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Ein Satellitenbild zeigt brennende Gebäude in Mariupol am 22. März.

© via REUTERS

„Das ist ein neues Auschwitz und Majdanek“: Bürgermeister von Mariupol berichtet vom Einsatz mobiler Krematorien durch Russen

In der belagerten Stadt Mariupol sollen die russischen Truppen massenhaft Leichen von Zivilisten verbrennen. Auch von „Zerkleinerungsgeräten“ ist die Rede.

Die Ukraine wirft Russland vor, zur Vertuschung von Kriegsverbrechen in der umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol Leichen in mobilen Krematorien zu verbrennen.

Mit dieser Praxis sollten Spuren verwischt werden, teilte die Stadtverwaltung am Mittwoch bei Telegram mit. „Das ist ein neues Auschwitz und Majdanek“, wurde Bürgermeister Wadym Bojtschenko in der Mitteilung mit Verweis auf die deutschen Vernichtungslager der Nazis im Zweiten Weltkrieg zitiert. Die Welt müsse die „Putin'schen Unmenschen“ bestrafen.

Die „Schmutzarbeit“ solle dabei von örtlichen Unterstützern der Russen verrichtet werden. Meldungen aus Mariupol können seit Wochen kaum unabhängig überprüft werden, auch weil internationale Medien vor Ort nicht mehr arbeiten können. Russische Truppen haben bereits einen Großteil der Stadt besetzt.

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, Russland blockiere den humanitären Zugang zu der seit Wochen belagerten Stadt Mariupol, um „tausende“ Opfer zu verschleiern. „Ich denke, dass sie Angst haben, dass die Welt sieht, was dort vor sich geht, solange nicht alles von russischen Soldaten 'gesäubert' wurde“, sagte er am Mittwoch in einem Interview mit dem türkischen Fernsehsender Habertürk.

Er gehe von „tausenden getöteten Menschen“ in Mariupol aus, sagte Selenskyj. Die russischen Streitkräfte könnten die Zahl der Opfer jedoch nicht auf Dauer verheimlichen. „Eine solche Zahl kann man nicht verbergen.“

„Mobile Verbrennungsöfen“ und „Zerkleinerungsgeräte“

Ljudmyla Denissowa, die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, berichtete unter Berufung auf Zeugenaussagen, dass die russischen Truppen über „mobile Verbrennungsöfen“ und „Zerkleinerungsgeräte“ verfügten, um die Leichen zu beseitigen.

Sie veröffentlichte bei Telegram ein Foto, das eine solche Verbrennungsanlage auf einem Sattelschlepper zeigen soll. Von unabhängiger Seite ließ sich die Authentizität des Bildes nicht bestätigen.

Bereits zuvor hatten ukrainische Behörden und Medien mehrmals berichtet, russische Einheiten nutzten mobile Krematorien. Damals hieß es, diese würden eingesetzt, um die Leichen eigener Soldaten zu verbrennen. Dadurch sollten die Zahlen getöteter Truppen vertuscht werden. Auch dafür gab es bisher keine Bestätigung.

Stadtrat korrigiert Schätzungen zu Todesopfern deutlich nach oben

Mariupol im Südosten der Ukraine ist seit Wochen von jeglicher Versorgung abgeschnitten und wird von den russischen Streitkräften heftig beschossen. Die Lage in der Stadt ist katastrophal. Bisherige koordinierte Versuche, die Stadt zu evakuieren, sind gescheitert. Manchen Einwohnern gelang die Flucht aber auf eigene Faust.

Pro-Russische Soldaten in der zerstörten ukrainischen Hafenstadt Mariupol.
Pro-Russische Soldaten in der zerstörten ukrainischen Hafenstadt Mariupol.

© Alexander Ermochenko/REUTERS

Die geflüchtete Stadtverwaltung korrigierte am Mittwoch bisherige Schätzungen zur Zahl der Toten in der Stadt. Bislang war von mindestens 5000 Toten die Rede gewesen. Angesichts der Größe der Stadt und der Dauer der Blockade könnte es jedoch „zehntausende Opfer unter der Zivilbevölkerung gegeben haben“, erklärte der Stadtrat bei Telegram.

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Bürgermeister Bojtschenko sprach am Mittwoch auch von der Bombardierung eines Kinderkrankenhauses, bei der knapp 50 Menschen gestorben sein sollen. Wann genau das passiert sein soll, sagte er nicht.

Laut Bojtschenko wurden knapp 90 Prozent der städtischen Infrastruktur zerstört. 40 Prozent könnten nicht wiederaufgebaut werden. Eine spezielle Kommission erfasse die Schäden.

Vor Beginn des russischen Angriffskrieges lebten in Mariupol rund 440.000 Einwohner. Nach Schätzungen sollen sich jetzt noch 100.000 Menschen in der Stadt aufhalten. (dpa, AFP)

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