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Zementwerke, wie hier in Schleswig-Holstein, stoßen viel CO2 aus.

© dpa/Christian Charisius

CO2 in den Boden statt in die Luft?: Die Union setzt die Ampel beim Thema CCS unter Druck

CDU und CSU fordern die Speicherung von CO2 im Boden, auch die FDP ist von der Technik überzeugt. Doch bei Grünen und SPD gibt es Vorbehalte.

Für Robert Habeck ist es das kleinere Übel: „Ich will das CO2 lieber unter dem Boden als in der Atmosphäre haben“, sagte der Wirtschaftsminister vor drei Wochen im Schneetreiben von Südnorwegen. Eine Zementfabrik hatte der Grünen-Politiker da gerade besucht – eine Branche, die für besonders hohe CO2-Ausstöße bekannt ist. Doch in Norwegen glauben sie, eine Lösung gefunden zu haben, die auch Deutschlands Klimaprobleme lösen kann: CCS.

Das Kürzel steht für „Carbon Capture and Storage“ – also Abscheidung und anschließende Speicherung von Kohlendioxid. Dabei wird das CO2 in einem chemischen Verfahren bei der Produktion von anderen Abgasen abgespalten, verpresst und kann dann im Untergrund verklappt werden. Norwegen plant dies im großen Stil unter der Nordsee in alten Erdgasförderstätten. In Deutschland ist die Technik bislang verboten, doch das könnte sich bald ändern. An diesem Donnerstag bringt die Union einen Antrag in den Bundestag ein, um CCS hierzulande zu ermöglichen.

„CO2-Entnahme ist kein Kann, sondern ein Muss“, heißt es darin, denn Deutschland verfehle ohne CCS seine Klimaziele. Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien müsse Deutschland auch energieeffiziente Produktionsprozesse ausbauen. Denn in manchen Industriezweigen, wie der Zement-Herstellung, ist es technisch noch kaum möglich, auf klimaneutrale Prozesse umzustellen. „Ohne diese Technologien bedeutet Klimaneutralität Deindustrialisierung“, warnt Andreas Jung, klima- und energiepolitischer Sprecher der Union.

Ohne diese Technologien bedeutet Klimaneutralität Deindustrialisierung.

Unions-Politiker Andreas Jung setzt sich für CCS ein.

Der CDU-Politiker fordert die Ampel-Regierung auf, zeitnah ein Gesamtkonzept vorzulegen. Jung plädiert dafür, das abgeschiedene CO2 auch wieder für andere industrielle Prozesse zu nutzen. Mit der sogenannten CCU-Methode käme man so zu einer CO2-Kreislaufwirtschaft, die keine neuen Emissionen verursache. „Noch gibt es keinerlei konkrete Initiativen, nur vage Ankündigungen von Robert Habeck – und schon fällt ihm seine eigene Partei in den Arm und verteufelt pünktlich zur Debatte über unseren Antrag CO2-Abscheidung als rückwärtsgewandt“, kritisiert Jung.

Kritiker halten Technologie für riskant, teuer und ineffizient

Tatsächlich wird seit Jahren über CCS und CCU in Deutschland gestritten. Kritiker halten die Technologie für riskant, teuer und ineffizient. Aus Angst vor Leckagen haben vor allem die Grünen sie lange bekämpft, auch Habeck in seiner Zeit als Umweltminister von Schleswig-Holstein. Inzwischen hat er seine Haltung verändert: „Nach allen wissenschaftlichen Analysen ist die Technik sicher“, sagte Habeck in Norwegen, für 2023 hat er eine Novellierung des Kohlendioxidspeicherungsgesetzes angekündigt.

Doch in seiner Partei scheinen einige CCS skeptischer zu sehen als der Realo-Minister. Parteichefin Ricarda Lang hat sich im vergangenen Jahr zwar mit der Technik bei einem Besuch in Norwegen beschäftigt, aber ein Beschlusspapier der Partei gibt es noch nicht. CCS müsse die Ausnahme bleiben für Industriezweige, in denen Restemissionen unvermeidbar sind, sagt etwa Lisa Badum, Obfrau der Grünen im im Ausschuss für Klimaschutz und Energie im Bundestag.

Für SPD und Grüne bleibt CCS die Ausnahme

Sie befürchtet, dass nicht nur die Zementindustrie Gebrauch von CCS machen will. „Ich sehe auch fossile Kandidaten, die von CCS träumen, aber erstmal dekarbonisieren müssen“, sagt sie dem Tagesspiegel. Es sei richtig, dass das Wirtschaftsministerium nun eine Strategie erarbeite. Badum will zudem am London-Protokoll festhalten, das die Meere vor Verschmutzung bewahren soll. Eine Öffnungsklausel hat Deutschland bislang – anders als von FDP und Union gefordert – nicht ratifiziert. Eine Lieferung nach Norwegen ist damit aktuell nicht möglich. „Die Nordsee ist kein guter Ort für eine CO2-Müllkippe“, stellt Badum klar.

Die Nordsee ist kein guter Ort für eine CO2-Müllkippe.

Lisa Badum, Obfrau der Grünen im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, lehnt eine CO2-Lagerung unter der Nordsee ab.

Auch Nina Scheer, Sprecherin für Energie und Klimaschutz in der SPD-Fraktion, will CCS nur bei wirklich unvermeidbaren CO2-Emissionen erlauben. „Anders als mit der Verwertung von CO2, dem sogenannten CCU, sind mit CCS massive Folgeverantwortlichkeiten verbunden“, sagt sie auf Anfrage. Scheer warnt vor den möglichen Gefahren der Technik und macht deutlich, dass vorrangig Emissionen reduziert und vermieden werden müssten. „Eine weitergehende Befassung mit unvermeidbaren Emissionen unter Einbeziehung von Negativemissionstechnologien muss das Vorsorgeprinzip einbeziehen und darf ihrerseits nicht zu einer Minderung bei der vorrangigen Vermeidung von CO2-Emissionen führen.“

In der FDP freut man sich, dass die CCS-Debatte endlich Fahrt aufnimmt. Die Liberalen haben deutlich weniger bedenken als die Grünen: „Ob und wie viel CO2 in Deutschland gespeichert oder beispielsweise nach Norwegen exportiert wird, ist eine wirtschaftliche Entscheidung, über die am besten der Markt entscheidet“, sagt Lukas Köhler, Vizefraktionschef der FDP im Bundestag. Die Uneinigkeit der Grünen wollen die Liberalen nutzen. „Wirtschaftsminister Habeck kann sich daher auf die Unterstützung der FDP-Fraktion verlassen, wenn er CCS ermöglichen will“, sagt Köhler.

Für den Antrag der Union haben die Liberalen große Sympathie, doch aus Rücksicht auf die Koalitionspartner wird die FDP ihn wohl ablehnen. Ein eigener Antrag aus dem Hause Habeck soll bereits in Vorbereitung sein.

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