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Wladimir Putin während eines Treffens mit Xi Jinping.

© Ding Haitao/Xinhua/AP/dpa

Der russische Scheinriese: Chinas Präsident benutzt Putin, wo immer er ihm nützlich ist

Russland ist China weit unterlegen, mit Ausnahme des Militärs. Ob Putin sich in der Ukraine durchsetzt, wird für China zum Probelauf. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Zwei weltpolitische Muskelprotze reichen sich bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele die Hand: Xi Jinping und Wladimir Putin. Schon je einzeln müssen die USA und Europa sie ernst nehmen. Erst recht, wenn sie sich gegen den Westen verbünden.

Mit dem Truppenaufmarsch rund um die Ukraine hat Putin ein Ende der Isolierung erzwungen, die auf die Annexion der Krim und den Krieg in der Ostukraine folgte. Wer Frieden in Europa sichern möchte, kann seine Militärmacht nicht ignorieren.

China diktiert westlichen Konzernen die Bedingungen für Kooperation. Es ist jetzt eine ähnlich große Wirtschaftsmacht wie die EU und die USA. Wenn einzelne Staaten seinen Zorn erregen – Australien nach den Ursprüngen der Pandemie fragt oder Litauen die Beziehungen zu Taiwan hochstuft –, verhängt Peking scharfe Sanktionen.

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Müssen Deutschland, Europa und Amerika diese Allianz fürchten und sich ihr im Zweifel beugen? Ja und Nein. Putin und Xi verbindet das Interesse, den USA Grenzen der Macht aufzuzeigen.

China benutzt Russland für eigene Ziele, auch in der Ukraine

Sie sind aber keine Partner auf Augenhöhe. Russland ist China weit unterlegen, mit Ausnahme des Militärs. Xi benutzt Putin, wo er ihm nützlich ist. Ob Russland sich in der Ukraine durchsetzt oder der Westen, ist für China der Probelauf, ob es sich Taiwan gewaltsam einverleiben kann oder der Preis zu hoch wäre.

Und: Je länger Putin Joe Bidens Aufmerksamkeit in der Ukraine bindet, desto weniger Energie bleibt dem für die Konkurrenz mit China in Asien, zu Xis Freude. Darin liegt die geostrategische Bedeutung des Ringens.

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Die Winterspiele markieren da eine Zäsur. Nun gilt das olympische Friedensgebot. Greift Putin an, würde er Gastgeber Xi öffentlich blamieren. Was er nach den Spielen tut, kann niemand sicher sagen.

Russische Sportler dürfen nicht unter ihrer Flagge antreten

Bis hierher jedoch war er nicht sehr erfolgreich. Sportlich wie politisch steht er als Scheinriese da. Bei der Eröffnung vertritt er ein Land, dessen Sportler nicht unter ihrer Flagge antreten dürfen. Der Grund dafür ist der gleiche wie in der Politik: Putin bricht vereinbarte Regeln, vom Doping bis zur Friedensordnung.

Ungleiche Partner: Wladimir Putin braucht die Unterstützung des chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Umgekehrt ist das weniger der Fall.

© Ramil Sitdikov/Pool Sputnik Kremlin/dpa

Nach eigenen Worten hat Putin drei Kernziele: Russland wieder zur Weltmacht aufbauen, die Nato aus dem früheren sowjetischen Machtbereich zurückdrängen und eine Wirtschaftsunion mit der Ukraine bilden, weil ohne sie die ökonomische Basis für alles fehlt.

Doch wie Mephisto erreicht er mit seinem Handeln gerade das Gegenteil. Ein Nato-Beitritt der Ukraine stand nicht zur Debatte. Jetzt ist ihr prinzipielles Recht darauf bekräftigt worden.

Ist Putin ein brillanter Taktiker? Er erreicht das Gegenteil seiner Ziele

Keine Nato-Soldaten an der Ostgrenze der Allianz? Nun werden es mehr als vor Putins Aufmarsch. Und wer in der Ukraine ist noch bereit, eine Wirtschaftsunion mit Russland einzugehen? Vielleicht ist Putin doch kein so brillanter Taktiker, wie oft behauptet wird.

[Lesen Sie auch: Uigurischer Fackelträger von Peking 2008: „Der olympische Geist ist bedeutungslos geworden“ (T+)]

Stark wirkt er nicht aus eigener Kraft. Sondern im Kontrast zu einem uneinigen Europa, das ökonomischen Erfolgs nicht in Macht umwandeln kann. An einem geeinten, entschlossenen Westen prallen seine Erpressungsversuche ab.

Konflikte mit China und der Türkei wagt er nicht, mit Deutschland schon

Mit Einschüchterung und Rechtsbruch agiert er auch im Konflikt mit Berlin um „Russia Today“ (RT) und die Deutsche Welle. RT hat überhaupt keine Lizenz beantragt. Es wollte sein Programm auf fragwürdigen Umwegen in Deutschland verbreiten. Als das misslang, verbannte er die Deutsche Welle aus Russland, obwohl die dort auf Basis mehrjähriger Verträge arbeitet.

Bei Putin hilft also nur eines: sich nicht einschüchtern lassen und entschieden antworten. Beim Umsturz in Kasachstan schickte Putin Soldaten, zog sie aber rasch wieder ab, als China signalisierte, dass es eine dauerhafte Stationierung nicht toleriere.

Eine harte Konfrontation mit der Türkei scheut Putin ebenso. Er nahm hin, dass Bündnispartner Armenien den Krieg gegen das türkisch unterstützte Aserbaidschan verlor.

Auch in der Ukraine trifft er auf mehr Widerstand als erhofft. Die von ihm entfachte Kriegsangst spaltet die Europäer nicht von den USA ab, sondern führt beide enger zusammen.

Nun behauptet Putin, es sei ihm nur um Verhandlungen über Sicherheitsgarantien gegangen. Die kann er haben. Die Ukraine als Vasallenstaat nicht.

China ist ein weit mächtigerer Gegner als Putin. Doch die Lehre ist dieselbe: Die Demokratien in Europa, Amerika und Asien müssen Drohungen gegen eine von ihnen geschlossen entgegentreten. Dann haben sie die Chance, sich zu behaupten.

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