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Christian Lindner macht Pressearbeit im Gebäude des Internationalen Währungsfonds in Washington.

© Reuters/Ken Cedeno

Christian Lindner in Washington: Hoffnung auf Rückenwind

Höhere Zinsen, geringeres Wachstum: Der Bundesfinanzminister sieht sich im Etatstreit der Ampel bestätigt – und fühlt sich international in guter Gesellschaft.

In Washington versammelt sich wieder die finanzpolitische Welt in diesen Tagen – es finden die Frühjahrstagungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank statt. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ist da, auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel. Die führenden Köpfe der G-20-Staaten nutzen das Stelldichein in der US-Hauptstadt zu einem separaten Treffen.

Lindner kommt der Termin gelegen. Er bietet die Chance, sich auf der internationalen Bühne Rückenwind für seine innenpolitische Agenda zu holen. Denn derzeit ringt er mit seinen Kabinettskollegen intensiv um den Bundeshaushalt für 2024. Lindner hat die Koalitionspartner zu strikter Haushaltsdisziplin aufgefordert, um die Vorgaben der Schuldengrenze einzuhalten. Bis Mitte Juni muss er einen abgestimmten Gesetzentwurf vorlegen. Noch steht ihm viel Überzeugungsarbeit bevor.

Helfen sollen nun die Experten in Washington. Nach seiner Ankunft am IWF-Headquarter, wo sich bis Freitag die Finanzminister und Notenbankchefs treffen, erklärte er vor Journalisten, derzeit drehe sich alles um die weltweite Verschuldungssituation. „Der Internationale Währungsfonds hat die sehr starke Empfehlung ausgesprochen, die Haushalte zu konsolidieren“, sagte Lindner.

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Schwächeres Wachstum

Angesichts der geänderten Geldpolitik der Notenbanken und der gestiegenen Zinsen wachse der Konsolidierungsdruck. Die Bundesregierung nehme diese Feststellung „außerordentlich ernst“, sagte Lindner. Am Donnerstagmorgen, da hat er schon viele Gespräche geführt, bekräftigt er: Die Stimmung sei „verhalten optimistisch“. Aber die Botschaft sei, man sei hier nicht Teilnehmer eines Krisentreffens. Und er sagt ausdrücklich: „Die Bundesregierung fühlt sich bestärkt durch die Einschätzung des IWF.“

Der IWF hat der Weltwirtschaft das schwächste Wachstum seit 1990 prognostiziert. Die globale Wirtschaft befinde sich „in einer äußerst unsicheren Situation“, heißt es im aktuellen „World Economic Outlook“, den die Organisation am Dienstag veröffentlichte. Für Deutschland sagt der IWF für dieses Jahr eine Rezession 2023 voraus – das allerdings sieht man in Berlin anders. Die Bundesbank rechne für 2023 mit einem leichten Wachstum, sagt Nagel in Washington.

Viele Volkswirtschaften seien immer noch damit beschäftigt, die Pandemie, die Auswirkungen des Ukrainekriegs und Lieferengpässe zu verarbeiten, so der Währungsfonds. Hinzu kämen die „hartnäckig“ anhaltende Inflation, eine straffe Zinspolitik und hohe Verschuldung. Und jetzt auch noch die neuen Unsicherheiten angesichts der Turbulenzen bei Banken in den USA und in Europa.

Wie weiter bei den Zinsen?

Der Bundesbank-Chef hält weitere Zinsschritte für nötig, um die Inflation einzudämmen. Nach aktueller Prognose werde die Teuerungsrate erst 2025 wieder die Größenordnung der angestrebten zwei Prozent erreichen, sagt Nagel. „Das heißt, der Anpassungspfad erfordert noch weitere Zinsschritte.“ Er sehe das wie EZB-Chefin Christine Lagarde, die gesagt habe, es gebe in dieser Hinsicht noch mehr zu tun. Auf eine Größenordnung für die im Mai anstehende nächste Entscheidung will er sich allerdings noch nicht festlegen.

Der IWF betont aber eben auch, wie wichtig es sei, dass die Regierungen nach Krisen mit ihrer Schuldenpolitik die Situation nicht noch verschärfen. Sie müssten stattdessen Spielräume dafür schaffen, um auf kommende Schocks reagieren zu können. Lindner hofft darauf, dass diese Botschaft von Washington auch bis zur Ampel-Koalition durchdringt. Nicht jeder sieht Schulden allerdings generell als problematisch an – weder auf der internationalen Ebene noch in Deutschland. In den USA etwa steigt die Schuldenquote laut IWF in den kommenden Jahren von 122 auf 136 Prozent.

„Spielräume erarbeiten“

Ein Teil der Koalition will lieber weitere Schulden aufnehmen, beispielsweise, um mehr für den Klimaschutz tun zu können. Lindner sagt dazu am Donnerstag: „Im Grunde wollen alle mehr. Und das kann man auch verstehen, weil alle ja sehr ambitioniert sind, was ihre politischen Vorgaben angeht.“ Aber die gemeinsame Aufgabe, „die wir lösen werden“, sei, „das zunächst Dringliche anzugehen und uns dann Spielräume zu erarbeiten, das Wünschenswerte zu einem späteren Zeitpunkt umzusetzen“.

Und dann gibt er ein bisschen Einblick in die Gemütslage: Wenn die Finanzminister zusammenkommen, „dann hat das teilweise auch therapeutischen Charakter. Wir verstehen uns“.

Allerdings kämpft Lindner nicht mehr allein mit SPD und Grünen um den Etat. Mittlerweile verschärft die Union ihre Kritik am FDP-Chef. Zuletzt hat CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ausgeteilt. „Dass sich die Ampel bei absoluten Rekordsteuereinnahmen des Bundes im Jahr 2023 auf keinen Haushalt einigen kann und weitere Steuererhöhungen und eine hohe Neuverschuldung im Raum stehen, ist der deutliche Ausdruck von mangelnder finanzpolitischer Seriosität“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Lindner hat einen FDP-Bundesparteitag am übernächsten Wochenende vor sich. Im Oktober stehen Landtagswahlen in Bayern und Hessen an, zwei wohlhabende Länder, in denen die FDP punkten muss. Die Union setzt darauf, dass der Etatstreit in der Ampel Lindner zusehends unter Druck setzen wird. „Wenn der Bundesfinanzminister seinen Koalitionspartnern vorwirft, sie würden finanzielle Realitäten nicht anerkennen, kommt das einem Offenbarungseid gleich“, sagte Dobrindt. „Eine Haushaltsblockade verschärft die finanzpolitische Ampel-Schieflage.“

Dazu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht gerade angekündigt hat, dass die mündliche Verhandlung zur Klage der Union gegen den Nachtragsetat 2021 am 21. Juni stattfinden wird. Das ist ausgerechnet der Tag, an dem laut bisherigem Plan das Bundeskabinett den Etatentwurf für 2024 beschließen will. Die Klage in Karlsruhe richtet sich gegen die Übertragung von nicht in Anspruch genommenen Kreditermächtigungen aus dem Jahr 2021 in den Etat 2022 – mögliche Corona-Schulden der „Groko“ wurden damit für Ausgabezwecke der Ampel umgelenkt.

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