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Senioren sitzen in Leichlingen mit Gehstöcken auf einer Parkbank.

© dpa/ Oliver Berg

Das Dilemma der korrekten Ansprache: Wir reden neuerdings von „Best Agern“ oder „Silver Surfern“

„Wütender Senior will Jogger überfahren“, hieß es zuletzt in einer Meldung der dpa. Wie nennt man eigentlich die Menschen über 65?

Ich frage für einen Freund: Wie nennt man eigentlich die Menschen über 65, wenn man ganz korrekt sein will? Und gibt’s da auch was Gegendertes? „Wütender Senior will Jogger überfahren“, hieß es am Montag in einer dpa-Meldung; Senior – fühlt sich da jemand angesprochen? Der besagte Mann, 72, hatte sich übrigens seiner Altersklasse entsprechend ziemlich seltsam verhalten. Er war mit dem deutlich jüngeren Jogger in Streit geraten, setzte sich dann in sein Auto und gab Gas; da der andere sich aber hinter einem Findling in Sicherheit brachte, fuhr er mit Schmackes gegen diesen Stein und ruinierte sein Auto.

Rentner – das wäre auch in Betracht gekommen, wobei wir der Polizei ungern auch noch die Blitzrecherche zumuten wollen, ob der Betreffende nun Rente oder Pension bezieht, oder ob es sich vielmehr um einen Selbstständigen handelt, der vom Ertrag seiner Mietshäuser lebt. Das klänge dann ganz und gar komisch: „Wütender Hausbesitzer will Jogger überfahren“? Und würden wir umgekehrt einen 55-Jährigen, der auf Jogger losgeht, als „Nichtsenior“ bezeichnen? Frührentner, nein, das ist jetzt wieder was anderes, ein Beiname, den man keineswegs ungeprüft auf jeden 55-Jährigen anwenden sollte.

Wie ist es mit „Opa“? Das klingt nun ganz und gar despektierlich, ganz abgesehen davon, dass ja nicht jeder alte Mann automatisch ein Großvater ist. Hm: „Wütender alter Mann will Jogger...“? Auch seltsam. Wie immer bietet sich der angelsächsische Sprachraum als Zufluchtsort an: Wir reden neuerdings von „Best Agern“ oder „Silver Surfern“, das sind diese silberhaarigen Fotomodelle, die knackfrisch den Jahren trotzen, fern von Rheuma, Rücken oder Herzinsuffizienz, immer auf der Suche nach der Herausforderung, einem Fünftausender oder dem nächsten Bungee- Sprung, gern auch ohne Seil.

Eine deutsche Entsprechung, die auch noch für Polizeiüberschriften taugen würde, gibt es dazu aber nicht. Der ab und zu verwendete Begriff „Freizeitkönig“ klingt furchtbar, darunter stelle ich mir Menschen vor, die den Rentenausweis als Waffe nutzen für Ermäßigung auf dem Minigolfplatz.

Wenn Sie es nicht weitersagen: Hier in der Redaktion war früher unter der Hand von „Altchen“ die Rede. Dieser sanft abfällige Begriff hat den Vorteil, von Geburt an genderneutral zu sein, das ist irre wichtig heute. Und wir ersparen uns damit eventuell Schlimmeres: „Altgewordene“ oder „Gealterte“. Von „Veralteten“ gar nicht erst zu reden.

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