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CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn.

© Oliver Berg/dpa

Skandal um NSA und BND: CDU wirft SPD antiamerikanische Ressentiments vor

Die Koalitionäre streiten wie die Kesselflicker. Grund ist die Spähliste des amerikanischen Geheimdienstes NSA. Die SPD-Spitze geht Kanzlerin Angela Merkel direkt an, die Union keilt zurück. Die FDP sieht gar eine Staatsaffäre im Range des Watergate-Skandals in den USA.

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Im Streit um die Freigabe der geheimen NSA-Spähliste wird der Ton zwischen Union und SPD schärfer. Die SPD spiele "in ihrer Verzweiflung unverhohlen mit antiamerikanischen Ressentiments", sagte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn dem Tagesspiegel mit Blick auf die mäßigen Umfragewerte des Koalitionspartners.  Spahn reagierte damit auf die Forderung von SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die sogenante Selektorenliste auch gegen den Willen der USA freizugeben. Fahimi hatte dazu im "Tagesspiegel am Sonntag" erklärt, eine deutsche Kanzlerin dürfe gegenüber den USA nicht unterwürfig sein: "Wir dürfen uns nicht zu Vasallen der USA machen und die Rechte des Bundestages ignorieren." Spahn wies dies zurück: "Mit Frau Fahimi scheinen etwas die Pferde durchzugehen, das Gekläffe kann man ja nicht ernst nehmen."

Der BND soll dem US-Geheimdienst NSA über Jahre geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Dazu soll die NSA dem BND Listen mit tausenden Suchwörtern – sogenannte Selektoren – übermittelt haben. Das Parlamentarische Kontrollgremium und der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages verlangen seit Wochen Einblick in diese Listen. Die Bundesregierung wartet aber auf eine Erlaubnis der Amerikaner. Bislang hat sich die Bundesregierung öffentlich noch nicht auf das weitere Vorgehen festgelegt. Eine offizielle Antwort aus Washington steht noch aus. Medienberichten zufolge wollen die USA die Veröffentlichung der Listen aber wohl ablehnen. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) hat wiederholt auf das Geheimschutzabkommen mit den USA verwiesen. Danach dürften die betreffenden Daten "nicht ohne deren ausdrückliche Zustimmung weitergegeben werden".

"In einer Phase, in der wir Bedrohungen des internationalen Terrorismus ausgesetzt sind wie nie zuvor, ist es unverantwortlich, leichtfertig die Beziehungen zu den USA und die Geheimdienstkooperation zu gefährden", sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet dem Tagesspiegel. Ähnlich äußerte sich CDU- Vize Julia Klöckner: "Man bekommt immer mehr den Eindruck, dass die SPD dringend ein Thema sucht, um aus ihren schlechten Umfragewerten zu kommen." Klöckner warnte die SPD davor, "in der Regierungskoalition die Opposition geben zu wollen". So etwas sei noch nie gut gegangen, sagte sie dem Tagesspiegel. Zugleich mahnte Klöckner mehr Nüchternheit im Umgang mit der BND/NSA-Affäre an. "Nicht Schaum vorm Mund und Andeutungen, sondern Fakten und Sachlichkeit bringen in der Sache weiter."

Der Innenexperte der Unionsfraktion, Stephan Mayer, verlangte, das Ergebnis der Gespräche mit den USA abzuwarten. Auch er würde es begrüßen, wenn die zuständigen Gremien unter strikter Wahrung der Vertraulichkeit Einblick erhielten, sagte Mayer, selbst Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium. "Überzogene antiamerikanische Töne, wie sie aus der SPD-Parteizentrale zu hören sind, helfen jedenfalls nicht. Sie zeugen nur davon, dass einige führende Sozialdemokraten scheinbar nicht wissen, wie kompliziert auch angesichts der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus die Gemengelage ist", sagte Mayer.

Laut "Spiegel" hält aber auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Forderung, sich über den Willen der USA hinwegzusetzen, für wenig durchdacht. Dies habe er in einem Telefonat mit SPD-Chef Sigmar Gabriel durchblicken lassen, der wiederum für eine Freigabe plädiere.

Der SPD-Politiker Burkhard Lischka, Mitglied im Geheimdienstkontrollgremium des Bundestags, nannte die Entscheidung eine "Nagelprobe" für das Kanzleramt. Es gehe um die Frage, "ob das Kanzleramt es ernst meint mit einer effektiven und ernsthaften Kontrolle und Aufsicht der Nachrichtendienste in unserem Land“, sagte Lischka dem "Spiegel". FDP-Chef Christian Lindner forderte mehr Rechte für den Bundestag. Er rate Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schon aus Eigeninteresse, einen Sonderermittler einzusetzen. Dieser müsse restlos aufklären, ob der BND dem US-Geheimdienst NSA beim Ausspähen von EU-Diplomaten und Unternehmen geholfen habe. "Wir sind nicht naiv. Nachrichtendienste sind notwendig. Aber sie dürfen im Verfassungsstaat niemals wieder ein Eigenleben entwickeln."

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki warnte Kanzlerin Merkel, in der BND-NSA-Affäre ihren guten Ruf aufs Spiel zu setzen. "Eine Bundeskanzlerin, die auf die Verfassung vereidigt worden ist und die geschworen hat, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, muss jetzt öffentlich tätig werden", sagte Kubicki am Sonntag am Rande des FDP-Parteitages in Berlin. "Ansonsten wird auch ihre persönliche Reputation massiv leiden." Er stimme SPD-Chef Gabriel zu, dass die mögliche Amtshilfe des deutschen Auslandsgeheimdienst BND für die US-Kollegen von der NSA beim Ausspähen europäischer Politiker und Firmen und das Mauern des Kanzleramtes das Zeug zu einer Staatsaffäre habe. "Das nimmt mittlerweile mit der mangelnden Bereitschaft aufzuklären Ausmaße an wie die Watergate-Affäre in den Vereinigten Staaten", meinte Kubicki. (mit dpa)

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