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Ukraine-Krise: Das gespaltene Land

Nach den Wahlen wird es in Kiew etwas ruhiger - einige Demonstranten beginnen damit, den Maidan zu räumen. Im Osten der Ukraine nehmen die Kämpfe dagegen wieder zu.

Vitali Klitschko sieht sich am Ziel. Am Sonntag will der neue Bürgermeister von Kiew deshalb die Räumung des Maidans bekanntgegeben. „Die Barrikaden haben ihre Funktion erfüllt, nun müssen sie demontiert werden. Die Stadt muss allmählich zum Alltag zurückfinden“, sagte Klitschko am Anfang der Woche. Seitdem ist unter den verbliebenen Protestlern auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew ein Streit ausgebrochen, weil ein Teil der Gruppen den Platz nicht räumen will.

Einer von ihnen ist der Jurist Juri Bondarenko aus Lwiw. Er ist Anfang Dezember auf den Maidan gekommen, um für eine grundlegende Erneuerung der Ukraine zu kämpfen. „Bisher ist nur die Hälfte geschafft, es gab zwar Wahlen, aber weder hat die Korruptionsbekämpfung begonnen, noch gibt es eine neue Politik“, sagt er. Zwei junge Männer bauen in der Nähe von ihm ein Zelt vor der Hauptpost ab. „In Kiew ist alles getan, jetzt geht es in Lugansk weiter“, sagt einer der beiden. Er hat sich der neugeschaffenen Nationalgarde als Freiwilliger angeschlossen. Ginge es nach ihm, würde der Maidan in eine Gedenkstätte umgewandelt werden. „Auf dem Kretschatik sollen nie wieder Autos fahren, weil hier so viele Menschen gestorben sind. Wenn das wieder Durchgangsstraße wird, würden die Autos auf einem Friedhof fahren“, findet der 21-Jährige.

Für Alexander Melnik, einen der führenden Köpfe der Nichtregierungsorganisation Euro Maidan, muss der Protest an anderer Stelle weitergehen. „Wichtig ist, dass auch nach Ende der aktiven Protestphase die Arbeit der Zivilgesellschaft weitergeht“, sagt er. Die größte Herausforderung sei nun die tatsächliche Bekämpfung der Korruption und der Umbau der Verwaltung. „Das alles wird seine Zeit dauern, aber wir müssen jetzt damit beginnen.“

Wieder Gefechte um den Flughafen

Bitter enttäuscht sind Margarita und Jewgenij. Das Ehepaar lebt seit Januar in einem Zelt neben dem am 18. Februar ausgebrannten Gewerkschaftshaus. An dem Tag wurde Jewgenij schwer am rechten Arm verletzt. Obwohl er mehrfach im Krankenhaus war, kann er den Arm nicht richtig bewegen, die Haut ist von großen Narben übersät. „Die von der Regierung in Aussicht gestellte Opferhilfe ist bisher nicht angekommen“, sagt der Seemann. „Ich habe überhaupt kein Vertrauen mehr in die Politik. Wir müssen uns weiter einmischen, sonst drängt man uns beiseite und es wird so bleiben, wie es immer war“, sagt Jewgenij.

Alexander, der seit Anfang Dezember in einem Zelt hinter der Maidan-Bühne lebt, wirft der Stadt vor, keinerlei Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Maidan-Aktivisten zu haben. Bereits vor einem Monat seien Vertreter der Stadt Kiew gekommen und hätten 50 000 Griwna (3000 Euro) für den Abbau seines Zeltes angeboten. „Das war noch vor den Wahlen“, sagt der Geschichtsstudent. Nach allem, was in den vergangenen Monaten in der Ukraine geschehen sei, braucht es seiner Meinung nach nun einen grundlegenden Neuanfang. „Klitschko hat zu uns gesagt, wir sollen die Heimat im Osten verteidigen und hier Platz machen. Dieses Angebot ist unerträglich.“

Die Russen haben Truppen von der Grenze abgezogen

Die Auseinandersetzungen im Osten haben zuletzt wieder zugenommen. Am Samstag kamen bei schweren Gefechten zwischen ukrainischen Sicherheitskräften und militanten Separatisten mindestens zwei Menschen ums Leben. Zudem gab es erneut Kämpfe um den Flughafen in Donezk. Die Armee soll Fallschirmjäger zum Einsatz gebracht haben. Widersprüchliche Meldungen gibt es zum Stand der Kampfhandlungen. Während die Militärführung beteuert, die Kämpfe gingen voran und man habe die Separatisten unter Kontrolle, berichten Blogger von einer unübersichtlichen Lage.

Auch aus der Kleinstadt Antrazyt, die wenige Kilometer von der russischen Grenze entfernt ist, und der Stadt Rostow-am-Don kommen beunruhigende Nachrichten. Augenzeugen berichten von Hubschraubern, die vor ein paar Tagen dort schweres militärisches Gerät abgeladen haben. Auch gepanzerte Truppentransporter seien unterwegs. Bei den Soldaten handele es sich um Kosaken-Milizen aus Russland, auch Kämpfer aus dem Kaukasus seien in Antrazyt unterwegs. „Die Männer Kadyrows tragen keine Masken, man erkennt sie an ihren dunkelroten Vollbärten“, schreibt das Nachrichtenportal Korrespondent. Die Soldaten würden Bergarbeiter aus den benachbarten Minen anwerben.

Die ukrainische Militärführung denkt nun offenbar darüber nach, Berufssoldaten, die bei internationalen Friedenseinsätzen kämpfen, in die Ostukraine zu verlegen. Russland dagegen soll nach Erkenntnissen der US-Regierung etwa zwei Drittel seiner Soldaten von der ukrainischen Grenze abgezogen haben. Schätzungen zufolge waren entlang der russisch-ukrainischen Grenze zeitweise an die 40 000 Soldaten aufgestellt.

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