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Immer neue Fragen rund um Corona, und die Antworten sind wichtig, um sich nicht zu gefährden - und andere auch nicht.

© Sebastian Gollnow/dpa

Pandemie und Orientierung: Corona braucht eine zentrale Öffentlichkeitsarbeit

Wo wird geimpft, wo sind Mutanten, was ist offiziell? Gut wäre ein tägliches Bürger-Briefing der Regierung - auch für jene ohne Internet. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Caroline Fetscher

Aufklärung war, Aufklärung ist und bleibt das A und O in der Pandemie. Anfangs schleppend kamen dann die Erkenntnisse über das neue Corona-Virus erstaunlich gut voran. Doch bei wem kommen sie an? Wie gelangt Wissen in die Wohnungen, ins Bewusstsein der Bevölkerung? Das ist sehr unterschiedlich – und das ist zu unterschiedlich.

Längst sind in bildungsbürgerlichen Milieus Fragen gang und gäbe wie: „Haben Sie den neuen Drosten-Podcast gehört?“ Die ruhigen Erklärstunden im Radio, die der Charité-Virologe seit Februar 2020 mit dem „Corona-Update“ liefert, sind für Abertausende zur Quelle geworden. Medien informieren über die Pressekonferenzen des Robert-Koch-Instituts, das, wie jedes Gesundheitsamt, eine Webseite voller Auskünfte unterhält. In Reportagen und Talkshow kommen Fachleute zu Wort. Kurz, es ist möglich, sich von vielen Seiten mit allerhand Corona-Info versorgen.

Am Fußende des Spektrums der Aufklärung landet wenig an. Es gärt in Milieus, in denen „alternative Fakten“ Geltung beanspruchen. Aus der Pandorabüchse mit wilden Thesen zur Verschwörung quillt vieles hervor: rächende Götter, herrschsüchtige Regierungen oder profitversessene Eliten, die „schuld“ an Covid-19 seien, etwa Chinesen, Juden, die Pharmalobby.

Eine weitaus größere Gruppe hängt zwar nicht Verschwörungsideen nach, doch fehlt es ihr an Zeit, Geduld oder Gelegenheit für das Vertiefen und Einordnen von Informationen. Wer in Berichte und Nachrichten nur immer mal reinschaut oder reinhört und zusätzlich Gerüchte aufschnappt, bleibt mangelhaft informiert – und wird für sich und andere eher zur Gefahr.

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Info-Fragmente schwirren durch viele Haushalte. Oft dominiert der Eindruck, unqualifizierte Politiker seien am Werk, etwa wo Kitas oder Schulen geschlossen werden. Was soll die neue Pflicht zu bestimmten Masken? Die Antwort wäre jedem klar, der sich gut informiert hat. Bundesweit wird zur Regel, was längst fällig war: das Tragen von FFP2- oder OP-Masken in Bus, Bahn und beim Einkaufen. Hunderttausende hatten nicht verstanden, dass mit symbolischen Lappen aus Baumwolle vor – oder unter! - der Nase Bus fahren nichts anderes ist als Hochrisikoverhalten.

Offene Fragen zirkulieren wie Aerosole

Daraus zieht Politik mit dem Aufkommen hochansteckender Virusvarianten die Konsequenzen. Trotzdem heißt es öfter, Politiker wollten sich mit Verordnungen profilieren oder die Bevölkerung schikanieren. Offene Fragen zirkulieren wie Aerosole. Wann beginnt wie und wo das Impfen? Was bedeuten die Mutanten? Was die Reinfektionen? Was ist offiziell? Was wissenschaftlich erwiesen? Was gilt wo und warum? Es muss besser erklärt, besser begründet werden, damit sich frei flottierendes Halbwissen nicht in Resignation, Bitterkeit oder Unmut verwandeln.

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Aufklärung ist Aufgabe der Bundesregierung. Gebraucht wird offizielle Orientierung durch ein tägliches, zentrales Pandemie-Briefing für die Bevölkerung, verlässlich, immer um dieselbe Zeit, klar und verständlich, ausgerichtet auch an den häufigsten Bürgerfragen. Wichtig wäre das nicht nur insbesondere für die Senioren, die keinen Zugang zum Internet haben. Und realisierbar wäre ein Bevölkerungs-Briefing zumindest in Kooperation mit öffentlich-rechtlichen Medien. Dass Millionen mehr Menschen den Sinn von Schutz begreifen, annehmen und schätzen, muss Ziel der Regierung sein, solange diese Krise dauert.

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