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Hinweis auf die Zufahrt zur Notaufnahme der Rottal-Inn Kliniken in Bayern.

© Armin Weigel/dpa

Update

„Corona-Lage so dramatisch wie noch nie“: Bayerns Kliniken kommen bereits an Belastungsgrenze

Die Zahl der Intensivpatienten in Bayern steigt pro Woche um 30 Prozent. Mediziner fordern harte Maßnahmen. Münchens Kliniken bereiten sich auf Triage vor.

Die bayerischen Krankenhäuser warnen angesichts der ungebremst steigenden Corona-Infektionszahlen vor einer unmittelbar drohenden Überlastung der Intensivstationen und fordern deutlich härtere Kontaktbeschränkungen im Freistaat. „Die aktuelle Lage ist so dramatisch, wie sie noch nie in der gesamten Pandemie-Zeit in Bayern war“, sagte der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Roland Engehausen, der „Augsburger Allgemeinen“ vom Freitag.

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„Sie übertrifft die bisher schlimmste Phase zwischen Weihnachten und Neujahr letzten Jahres“, sagte Engehausen. „Wir haben schon jetzt kaum noch Kapazitäten“, berichtete er weiter. In bayerischen Kliniken müssten sogar Krebs-Operationen auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Auch die Verlegung von Patienten in angrenzende Bundesländer werde immer schwieriger. „Die Infektionszahlen müssen runter, um die planbaren Behandlungen, die wir jetzt verschieben, durchführen zu können“, forderte der Krankenhaus-Vertreter.

„Wir brauchen deutliche Kontaktvermeidung“, forderte Engehausen. „Ob man das Lockdown oder anders nennt, ist für uns Kliniken zweitrangig.“ Die derzeit geplanten Schritte reichten nicht aus, um den Anstieg der Infektionszahlen zu bremsen: „Wir sehen im Moment keine ausreichend wirksamen Gegenmaßnahmen, die uns in den Kliniken in den nächsten zwei bis vier Wochen eine Entlastung bringen würde“, warnte der Vertreter der bayerischen Kliniken. „Das macht die Lage sowohl jetzt als auch in der Perspektive der nächsten Wochen so dramatisch.“

Die Zahl der Corona-Intensivpatienten steige in Bayern ohne harte Gegenmaßnahmen jede Woche um etwa 30 Prozent an, „so dass wir bald keine Chance mehr für Verlegungen innerhalb des Freistaats haben“, sagte Engehausen. Schon jetzt würden bayerische Intensivpatienten in andere Bundesländer verlegt. „Aber der Weg nach Baden-Württemberg ist eigentlich bereits geschlossen, weil sich die Kliniken dort der bayerischen Situation annähern“, sagte der Krankenhaus-Vertreter. „Ob wir in ein paar Wochen noch jemand nach Hessen bringen können, wissen wir nicht. Nach Thüringen und Sachsen braucht man nicht zu fahren und im Süden in Österreich ist die Lage nicht besser als bei uns.“

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Von der Situation einer Triage sei Bayern trotz entsprechender Vorbereitungen einiger Krankenhäuser aber immer noch weit entfernt. „Wir sehen eine derartige Situation an bayerischen Kliniken nach wie vor nicht“, betonte Engehausen. „Wir haben die Möglichkeit planbare Behandlungen zu verschieben, Patienten über längere Strecken in Regionen zu verlegen, die weniger belastet sind und andere Mittel“, sagte er.

Besonders angespannt ist die Lage in der Landeshauptstadt München. Am Donnerstag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) für München eine Inzidenz von 694,8. Dem Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) nach waren am Donnerstagmittag von 455 Intensivbetten in der Landeshauptstadt München nur noch 22 frei. Das entspricht einer Auslastung von mehr als 95 Prozent, wie RTL online berichtet. Demnach werden 117 Covid-19-Fälle auf der Intensivstation behandelt, 62 von ihnen werden über einen Luftröhrenschnitt beatmet oder sind intubiert. Im Landkreis war keines der Intensivbetten mehr frei.

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Daher bereiten sich die Münchner Kliniken bereits auf die Triage vor, damit man „rechtlich und ethisch richtig handeln könne“, wenn es sein müsse, so Axel Fischer, Geschäftsführer der München Klinik. Doch im Moment „wenden wir die Triage noch nicht an“.

Engehausen sagte weiter, die jetzige Entwicklung habe aber selbst die sehr pessimistischen Erwartungen der Kliniken noch übertroffen. „Der 22. Oktober war der Kipppunkt, seitdem haben wir stark steigende Inzidenzzahlen und damit einhergehend steigende Intensivbehandlungen. Wir sind in ein Hamsterrad geraten, das sich immer weiter beschleunigt.“

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Die allermeisten Intensivfälle wären durch Impfungen vermeidbar gewesen, sagte Engehausen. „Gerade jetzt ist es für jeden einzelnen Menschen wichtig, sich impfen zu lassen, nicht nur aus Solidarität, sondern auch weil die Versorgung nicht mehr optimal ist, wie man es vielleicht noch vor ein paar Wochen dachte.“

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Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, zweifelt, ob die von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der massiv steigenden Corona-Zahlen ausreichen werden. „Im Moment mache ich mir wirklich große Sorgen“, sagte er im Deutschlandfunk.

„Wir haben ein ungebremstes Infektionsgeschehen, wir haben exponentiell ansteigende Intensivbelastung“, sagt Marx. „Und ich bin mir nicht sicher, ob die beschlossenen Maßnahmen auch wirklich ausreichen, dass sie die Pandemie wieder erfolgreich bekämpfen.“

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Marx nannte die Lage „sehr, sehr beunruhigend“. Das heiße noch nicht, dass Patienten nicht mehr versorgt werden könnten, aber in einigen Regionen seien die Kliniken am Limit, erklärte er. Auch die damit erzwungene Verschiebung von planbaren Eingriffen sei für die Patientinnen und Patienten sehr belastend und auch für die Ärzteschaft schwer auszuhalten. „Das sind ja keine Schönheitsoperationen“, betonte Marx.

Der Divi-Präsident rief eindringlich zum Impfen auf, um das Gesundheitssystem zu entlasten. Es sei eindeutig zu sehen, dass die meisten Patienten auf den Intensivstationen Ungeimpfte seien, erklärte er.

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Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hält im Freistaat auch umfassende Lockdown-Maßnahmen wegen der hohen Infektionszahlen für möglich. „Ich will im Moment überhaupt nichts ausschließen in der Frage, wie wir jetzt Maßnahmen diskutieren“, sagte er am Freitagmorgen im Radiosender Bayern2: „Wir haben einen Handlungsbedarf.“

Einen Lockdown für Geimpfte hält er für nicht möglich. Gleichwohl müsse man entschlossen handeln, um die vierte Welle zu brechen. Das Kabinett berät am Freitagmorgen über weitere Corona-Maßnahmen.

Bereits am Donnerstagabend hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach einer Konferenz der Regierungschefinnen und -chefs von Bund und Ländern einen „De-facto-Lockdown“ für Ungeimpfte in Bayern angekündigt. Er betonte, es brauche nun einen „echten Wellenbrecher“ und „keine homöopathischen Dosen“ mehr im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Die bayerische Staatsregierung werde „alles auszuschöpfen“, was rechtlich möglich ist, betonte Söder. (AFP, dpa, epd)

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