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Armin Laschet (CDU) will seine Nachfolge organisieren. Kann ihm das gelingen?

© Guido Kirchner/dpa

„Das ist Kraut und Rüben“: Armin Laschet entgleitet die Nachfolgersuche

Am Montag will CDU-Chef Laschet der Partei die Neuaufstellungspläne präsentieren. Die Rücktritte Altmaiers und Kramp-Karrenbauers erzeugen zusätzlichen Druck.

Besonders viel Respekt erhalten Politiker paradoxerweise für Rücktritte, es gibt hier zwei Kategorien: Den ehrlichen Respekt und den pflichtschuldigen. Was Annegret Kramp-Karrenbauer und Peter Altmaier seit Samstag erfahren, gehört eindeutig in die erste Kategorie. Zumal sie mit dem Verzicht auf ihre Bundestagsmandate Botschaften aussenden, die eine Dynamik auslösen könnten bei den Versuchen der CDU, sich nach der historischen Wahlniederlage neu aufzustellen und zu verjüngen.

„Auf sein Mandat zu verzichten, um inmitten eines schwierigen Umbruchs der eigenen Partei Platz zu machen für jüngere Abgeordnete, zeugt von charakterlicher Größe und innerer Freiheit“, sagt zum Beispiel die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie habe immer wieder Respekt, wie sich gerade Kramp-Karrenbauer zurücknehme, meint Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. „Das ist auch über Parteigrenzen hinweg stilbildend".

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Wenn man so will, hat die kleine Saar-CDU gezeigt, wie es gehen kann. Zunächst war Peter Altmaier stark ins Grübeln gekommen, er beriet sich mit Kramp-Karrenbauer, was Erneuerung jetzt konkret bedeuten muss.

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Altmaier (63) hatte gegen Heiko Maas wie Kramp-Karrenbauer (59) gegen Josephine Ortleb (beide SPD) den Wahlkreis verloren, aber als Bundesminister der Wirtschaft und als Bundesministerin der Verteidigung standen sie auf den ersten beiden Plätzen der CDU-Landesliste im Saarland und konnten darüber einziehen. Nicht aber die Digitalexpertin Nadine Schön (38) und der Diplom-Kaufmann Markus Uhl (41) auf Platz 3 und 4, die bisher Bundestagsmitglieder waren. Uhl hatte schon seine Wohnung in Berlin gekündigt, bevor er vom Mandatsverzicht überrascht wurde.

Nadine Schön gilt als Digitalexpertin und Zukunftshoffnung der CDU.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Der Schritt, das Loslassen-Können, lässt manche andere in der CDU, aber auch in der CSU alt aussehen, die zuletzt vor allem mit Ego-Trips, wie es einer in der Union sagt, destruktiv wirkten.

Kramp-Karrenbauer sagte in Saarbrücken, es reiche nicht, nur zu sagen, das Land und die Partei seien wichtiger als die eigene politische Karriere. Jetzt sei eine Situation „wo man es dann auch tun muss“.

[Lesen Sie auch: Das sind die Schlüsselfiguren für die Ampel-Verhandlungen (T+)]

So hatte Friedrich Merz bei Twitter betont: "Ich hätte gerne, dass wir die drei Buchstaben CDU größer schreiben als die Buchstaben ICH, das gilt für alle.“ Aber er selbst hatte bisher immer wieder Konsenslösungen blockiert und scheint auch nun wieder davon überzeugt, dass er der richtige Vorsitzende in dieser tiefen Krise sein könnte.

Die Aussage von Kramp-Karrenbauer lässt sich aber auch als dezenter Wink an CDU-Chef Armin Laschet verstehen, der einen Neuanfang will, aber die Suche nach einem Nachfolger selbst steuern will. Ein Rücktrittsdatum hat er bisher nicht verkündet. Laschet bleibt auch als möglicher Kanzler einer Jamaika-Koalition ins Spiel, würde aber zurückziehen, wenn er das Hindernis sein sollte. „Es geht nicht um die Person Armin Laschet. Es geht um das Projekt für dieses Land“, hatte Laschet gesagt.

Im CDU-Vorstand gibt es wachsenden Unmut über den unentschlossenen Schritt und die weiter unklare Lage. „Das ist Kraut und Rüben“, schimpft ein Mitglied.

Laschets schwierige Gremiensitzungen am Montag

Während gerade Grüne und SPD mit deutlich verjüngten Fraktionen im nächsten Bundestag vertreten sind, ist das bei der Union bisher nicht der Fall. Die konstituierende Sitzung des nächsten Bundestags ist am 26. Oktober. Aber zunächst kommen an diesem Montag die CDU-Gremien – erst Präsidium (22 Mitglieder), dann der Vorstand (Präsidium plus 26 weitere Mitglieder) – zusammen.

Dort will Laschet der Parteispitze seine Pläne zur personellen und inhaltlichen Erneuerung nach dem historischen Desaster bei der Bundestagswahl präsentieren. Dabei wird er für Klarheit sorgen müssen: Wird es eine Mitgliederbefragung geben, deren Ergebnis dann durch einen Parteitag bestätigt werden müsste? Wann soll der neue CDU-Vorsitzende feststehen? Und bis wann müssen Kandidaturen erklärt werden?

Bisher kursieren mit Friedrich Merz, Jens Spahn, Norbert Röttgen, Ralph Brinkhaus und Carsten Linnemann vor allem Männer aus NRW als mögliche Kandidaten. Merz wird sich aber nicht nochmal einer Kampfkandidatur auf einem Parteitag stellen, er will wie Röttgen eine Basisbefragung. Hier rechnen sie sich bessere Chancen aus.

Vorsondierung von Union und Grünen: Die Chancen für Jamaika schwinden - wegen der Machtkämpfe in der CDU.

© AFP

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten, bekannt für klare Worte, legt dem ganzen Präsidium den Rücktritt nahe. Die Mitglieder hätten die Programmatik der CDU verwässert und Laschet in eine chancenlose Kanzlerkandidatur getrieben, sagte er der „Bild am Sonntag“. Das Präsidium könne einen Kanzlerkandidaten gegen alle Umfragewerte, gegen die Schwesterpartei, gegen die Bundestagsfraktion und die Parteibasis durchsetzen. Aber dann müsse der auch Wahlen gewinnen. Das sei nicht geschehen, sagt der Chef des Parlamentskreises Mittelstand der Union.

Die neue Spitze soll noch dieses Jahr stehen, wird gefordert

Ein Vorschlag, der auch auf den Tisch kommen könnte, um neue Wege der stärkeren Basisbeteiligung zu gehen: Die 327 Kreisvorsitzenden könnten darüber befinden, nach welchem Prozedere der neue Vorsitzende oder die neue Vorsitzende oder womöglich sogar eine Doppelspitze zu finden ist. Der Druck wächst jedenfalls, dass es sehr schnell gehen soll, mit einer Entscheidung noch in diesem Jahr. „Die anderen brauchen vielleicht nur zwei Monate für eine Regierung“, betont ein CDU-Politiker. Da könne es schlecht sein, dass die CDU bis in das nächste Jahr hinein nach einer neuen Führung sucht. Mitte Dezember müsse die komplette Neuaufstellung stehen.

Auch eine Gruppe junger Politiker um den Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, und den Abgeordneten Philipp Amthor fordert eine Basisbeteiligung. Die CDU müsse „raus aus der alten Denke und raus aus eingefahrenen Strukturen“, schreiben sie in der „Welt am Sonntag“. Es sei nicht die Aufgabe derjenigen, die die Lage zu verantworten haben, „einen neuen Vorsitzenden auszuwählen“, betonen sie mit Blick auf Laschet. Er wollte die Suche von vorn gestalten, aber das entgleitet ihm zusehends, trotz seiner Rückzugsankündigung vergangene Woche.

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Der Rückzug heißt auch: Wir rechnen mit der Opposition

Altmaier und „AKK“ machen mit ihrem Schritt deutlich: Es wird wohl der Gang in die Opposition kommen, da sind sie ähnlich klar wie CSU-Chef Markus Söder.

Ihre Ministerämter wollen sie bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung ausüben.

Die Ampel-Sondierungen von SPD, Grünen und FDP laufen bisher in einer Weise, die die Union zuletzt nicht an den Tag legte: Vertrauensvoll, leise, klar strukturiert, weniger breitbeinig, sondern lösungsorientiert. Grünen-Chef Robert Habeck sagt, man wolle einen neuen politischen Stil prägen.

Diesen Montag, Dienstag und Freitag soll rund 25 Stunden weitersondiert werden, dann dürfte klarer sein, ob es zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen kommt – die Union bewirbt sich gerade nicht als zugkräftige Jamaika-Alternative. Aber der heikelste Ampel-Punkt steht noch aus. Wieviel Geld ist nach Corona und dem Pochen der FDP auf die Rückkehr zur Schuldenbremse überhaupt zu verteilen?

Den Prozess hin zum Verzicht zugunsten der Jüngeren moderierte Ministerpräsident und CDU-Landeschef Tobias Hans. Er ist mit 43 Jahren eine Zukunftshoffnung der CDU. Hans ist in diesem Amt, weil sich Kramp-Karrenbauer Anfang 2018 ganz in den Dienst der Partei stellte, als CDU-Generalsekretärin nach Berlin wechselte. Hans‘ Bewährungsprobe steht noch aus:  Ende März 2022 muss er die Landtagswahl im Saarland gewinnen, er hatte das Amt ja nur „geerbt“.

Markus Uhl und Nadine Schön rücken für Peter Altmaier und Annegret Kramp-Karrenbauer im Bundestag nach.

© Katja Sponholz/dpa

Dagegen endet Kramp-Karrenbauers Karriere vorerst, dabei schien sie schon auf dem Weg ins Kanzleramt. Im Dezember 2018 wurde sie in einer Kampfabstimmung gegen Friedrich Merz zur CDU-Vorsitzenden und Nachfolgerin Angela Merkels gewählt. Merz war es später, der Druck auf sie machte, dass sie Merkel im Amt der Bundeskanzlerin vorzeitig ablösen müsse, um mit einer besseren Siegchance, einem Amtsbonus, in die Bundestagswahl zu gehen.

Aber Merkel blieb. Zunehmend kühlte das Verhältnis zwischen Merkel und „AKK“ ab, sie trat dann als Verteidigungsministerin in das Kabinett ein, nachdem Ursula von der Leyen EU-Kommissionspräsidentin wurde. Vielleicht auch durch die Ämtertrennung von Kanzleramt und Parteivorsitz hatte sie nicht den ausreichenden Rückhalt in der Partei, nach der Wahl von Thomas Kemmerich zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thüringens durch CDU, AfD und FDP und fehlgeschlagenen Vermittlungsversuchen kündigte sie ihren Rücktritt an.

Friedrich Merz, CDU, knöpft sich de CSU und Markus Söder vor, der Wahlkampf hat tiefe Risse in der Union hinterlassen.

© Thomas Imo/photothek

Wie nun Laschet wollte sie einen Konsenskandidaten finden, was nicht gelang und in den Kandidaturen von Laschet, Merz und Norbert Röttgen endete. Obwohl auch Laschet ihr immer wieder als CDU-Vorsitzende das Leben schwer gemacht hatte, unterstützte sie bedingungslos den Kanzlerkandidaten. Altmaier sitzt seit 1994 im Bundestag. 2012 wurde er nach Röttgens Rauswurf neuer Bundesumweltminister, war dann vier Jahre Merkels Kanzleramtschef und seit 2018 Bundeswirtschaftsminister. In der Coronakrise gab es viel Kritik an ihm und stockenden Hilfszahlungen, Merz trachtete mehrfach nach seinem Amt, was Merkel aber kühl abwies.

Es sei wichtig, jetzt einen Generationswechsel herbeizuführen, betont Altmaier. „Erneuerung ist möglich, man muss sie nur wollen“, sagt er. Man darf nun gespannt sein, ob sich etwa ein Wolfgang Schäuble, der nicht mehr Bundestagspräsident sein wird, noch einmal vier Jahre Bundestag antut, seit 1972 ist er Abgeordneter. „Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, wie wenig jüngere Abgeordnete dieses Mal für CDU/CSU in den Bundestag eingezogen sind“, sagt Altmaier. Die Botschaften sind eindeutig: Weniger Reden und Sticheleien, sondern Erneuerung und Verjüngung angehen.

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Merz über Söder: "stillos, streckenweise rüpelhaft"

Eine entscheidende Aufgabe wird auch sein, CSU-Chef Söder zur Räson zu rufen. Wie kritisch er auch in den eigenen Reihen inzwischen gesehen wird, zeigte am Samstag die Versammlung der Jungen Union Bayern, spärlicher Applaus und immer wieder auch Kritik an Söder, der dort vor einem „Rosenkrieg im bürgerlichen Lager“ warnte. Er war es, der immer wieder den Wahlkampf der Union torpedierte – will er nochmal Kanzlerkandidat der Union werden, dann dürfte das nach diesen Tagen mit der CDU schwer werden.

Abfahrt in ein neues Leben mit mehr Lesen und Freizeit: Peter Altmaier.

© Michael Kappeler/dpa

Friedrich Merz geht in einem Newsletter an seine Unterstützer im Sauerland mit der CSU hart ins Gericht: „Das Jahr 2021 markiert einen Tiefpunkt unserer Zusammenarbeit und unseres Umgangs miteinander.“  So wie in den Wochen vor der Wahl gehe man in einer sich „bürgerlich“ nennenden Union nicht miteinander um. „Das war stillos, respektlos und streckenweise rüpelhaft. Wir tragen eine Verantwortung, die über unsere Parteien und über einzelne Personen und deren persönliche Machtinteressen hinausreicht.“ Wer das nicht begreife, richte mehr Zerstörung an, als es eine verlorene Bundestagswahl allein vermag.

Altmaier betont hierzu gegenüber der dpa: „Die neue CDU-Führung und Markus Söder müssen ein starkes Team bilden. Nur so kann der Wiederaufstieg gelingen." Und was macht er, der leutselige Saarländer, der immer für die Politik gelebt nun? Er habe nun endlich, „mehr Zeit für Garten und Lesen, vielleicht auch Schreiben“.

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