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Luftaufnahme von der Baumwollernte im nordwestchinesischen Kreis Awat. Die Region liegt im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang.

© imago images / Xinhua

Verschleppt und ausgenutzt: China zwingt Uiguren zur Baumwollernte

Mindestens 570.000 Uiguren pflücken einer Studie zufolge unter Zwang Baumwolle in Xinjiang. Auch aus der deutschen Industrie kommt zunehmend deutliche Kritik.

Sie werden aus ihren Heimatdörfern abgeholt, in Busse gesetzt und von der Polizei auf Baumwollfelder verbracht: Was dystopisch klingt, ist für Uiguren im Westen Chinas Realität. Mindestens 570.000 Menschen soll die chinesische Regierung bisher unter Zwang zur Baumwollernte eingesetzt haben. Das legt eine Studie der US-amerikanischen NGO Center for Global Policy (CGP) dar.

"Großteil der Baumwollproduktion mit Zwangsarbeit befleckt"

„Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Großteil der Baumwollproduktion in Xinjiang mit Zwangsarbeit befleckt ist“, heißt es in dem Bericht, der erstmals Rückschlüsse auf das potenzielle Ausmaß von Zwangsarbeit in der westchinesischen Region liefert. In Xinjiang leben vor allem Uiguren – eine Minderheit, die systematisch kontrolliert und unterdrückt wird.

Auch Produkte, die in Deutschland verkauft werden, können Baumwolle aus Xinjiang enthalten. China deckt 20 Prozent des globalen Bedarfs ab, auch US-amerikanische und europäische Firmen importieren aus der Volksrepublik. Davon werden wiederum 85 Prozent in Xinjiang produziert.

Das CGP hat Regierungsdokumente und Berichte staatlicher Medien ausgewertet, die zeigen, dass der chinesische Staat immer weniger Saisonkräfte aus anderen Regionen Chinas anwarb, obwohl die Arbeit weiterhin anfiel.

Außerdem enthält die Studie Belege für Zwangsrekrutierungen in Dörfern, zentralisierte Vorbereitungen auf die Arbeit als Baumwollpflücker und für Transporte auf die Farmen. Dass die Arbeit auf den Feldern selbst unter Zwang erfolgt, weist die Studie nicht nach. Die Forscher fanden laut Bericht aber Hinweise darauf. Die Belege für Zwangsversetzungen von Arbeitern und die Hinweise auf Zwangsarbeit hätten „potenziell starke Konsequenzen für globale Lieferketten“, so der Anthropologe und Xinjiang-Experte Adrian Zenz in dem CGP-Bericht.

Bundesverband der Deutschen Industrie spricht von belasteten politischen und wirtschaftlichen Beziehungen

Deutsche Verbände und Politikerinnen zeigen sich angesichts der neuen Erkenntnisse besorgt. Aus Kreisen des Bundesverbands der deutschen Industrie ist zu hören: „Die Lage der Menschenrechte in Xinjiang und die politische Situation in Hongkong belasten die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen.“ China müsse bewusst sein, dass sich „international politischer Widerstand“ formiere.

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FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte Gyde Jensen ist da weniger optimistisch. „Mein Eindruck ist leider, dass viele hoffen und wünschen, dass sich das Problem von alleine erledigt.“ Das sei angesichts der „gigantischen Ausmaße“ der Zwangsarbeit auf Baumwollfeldern in Xinjiang aber „vollkommen absurd“. Sie appelliert an Politik und Unternehmen, entschieden gegen Sklaverei in Xinjiang vorzugehen: „Wir dürfen dabei nicht länger mitspielen.“

Margarete Bause, Sprecherin der Grünen-Fraktion für Menschenrechte, fordert eine verbindliche Lieferketten-Überwachung. „Wir alle tragen täglich Kleidung aus Baumwolle. Entsprechend betrifft das jede:n einzelne:n von uns.“ Wegen Verletzung der Menschenrechte in Xinjiang hatten die USA Anfang Dezember den Baumwollimport aus der Region gestoppt und von „Sklavenarbeit“ gesprochen. Peking warf Washington daraufhin vor, Falschnachrichten zu verbreiten. Den Vorwurf der Zwangsarbeit weist China zurück.

Dass Menschenrechte von Uiguren in China verletzt werden, ist bekannt. Mindestens eine Million Menschen sind laut Menschenrechtsorganisationen in Haft- und Umerziehungslagern eingesperrt. Der chinesische Staat hingegen spricht – nachdem er die Existenz der Institutionen bis 2018 geleugnet hatte – von Bildungszentren.

Die Maßnahmen begründet er mit dem Kampf gegen religiösen Extremismus. Ihre Religion dürfen Uiguren nicht ausüben. Exil-Uiguren berichten etwa von Misshandlungen, Zwangssterilisationen und zwangsweisen Trennungen von Familien. Die CDP-Studie verdeutlicht, wie der chinesische Staat vorgeht und auch wirtschaftlich davon profitiert.

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