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Meterhoch türmen sich wenige Tage nach der Flutkatastrophe Wohnwagen, Gastanks, Bäume und Schrott.

© Boris Roessler/dpa

Konsequenzen aus der Flutkatastrophe 2021: Das Land stellt sich endlich besser auf für Katastrophenfälle

Zu lange glaubte die Politik, es gebe keine Gefahren mehr. Für dieses Versagen des Staates hätte die Innenministerin sich entschuldigen müssen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Vor einem Jahr, bei der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, starben 183 Menschen. Ihr Tod war tragisch, auch, weil er vermeidbar gewesen wäre. Dass so viele Menschen ertranken, war eine Folge des totalen Versagens des zivilen Bevölkerungsschutzes. Warnungen der Meteorologen wurden über Tage hinweg nicht beachtet.

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Die Bevölkerung wurde nicht nur leichtfertig, sondern strafrechtlich schuldhaft in Unwissenheit über die drohenden Lebensgefahren gelassen, weil staatliche Stellen sich nicht zuständig fühlten oder zu ignorant waren, die sich anbahnende Katastrophe in ihrem ganzen Ausmaß zu erfassen.

Als Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Mittwoch die Maßnahmen ankündigte, mit denen die Wiederholung eines solchen Unglücks verhindert werden soll, fehlte eine Entschuldigung für das vorangegangene Systemversagen.

Zu verantworten haben dieses zwar weder die neue Ministerin noch der kürzlich eingesetzte Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Ralph Tiesler, oder Gerd Friedsam vom Technischen Hilfswerk. Aber alle drei präsentierten die Schlussfolgerungen aus dem organisatorischen Versagen vor einem Jahr stellvertretend eben für diesen Staat.

Die Politik wollte auf Risikovorsorge verzichten – welch eine Kurzsicht!

Die Ignoranz, Schludrigkeit und Nachlässigkeit, mit der Politiker und Behördenvertreter im Juli 2021 das Hochwasser kommen sahen oder, schlimmer noch, sich blind stellten, lässt sich nur mit der Blauäugigkeit gegenüber dem Weltgeschehen nach dem Zerfall der Blöcke im Wendejahr 1989/1990 erklären.

Nancy Faeser, Bundesministerin des Inneren und für Heimat bei einer Pressekonferenz zum Bevölkerungsschutz am Mittwoch.

© IMAGO/Chris Emil Janßen

Damals glaubte die deutsche Politik offenbar, von nun an könnten nur noch Friedensdividenden eingestrichen und alle Risikovorsorge eingestellt werden, im militärischen wie im zivilen Bereich. Bundeswehr und Zivilschutz wurden abgerüstet, beide durch Abschaffung von Wehrdienst und Zivildienst nachhaltig geschwächt. Sirenen? Wozu noch! Hubschrauber? Kriegskram! Zivilschutzübungen? Es ist doch Frieden, Leute!

Die Politik tat so, als seien Hochwasser und Stürme fortan ebenso abgeschafft wie die Bedrohung aus dem nicht mehr existierenden Ostblock. Was für eine Dummheit, welche Kurzsichtigkeit! Hochwasser wie durch die Ahr hatte es über die Jahrhunderte immer wieder gegeben. Sie sind nicht einmal eine Folge des Klimawandels, der verstärkt sie allenfalls.

Aber damit umzugehen, das muss trainiert werden. Rettung funktioniert nur, wenn die Retter geschult werden. Wenn Hubschrauberpiloten wissen, wo sie gefahrlos ihren Einsatz fliegen können. Und auch Krisenstäbe müssen immer wieder durchexerzieren, wie Befehlsstränge aufgebaut sind.

Gerade deren Mitglieder aus dem öffentlichen Dienst bilden eine verlässliche Struktur. Eingefuchste Beamte sind immer ein Rettungsnetz für überlastete und sich selbst überschätzende Politikerinnen und Politiker.

Zur schnellen Funktionsfähigkeit bei Naturkatastrophen gehört schließlich auch, dass nicht jedes der 16 Bundesländer eigene Strukturen aufbaut, denn Bundeswehr und THW müssen sich auf feste und einheitliche Entscheidungswege verlassen können. Alles zusammen also eine Aufgabe, die dieses Land mit Vorrang beschäftigen muss und deren Bewältigung nur eine echte Gemeinschaftsleistung sein kann.

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