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Schön bunt und ganz schön teuer: Pillen, Säfte und Salben, die den Deutschen verordnet werden, lassen die Rücklagen der Krankenkassen schmelzen. Foto: Klaus Rose/dapd

© ddp

Gesundheitspolitik: Da helfen keine Pillen

Arzneikosten steigen und Versicherer schlagen Alarm: Plus 4,5 Prozent in den ersten drei Monaten 2012.

Das Glück war nur von kurzer Dauer. Nach dem gefeierten Rückgang der Arzneimittelkosten im vergangenen Jahr sind die Kassenausgaben für Pillen, Säfte und Salben schon im ersten Quartal 2012 wieder kräftig gestiegen. Der Zuwachs betrug 4,5 Prozent – und die Versicherer schlagen Alarm. „Wenn das so weitergeht, landen wir bis zum Jahresende allein für Medikamente bei Mehrausgaben von über einer Milliarde Euro“, sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz, dem Tagesspiegel. Das wären dann, ohne Impfstoffe, gut 7,6 Milliarden Euro und ein neuer Rekord.

Als ganz und gar unpassend werteten Kassenkreise angesichts dieser Zahlen die aktuelle Drohung von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), gesetzliche Versicherer zur Rückzahlung von Beiträgen an ihre Mitglieder zu zwingen. Bisher könne er diesbezüglich nur appellieren, sagte Bahr der „Rheinischen Post“. Nun prüfe man aber, „wie wir die Krankenkassen stärker unter Druck setzen können, dass sie das Geld, das sie nicht zur Versorgung der Versicherten brauchen, an ihre Mitglieder zurückgeben“.

Nach den Zahlen des Ministeriums hatten die Kassen zum Jahresende einen Überschuss von rund vier Milliarden Euro im Topf. Die Einnahmen beliefen sich auf 183,6 Milliarden, die Ausgaben auf nur 179,6 Milliarden Euro. Doch im Jahr der satten Überschüsse stand es auch mit den Arzneiausgaben noch bestens. Nachdem sich alle fast schon an den ungebremsten Anstieg dieses Postens gewöhnt hatten, war er 2011 erstmals gesunken. Das Minus betrug vier Prozent – und die schwarz- gelbe Regierung hatte sich diesen Erfolg sofort auf ihre Fahnen geschrieben. „Das Arzneimittelsparpaket wirkt“, hieß es. Mitte 2010 nämlich hatte der damalige Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) den Zwangsrabatt für Arzneimittel erhöht und den Herstellern gegen deren heftigen Protest auch noch ein Preismoratorium aufgedrückt. Allerdings hatten sich schon zur Jahresmitte 2011 wieder erste Steigerungen abgezeichnet.

Auffällig ist, dass der hohe Ausgabenzuwachs bei Medikamenten fast ausnahmslos die westlichen Bundesländer betrifft. Auf die höchste Steigerung kamen die Kassen im Bezirk Nordrhein mit 9,3 Prozent, gefolgt von Hamburg (sieben Prozent) und Berlin (6,7 Prozent). In den neuen Bundesländern lagen die Steigerungsraten dagegen durchgehend unter dem Schnitt, und Thüringen schaffte als einziges Land sogar eine weitere Verringerung um 3,8 Prozent.

Beunruhigt sind die Krankenkassen auch deshalb, weil sich anderswo ebenfalls hohe Kostensteigerungen abzeichnen. Die Klinikausgaben erhöhten sich 2012 um rund drei Milliarden „auf den Rekordwert von über 63 Milliarden Euro“, prophezeite Lanz. Und auch die Honorare für Praxismediziner und Zahnärzte nähmen beständig zu. Vor diesem Hintergrund sei es „vernünftig, die Überschüsse aus dem vergangenen Jahr zu sichern und als Rücklagen für die künftige Versorgung der Versicherten zurückzulegen“.

Die steigenden Ausgaben für die Krankenhäuser treiben auch den Gesundheitsminister um. Zwar kündigte er an, die unter ihren Tarifabschlüssen stöhnenden Kliniken zu entlasten. Gleichzeitig müsse ihnen aber der „Anreiz gesetzt“ werden, die Behandlungsmengen nicht auszuweiten. „Wir haben eine enorme Fallzahlsteigerung“, sagte Bahr und verwies insbesondere auf die Knie- und Hüftoperationen, bei denen Deutschland „Weltmeister“ sei. Der bisherige Abschlag für Mengenausweitungen sei „offenbar noch nicht ausreichend“. Deshalb prüfe man „weitere ökonomische Anreize“ zur Reduzierung der Fallzahlen.

Zur Höhe der geplanten Entlastung für die Kliniken wollte sich Bahr nicht äußern. Klar sei aber, dass die Kosten für die Tarifsteigerungen „nicht komplett an die Beitragszahler gehen“ dürften. „Wir brauchen einen Anreiz für wirtschaftliches Verhalten.“ Die Union hatte eine Finanzhilfe von rund 400 Millionen Euro angeregt. Die Krankenkassen kritisieren diese Pläne aufs Schärfste. „Die Politik sollte sich von den Krankenhäusern nicht hinters Licht führen lassen“, sagte AOK- Vorstand Uwe Deh der Nachrichtenagentur dapd. Die Kliniken seien jetzt schon überfinanziert. Wenn man nun Geld „mit der Gießkanne“ verteile, fließe es nur wieder in die „maroden Strukturen“ mancher Kliniken. Die nötigen Qualitätsverbesserungen ließen sich so nicht erreichen.

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