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Die Nato ist "obsolet" (Donald Trump) und "hirntot" (Emmanuel Macron), wird aber aus Sicht der deutschen Regierung weiter gebraucht. Macron, Trump und Angela Merkel beim Nato-Gipfel in Watford 2019.

© REUTERS

Wo bleibt die neue Strategie der Allianz?: Das größte Nato-Risiko kommt von innen – durch die Türkei

Die Allianz operiert wie ein Navi mit veralteten Karten, ihr Konzept stammt von 2010. Sie muss sich auf die Welt von morgen einstellen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die Nato ist kein mit Elektronik vollgestopftes Auto, das den Fahrer mahnt, wenn der Werkstattbesuch ansteht. Es bedarf eines politischen Anstoßes. Den haben Donald Trump und Emmanuel Macron gegeben. Die Allianz sei „obsolet“ befand der US-Präsident. Sein französischer Kollege diagnostizierte ihren „Hirntod“.

Ein Expertenteam hat nun, um im Bild zu bleiben, die Verschleißteile in Fahrwerk, Motor und Getriebe sowie den Bordcomputer und das Navi als Steuerungssysteme überprüft. Das Ergebnis wurde nun beim Außenministertreffen präsentiert: Ein Ölwechsel reicht nicht, eine große Inspektion ist fällig. Die Nato bedarf einer Rundum-Erneuerung.

Das strategische Konzept stammt von 2010 und wirkt wie ein Navi mit veralteten Karten. Russland war damals ein Partner, nicht eine Militärmacht, die seit 2014 Krieg in der Ukraine führt, nahe der Ostgrenze der Nato.

Zu den neuen Risiken zählen China, Cyber und Klimawandel

China tauchte im Frühwarnsystem noch nicht auf. Es galt als militärischer Zwerg, weit entfernt von Nato-Gebiet; heute ist es eine Supermacht mit dem gleichen ökonomischen Output wie die USA und die EU; seine Machtansprüche reichen über Asien hinaus. Auch Klimawandel und Cyberwaffen kamen 2010 als Sicherheitsrisiken nicht vor; Corona ebenso wenig, obwohl eine Pandemie eine Armee lahmlegen kann.

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So bedeutsam der Blick auf die potenziellen Gefahren von außen ist samt der Aufforderung, die Steuerungssysteme der Nato an die Weltlage anzupassen: Noch wichtiger für ihre Zukunft sind die Risiken von innen. Oft werden Entscheidungen blockiert, weil Einzelne das Einstimmigkeitsprinzip als Druckmittel missbrauchen, um eigene Ziele durchzusetzen. Generell wächst die Zahl der Mitglieder, die wie selbstverständlich davon ausgehen, dass sie die Vorteile der Allianz haben können, selbst wenn sie egoistische Ziele verfolgen, die gegen das Gemeinschaftsinteresse gerichtet sind.

Auch Deutschland fällt durch den Nato-TÜV

Das größte Problem in dieser Hinsicht ist seit Jahren die Türkei. In Syrien hat sie Krieg gegen Kurden geführt, obwohl die dort Verbündete der Nato waren. Sie macht Waffengeschäfte mit Russland ungeachtet der Folge, dass dadurch sensible Daten zu Ausrüstung und Kommunikation in die Hände eines potenziellen Gegners fallen.

Die Experten werfen auch Deutschland vor, es trage zu den Spaltungen bei. Es bricht die Zusage, zwei Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben. Die Erfüllung sei „eine zentrale Grundlage für den politischen Zusammenhalt“. Übersetzt in Autosprache: Deutschland ist durch den TÜV gefallen und muss nachbessern, um die Plakette für die Welt von morgen zu erhalten.

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