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Correctiv ist ein gemeinnütziges Recherchebüro.

© picture alliance / dpa

"Correctiv"-Chef im Visier: Die Pressefreiheit hält auch mal ein Strafverfahren aus

Hamburgs Justiz ermittelt gegen einen Journalisten wegen Verrats von Geschäftsgeheimnissen - Enthüllungen wird es trotzdem geben

Unschön, was sich da gerade in Hamburg abspielt: Die Staatsanwaltschaft nimmt einen Journalisten ins Visier, weil er zu Cum-Ex-Geschäften recherchiert hat, jenen Steuerdeals, bei denen Banken ihre reichsten Kunden auf Kosten des Fiskus noch weiter bereichern. Und am Schauplatz Berlin berät der Bundestag zugleich ein Gesetz, das den Schutz von Geschäftsgeheimnissen stärken soll – und den von Journalisten und Whistleblowern schwächt, wie mancher kritisiert.

Nun sieht es so aus, als bekämen die Zocker der Hochfinanz Hilfe vom Staat, während er zugleich jene durch die Mangel dreht, die solche Praktiken enthüllen. Kein Wunder, dass sich die Presse bedroht fühlt und der verdächtigte „Correctiv“-Chef Oliver Schröm vor einem Maulkorb warnt.

Es spricht einiges dafür, dass das Verfahren eingestellt wird

Da sich die Qualität der Presse allerdings erst in ihrer Vielfalt erweist, sei angemerkt, dass die Lage wohl weniger dramatisch ist, als sie nach dem Willen mancher Akteure erscheinen soll. Das Strafverfahren gegen Schröm ist schon älter und wird mit wenig Ehrgeiz vorangetrieben; die Schweizer Strafverfolgungsbehörden, traditionell darauf bedacht, heimische Banken und ihre Geheimnisse zu hüten, hatten den Fall nach Hamburg übertragen. Eine Pflichtaufgabe also, zumal eine ungewöhnliche, denn Ermittlungen gegen Pressevertreter wegen Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sind hier bisher nicht bekannt geworden. Derzeit spricht einiges dafür, dass der Fall ohne Folgen zu den Akten kommt, weil sich der Vorwurf schwer belegen lässt.

Trotzdem zeigt der Vorgang, dass Journalisten mit Strafgesetzen Ungemach bereiten kann, wer es ihnen bereiten will. Auch Unternehmen, die Medienvertreter mit Strafanzeigen einschüchtern wollen. Das derzeit diskutierte Gesetz, das eine EU-Richtlinie umsetzt, verspricht hier eher einen gewissen Fortschritt. Denn es enthält erstmals eine Regelung, die Verrat begünstigt, wenn er im öffentlichen Interesse liegt. Eine Art Enthüllungsschutz also, für Medien und Whistleblower. Sollte es in Kraft treten, während Schröms Verfahren noch läuft, dürfte dieses erst recht eingestellt werden.

Wer anstiftet, macht sich mindestens verdächtig

Ob der Schutz künftig ausreicht oder noch verbessert werden muss, um Missstände oder Fehlverhalten in die Öffentlichkeit zu bringen, wird auch auf EU-Ebene diskutiert. Möglich, dass es noch eine weitere Richtlinie dazu gibt. Gleichwohl werden Risiken bleiben, mit denen Informanten und Journalisten leben müssen. Pressefreiheit ist nicht die Freiheit, Straftaten zu begehen. Wer andere anstiftet, professionelles Schweigen zu brechen, oder sogar dafür Honorare zahlt, macht sich mindestens verdächtig. Auch beim Whistleblowing kann es unlautere Interessen geben. Vieles muss deshalb eine Frage des Einzelfalls bleiben. Ein Anlass, der Justiz hier zu misstrauen, ist bisher noch nicht erkennbar geworden.

Nicht zuletzt: Die Justiz auf Journalisten loszulassen, geht in diesem Land meist nach hinten los. Die vom Ex-Verfassungsschützer Hans-Georg Maaßen ausgelöste Affäre um einen angeblichen Landesverrat der „Netzpolitik“-Blogger ist noch in schlechter Erinnerung. Alle haben damals Schaden davongetragen. Nur die Blogger nicht.

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