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Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Die Ampel und ihre Haushaltspolitik: Christian Lindners riskante Wette

Hat sich die Übernahme des Finanzministeriums für den FDP-Chef gelohnt? Lindner setzt auf die Zukunft. Doch da wachsen neue Herausforderungen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Albert Funk

Hat Christian Lindner doch den falschen Job gewählt? Der FDP-Chef reklamierte im vorigen Jahr vor der Bundestagswahl das Amt des Finanzministers vehement für sich. Er wollte da rein, unbedingt. In dieser Position sah er seine FDP am besten vertreten in einer neuen Regierung, ob nun Ampel oder Jamaika (was ja eine Option war). Und nun ist die CDU, die sich mit der FDP um einen Teil der Wählerschaft streitet, in zwei Landtagswahlen mit dem Slogan „Schulden-Lindner“ aufgetreten.

Offensichtlich nicht ganz erfolglos. Die FDP ist in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen eingebrochen. Im aktuellen Politbarometer steht sie bundesweit bei sieben Prozent. Bei der Bundestagswahl waren es viereinhalb Prozentpunkte mehr. Zahlen lügen nicht, das weiß ein Finanzminister. Die Grünen dagegen sind im Aufwind, vor allem Robert Habeck, der sich recht erfolgreich im Wirtschaftsministerium eingerichtet hat. Das Amt verschmähte Lindner. Stünde er jetzt besser da?

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Am Freitag in der Früh hat der Haushaltsausschuss des Bundestags den Etat 2022 finalisiert. Die Ampel-Koalition hat damit die Phase der vorläufigen Haushaltsführung verlassen und kann nun mit einem regulären Etat arbeiten. Sie steht auch gar nicht so schlecht da im Moment. Die Ausgaben konnten nochmals aufgestockt werden – von 484 Milliarden Euro im ersten Entwurf vom März auf nunmehr 496 Milliarden. Das gelang ohne neue Kredite, weil Lindner die planerische Vorsorge für geringere Steuereinnahmen recht hoch angesetzt hatte.

Dank Schulden komfortabel

Die Koalition kann vorerst aus dem Vollen schöpfen, auch wegen des Schuldenpolsters, das sie sich angelegt hat. Es sind 139 Milliarden Euro, eine üppige Summe. Wobei noch nicht klar ist, ob sie dieses Geld wirklich brauchen wird oder ob sie – wie die große Koalition zuvor in der Pandemie – am Ende unter dem Ansatz abschließt. Pandemie, Ukraine- Krieg, die Wirtschaftsentwicklung in den USA, die fortwirkenden globalen Lieferkettenprobleme – einen einfachen Start hatte die Ampel fürwahr nicht.

Und die Herausforderung kann noch größer werden, wenn sich der auch von Lindner schon befürchtete Abschwung im zweiten Halbjahr einstellt. Im schlimmsten Fall muss Lindner dann mit einem kreditfinanzierten Nachtragsetat arbeiten. Aber vorerst setzt er darauf, dass die Hochverschuldung der Ampel sich auf das Jahr 2022 beschränken lässt – neben den Krediten im normalen Etat kommen noch 60 Milliarden Euro im Klimafonds und demnächst die 100 Milliarden im Bundeswehr-Sondervermögen hinzu. Damit addieren sich 300 Milliarden zusammen. So tief in die Kreide ging noch keine Regierung zuvor.

Unwägbarkeiten nehmen nicht ab

Lindner hat das einkalkuliert. Von 2023 an, so sein bekannter Plan, soll wieder Normalität herrschen, wie sie sich dem FDP-Chef darstellt. Dann soll die Schuldenbremse eingehalten und solide gearbeitet werden. Dann soll „Schulden- Lindner“ vergessen sein. SPD und Grüne will er mit dem Verweis auf die eigene Verlustbereitschaft in diesem Jahr auf seinen Kurs einer schuldenfreien Haushaltspolitik verpflichten.

[Lesen Sie dazu bei Tagesspiegel Plus auch diesen Beitrag: Das Traumhaus des FDP-Chefs]

Aber er geht damit eine riskante Wette ein. Denn die Unwägbarkeiten nehmen ja nicht ab. Die von der Groko geerbte Rücklage in Höhe von fast 50 Milliarden Euro, aufgebaut in den Überschussjahren, musste Lindner schon für die Deckung der Finanzplanung verwenden. Dieses Netz hat er also nicht mehr unter sich. Steuererhöhungen schließt er kategorisch aus. Die Schuldenbremse will er nicht anrühren. In der Koalition heißt es, dass bis 2026 nach aktuellem Stand etwa 80 Milliarden Euro fehlen. Das ist kein Notstand. Aber das Geld muss irgendwo herkommen.

Schafft Lindner das nicht – durch kreative Etatpolitik, durch Einsparungen, durch das Mitnehmen der Kabinettskollegen auf seinen Kurs –, dann könnte sich die Übernahme des Finanzministeriums eventuell doch als Fehlkalkulation herausstellen.

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