibt es einzelne Sticheleien und kleine Kritik, aber das große Aufheulen bleibt noch aus. Wohl auch, weil sie ihre eigene kleine Schmuddelaffäre hat. Im parallelen NSA-Untersuchungsausschuss steht der Vorsitzende Patrick Sensburg (CDU) in der Kritik. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts, seine Lebensgefährtin verprügelt zu haben. Und da hält sich die SPD höflich zurück.

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