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Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping.

© dpa/Li Xueren

China-Politik der künftigen Bundesregierung: Warum Scholz eine geheime Botschaft an Chinas Staatschef richtete

Der künftige Kanzler ließ Chinas Staatschef Xi ausrichten, er werde den bisherigen Kurs gegenüber Peking fortsetzen - obwohl Grüne und FDP das nicht wollen.

Die Bundestagswahl war noch keinen Monat vorbei, da erhielt Chinas Staatschef Xi Jinping bereits eine Botschaft des künftigen Kanzlers Olaf Scholz (SPD). Als Überbringer der Nachricht diente der EU-Ratspräsident Charles Michel, der Mitte Oktober mit Xi telefonierte, um über den nächsten Gipfel zwischen der Europäischen Union und China zu reden.

Michel habe dem chinesischen Staatschef die Botschaft überbracht, dass Scholz die China-Politik von Angela Merkel fortsetzen wolle, berichtete die „Wirtschaftswoche“ unter Berufung auf einen EU-Diplomaten.

Außerdem ließ Scholz ausrichten, er werde seine beiden künftigen Koalitionspartner, die Grünen und die FDP, in Schach halten. Damit droht der neuen Regierung der erste Streit um die Außenpolitik.

Zum Zeitpunkt des Gesprächs von Michel und Xi hatten die Koalitionsverhandlungen in Berlin noch gar nicht begonnen. Doch schon damals war klar, dass sich sowohl Grüne als auch FDP für einen Kurswechsel gegenüber Peking aussprechen würden.

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Tatsächlich setzten die beiden Parteien gegenüber der SPD sehr deutliche Worte im Koalitionsvertrag durch: „Wir streben eine enge transatlantische Abstimmung in der China-Politik an und suchen die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Ländern, um strategische Abhängigkeiten zu reduzieren“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Um in der „systemischen Rivalität mit China unsere Werte und Interessen verwirklichen zu können“, brauche Deutschland eine umfassende China-Strategie. Das wäre eine deutliche Abkehr vom pragmatischen Kurs der Ära Merkel.

Koalitionsvertrag spricht heikle Themen an

Zudem spricht der Koalitionsvertrag Themen direkt an, die Peking stets als Einmischung in innere Angelegenheiten versteht: „Im Rahmen der Ein-China-Politik der EU unterstützen wir die sachbezogene Teilnahme des demokratischen Taiwan in internationalen Organisationen. Wir thematisieren klar Chinas Menschenrechtsverletzungen, besonders in Xinjiang.“

Außerdem fordert die neue Koalition indirekt mehr Autonomie für Hongkong. Allein die Tatsache, dass Taiwan und die Provinz Xinjiang im Koalitionsvertrag überhaupt erwähnt werden, setzt einen neuen Ton in den Beziehungen zu China. Zu Taiwan unterhält Deutschland keine diplomatischen Beziehungen - aus Rücksicht auf die von der Führung in Peking geforderte Ein-China-Politik. Doch in der Ankündigung im Koalitionsvertrag könnte die Volksrepublik eine Aufwertung Taiwans sehen.

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Dass die neue Regierung die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang explizit anspricht, dürfte Peking ebenfalls verärgern. In der mehrheitlich von der muslimischen Minderheit der Uiguren bewohnten Region sind mehr als eine Million Menschen in Lagern interniert.

Als sich der Menschenrechtsausschuss des Bundestages im vergangenen Jahr mit der Lage in Xinjiang beschäftigte, reagierte die chinesische Botschaft in scharfer Form. Pekings Diplomaten sprachen in einer Erklärung von „Verleumdung“ und „ideologischen Vorurteilen“ und warnten die Parlamentarier vor einer Einmischung.

„Deutschland muss Abhängigkeiten von China überprüfen“

Mit seiner Intervention noch vor der Regierungsbildung machte Scholz der chinesischen Führung nicht nur klar, dass er den Kurs seiner Amtsvorgängerin beibehalten will, sondern auch, dass er diesen Kurs ungeachtet der Positionen der kleineren Koalitionspartner durchsetzen will. „Bereits in den vergangenen Jahren ist die China-Politik der Bundesregierung im Kanzleramt bestimmt worden“, sagt Mareike Ohlberg, China-Expertin beim German Marshall Fund.

Allerdings gab es in der großen Koalition keinen grundsätzlichen Dissens in der Frage des Umgangs mit China. Dagegen hat sich die künftige Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) für einen härteren Kurs gegenüber Peking ausgesprochen, was ihr umgehend offene Kritik aus der Botschaft in Berlin einbrachte. Die chinesische Führung werde nun darauf setzen, dass sich Baerbock und das Auswärtige Amt zurückhalten müssten, sagt Ohlberg.

Eine Fortsetzung von Merkels Politik gegenüber China sei allerdings nicht mehr zeitgemäß, warnt die Expertin. „Selbst Teile der deutschen Wirtschaft dringen mittlerweile auf einen härteren Kurs.“ Die größte Herausforderung für die neue Bundesregierung sei es, „Deutschlands Abhängigkeiten von China zu überprüfen und graduell abzubauen, um sich weniger angreifbar zu machen“. Außerdem müsse Deutschland auf europäischer Ebene eine Antwort darauf finden, dass China gegen einzelne EU-Staaten wie derzeit gegen Litauen vorgehe.

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