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Umfragen seien nur Umfragen, sagt Ilse Aigner vor der Landtagswahl in Bayern.

© picture alliance / Gregor Fischer/dpa

Interview vor dem CSU-Parteitag: CSU-Politikerin Aigner empfiehlt „rigorose Abgrenzung von der AfD“

Bayerns Vize-Ministerpräsidentin Ilse Aigner über den Umgang mit den Populisten – und den Absturz der CSU in den Umfragen.

Frau Aigner, in vier Wochen ist Landtagswahl in Bayern. Die CSU steht in den Umfragen so schlecht da wie nie zuvor, zuletzt bei 35 Prozent. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Ich kann nicht behaupten, dass ich mich über diese Umfragewerte freue. Aber es sind eben nur Umfragen. Deshalb heißt es für uns in den nächsten vier Wochen, dranzubleiben. Wir kämpfen um jede Stimme. Und weil die Hälfte der Wähler noch unentschieden ist, lohnt sich dieser Kampf auch.

Ist denn die Berliner Politik schuld an der CSU-Misere, wie Ihr Ministerpräsident Markus Söder behauptet?

Es handelt sich doch um einen Trend überall in Europa: Die Volksparteien verlieren, die extremen Ränder werden stärker. Das ist leider auch der Tenor in Bayern. Es wäre aber eine keineswegs rühmliche Premiere, wenn hier nach dem 14. Oktober sowohl Linke als auch Rechte ins Parlament einziehen würden. Wir müssen den Wählern bis dahin klarmachen, wie gut das Land da steht und dass auch die CSU daran einen großen Anteil hat.

Es gibt auch andere Erklärungsversuche für den CSU-Absturz. Einer ist die harsche Tonlage im Flüchtlingsstreit. Ist man da übers Ziel hinausgeschossen?

Ja, es ging hart zur Sache. Und der CSU wurde Unmenschlichkeit vorgeworfen. Das ist aber falsch. Bei der Flüchtlingsaufnahme hätte vieles nicht funktioniert, wenn Bayern 2015/ 2016 mit dem damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer nicht so engagiert reagiert hätte. Bayern hatte die Hauptlast zu tragen. Und anders als in Berlin musste bei uns kein Flüchtling auf der Straße kampieren. Außerdem hat es die CSU geschafft, das Thema wieder auf die Agenda der EU zu bringen, damit das Grundproblem angegangen werden kann. Das hat auch was mit Durchsetzungsstärke zu tun.

Dafür ist das Verhältnis der CSU zu den Kirchen wegen der Flüchtlingspolitik inzwischen stark gestört. Fürchten Sie nicht, dass Ihnen diesmal viele kirchennahe Anhänger von der Fahne gehen?

Ich denke, wir müssen bei dem Thema viel stärker miteinander reden. Ich habe das mit den Vertretern der katholischen und der evangelischen Kirche getan, ihnen unsere Sicht der Dinge erläutert. Im Übrigen ist unsere Bilanz in Sachen Menschlichkeit wirklich gut. Wir haben in Bayern 65 000 Flüchtlinge in Arbeit, Ausbildung oder Praktika gebracht. Das ist eine wichtige Integrationsleistung, das gibt es in keinem anderen Bundesland.

Die AfD hat in Chemnitz gezeigt, dass sie keine Hemmungen hat mit Rechtsextremen zu paktieren. Hat sich die CSU klar genug von dieser Partei distanziert?
Ich halte die AfD für brandgefährlich. Und Vorkommnisse wie in Chemnitz zeigen, was hinter der Fassade dieser Partei passiert. Da kann Alexander Gauland im Bundestag noch so sehr den netten Onkel mimen. Wenn die Höckes das Ruder übernehmen, ist klar, wohin die Reise geht. Deshalb kann ich nur eine rigorose Abgrenzung empfehlen. Die CSU wird diese Partei mit aller Kraft bekämpfen.

Söder sagt, man wolle keine „Marschiererei von rechten Gruppen“. Seehofer sagt, er wäre in Chemnitz auch auf die Straße gegangen. Passt das zusammen?

Ich kenne Horst Seehofer und kann über ihn nur sagen: Er wird sich immer abgrenzen gegen Rechtsradikale. Aber natürlich bewegt ihn vor allem das Grundthema: Wie gehen wir mit Migration und Flüchtlingen um? Es ist offensichtlich, dass die Menschen im Land Sorgen und Ängste haben. Wir müssen diese ernst nehmen und die große Herausforderung angehen und lösen. Dann bekommen wir die Wähler auch wieder zurück.

Die CSU wird als Querulanten-Partei wahrgenommen. Intern die Kabbelei zwischen Seehofer und Söder, der Dauer- Machtkampf mit Merkel und der CDU. Ist das Streithansel-Image hilfreich?

Auf der einen Seite will man, dass die CSU ihre Themen durchsetzt, auch in Berlin. Und wenn wir das tun, heißt es: Ihr streitet zu viel. Das ist ein Zielkonflikt, der nicht ganz einfach aufzulösen ist. Deshalb glaube ich: Man muss klar in den Inhalten bleiben. Wir haben schon viel verändert, indem wir klar Kurs gehalten haben. Man sieht das ja an dem deutlichen Rückgang der Flüchtlingszahlen.

Sie wurden im Kampf um die Seehofer- Nachfolge von Markus Söder sehr rigoros beiseite gedrängt. Haben Sie sich mit ihm ausgesöhnt oder nur arrangiert?

Wir kämpfen gemeinsam. Wir kennen uns ja lange, waren 1994 die beiden jüngsten Abgeordneten im Landtag. Jetzt sind wir beide nicht mehr ganz so jung, aber erfahren genug, um zu wissen, dass wir nur gemeinsam gewinnen können. Da helfe ich gerne mit. Und das ist nicht gespielt.

Keine Bitterkeit?

Nein.

Nach der Wahl werde sich das CSU-Personal womöglich neu sortieren, heißt es. Was sind Ihre Karrierepläne?

Mein Karriereplan ist, die Wahl zu gewinnen. Darauf konzentriere ich mich momentan mit voller Kraft.

Bundesländer wie Berlin seien die „Resterampe der Republik“, sagt Söder. Sie waren lange als Abgeordnete und Ministerin in Berlin. Sehen Sie das auch so?

Was im Bierzelt gesagt wird, sollte man nicht so bierernst nehmen. Da geht es eben auch ein bisschen derb zu. Und wenn ich alles, was außerhalb Bayerns so über die CSU und den Freistaat gesagt wird, auf die Goldwaage legen würde, käme ich auch aus dem Ärgern nicht mehr heraus. Was Berlin betrifft: Ich habe 15 Jahre hier gearbeitet. Ich mag die Stadt und die Menschen wirklich sehr gern, und ich komme immer wieder gerne hierher.

Immer mehr Menschen ziehen in Großstädte, und dort wird das Wohnen für viele immer unerschwinglicher. München ist dafür ein Extrembeispiel. Was ist Ihr Rezept dagegen, als zuständige Landesministerin?

Wir müssen bauen, bauen, bauen. Bayern hat in den vergangenen fünf Jahren um 500 000 Einwohner zugelegt, alle brauchen ein Dach über dem Kopf. Einerseits sollen wir mehr bezahlbaren Wohnungen schaffen, andererseits weniger Fläche verbrauchen. Nachverdichten und höher bauen sollen wir aber auch nicht. Das ist die Quadratur des Kreises! Wir sehen die Bedrängnis der Menschen in Ballungszentren. Deshalb unterstützen wir den sozialen Wohnungsbau, wir bauen selbst - und wir fördern die Eigentumsbildung.  886  Millionen Euro - niemals zuvor hat der Freistaat Bayern so viel Geld in die soziale Wohnraumförderung  gesteckt. An den Mitteln scheitert es nicht. Das Problem sind fehlende Bauarbeiter und Handwerker. Der zweite Engpass sind fehlende Flächen. Und das Mietrecht wurde ja durch die Bundesregierung bereits novelliert.

Reicht das denn? Oder hat nicht doch die SPD Recht, die Mieterhöhungen in großen Städten erst mal ganz aussetzen will?

Die SPD vergisst dabei, dass wir auch noch Leute brauchen, die investieren und Wohnungen bauen. Wenn wir zu restriktiv sind, werden wir vielleicht keine Investoren mehr finden. Deshalb wäre ich beim Verbot von Mieterhöhungen vorsichtig.

Selbst Seehofer redet nicht mehr von einer absoluten Mehrheit in Bayern. Auf welchen Koalitionspartner müssen sich die CSU-Wähler denn einstellen?

Ich halte nichts von Koalitionsdebatten vor der Wahl und kämpfe lieber bis zum Schluss um das bestmögliche Ergebnis. Jede Diskussion um irgendwelche Koalitionen verleitet zu taktischem Wählen. Ich will, dass die Menschen uns wählen. Mit beiden Stimmen.

Die Grünen sind in Bayern inzwischen zweitstärkste Partei. Wäre ein schwarz- grünes Bündnis aus Ihrer Sicht tabu?

Ich bin der Ansicht, dass wir über solche Fragen erst nach der Wahl entscheiden sollten. Und was unsere Aussichten betrifft, kann ich nur sagen: Die Demoskopie hat in letzter Zeit ein Fiasko nach dem andern erlebt. Für Annegret Kramp-Karrenbauer im Saarland wurde das Ende vorausgesagt, für Stephan Weil in Niedersachsen ebenfalls. Es kam in beiden Fällen ganz anders.

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