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Bundesinnenministern Nancy Faeser (SPD) hatte darauf verwiesen, dass die Zahl der Abschiebungen 2023 durch bisherige Maßnahmen um 27 Prozent auf 16.430 gestiegen sei.

© picture alliance/dpa/Sebastian Willnow

„Da entsteht der Frust“: Union kritisiert neues Gesetz zu Abschiebungen als wirkungslos

Unionsfraktionsvize Spahn sagt, die neuen Asylregeln würden am Alltag der Bürger nichts ändern. Seine Kollegin Lindholz aus Bayern rügt: „So kommen wir bei dem Thema nicht weiter.“

Die Migrationspolitik in Deutschland ist weiter hochumstritten. Gerade hat der Bundestag mit den Stimmen der Ampelkoalition das Gesetz für mehr und schnellere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber beschlossen. Unter anderem können Ausreisepflichtige länger im Ausreisegewahrsam festgehalten werden. Die gesetzliche Höchstdauer wird von zehn auf 28 Tage verlängert.

Die Bundesregierung reagiert damit auf deutlich gestiegene Asylbewerberzahlen und knapp werdende Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete in vielen Kommunen. In Deutschland legte die Zahl der Asylanträge 2023 (329.120) mit 51 Prozent gegenüber dem Vorjahr (217.774) deutlich stärker zu als im europäischen Durchschnitt. 

Der CDU-Politiker Jens Spahn kritisierte das am Donnerstag beschlossene Gesetz nun scharf – die Union hatte wie die AfD dagegen gestimmt. „Der Bundeskanzler hat angekündigt, abzuschieben im großen Stil“, sagte der Unionsfraktionsvize am Abend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“, wie unter anderem „ntv“ berichtet. 2023 seien 1000 Menschen täglich eingereist, von denen die Hälfte das Land sofort wieder hätte verlassen müssen. Das Parlament habe jetzt ein Gesetz verabschiedet, das 600 Abschiebungen mehr vorsehe – im Jahr.

Wir müssen jeden an der EU-Grenze aufhalten und an der EU-Grenze sagen, dass es hier nicht weitergeht.

Jens Spahn, Unionsfraktionsvize (CDU)

Das Gesetz werde im Alltag der Menschen nichts ändern. „Und das ist das, wo der Frust entsteht“, sagte Spahn. Die Sendung stand unter dem Titel „Regieren unter Protest – Migrationskrise ungelöst“.

Spahn machte deutlich, dass er die Idee gut findet, Asylverfahren in Zukunft in Drittstaaten durchzuführen. Und er forderte – auch wenn es sehr wehtue: „Wir müssen jeden an der EU-Grenze aufhalten und an der EU-Grenze sagen, dass es hier nicht weitergeht.“ Das hieße am Ende auch, dass Menschen „aus bestimmten Ländern mit bestimmten Situationen“ gar nicht einreisen dürften. „Das ist der entscheidende Punkt, um den alle ein bisschen drum herumreden, habe ich den Eindruck.“

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Kritik an den beschlossenen Maßnahmen gibt es auch aus Bayern. „Das Gesetz wird kleinere Verbesserungen bringen, aber nicht zu Abschiebungen in großem Stil führen, wie Bundeskanzler Scholz es versprochen hat“, sagte die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND).

„Im Gesetzentwurf selbst ist nur von einigen Hundert zusätzlichen Abschiebungen die Rede“, sagte Lindholz weiter. „So kommen wir bei dem Thema nicht voran“, so Lindholz.

Deutlich mehr Abschiebungen könnten durch neue Migrationsabkommen mit Herkunftsländern wie der Türkei oder dem Irak erreicht werden. „Aber vom Rückführungsbeauftragten Stamp, der nun seit fast einem Jahr im Amt ist, hört man fast nichts“, sagte die CSU-Politikerin über den Migrationsbeauftragten der Bundesregierung, Joachim Stamp (FDP). „Es ist ein absolutes Trauerspiel.“

Dagegen bewerteten die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl und die Grüne Jugend das Gesetz als Angriff auf das Asylrecht. „Wir haben massive verfassungsrechtliche Bedenken, denn durch das Gesetz werden Grundrechte von Geflüchteten verletzt“, sagte der flüchtlingspolitische Sprecher von Pro Asyl, Tareq Alaows, den Zeitungen. „Durch das Gesetz werden nicht nur Geflüchtete, sondern auch Helfer, wie zum Beispiel in der Seenotrettung, kriminalisiert.“

Der Rechtsstaat habe die Aufgabe, Grundrechte zu schützen, mit diesem Gesetz würden sie aber abgeschafft, sagte Alaows. „Das darf in einem Rechtsstaat nicht sein.“

Die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Katharina Stolla, kritisierte das Abschiebegesetz als „Entrechtungsmaßnahme“. „Es wird zu schlimmen Traumatisierungen von Geflüchteten führen, die oft ohnehin schon traumatisierende Erfahrungen gemacht haben“, sagte sie.

„Mit diesem Gesetz hilft die Ampel keiner einzigen Kommune, sondern will nur Handlungsfähigkeit auf Kosten der Schwächsten demonstrieren.“

Stolla kritisierte auch die Abgeordneten der eigenen Partei: „Die Zustimmung zum Gesetz ist falsch“, sagte sie dem RND. Wer Rechtsextremisten wirklich bekämpfen wolle, solle aufhören, „nach unten zu treten und sich für ein gutes Leben für alle einsetzen“ (lem)

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