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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Klebeaktionen der Gruppe „Letzte Generation“ scharf kritisiert.

© picture alliance / Flashpic/Jens Krick

Update

Kanzler-Kritik an „Letzter Generation“ : Mehr als 80 Prozent halten „Völlig bekloppt“-Aussage von Scholz für richtig

Die scharfe Kritik des Kanzlers an den Aktionen der Klimakleber hatte viel Aufsehen erregt. Einer Befragung zufolge teilt aber eine breite Mehrheit Scholz’ Meinung.

| Update:

Dass die Klimaschutzfrage die Gesellschaft polarisiert, haben in der jüngsten Vergangenheit etliche Umfragen gezeigt. Bei der Frage, ob die Aktionen der Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ legitim sind, herrscht allerdings offenbar eine Meinung vor: Eine Mehrheit der Deutschen hält die Aussage von Olaf Scholz (SPD), die Klebeaktionen seien „völlig bekloppt“, für richtig.

Dies ergab eine am Freitag veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des digitalen Medienhauses „Table Media“. Demnach unterstützen 82 Prozent die Kritik von Scholz an den Klebeaktionen, für falsch befinden sie 15 Prozent. Am wenigsten Zustimmung erhält Scholz bei den Jüngeren, 24 Prozent der Personen zwischen 18 bis 39 Jahren bewerten die Aussage von Olaf Scholz Aussage als falsch. Bei den über 65-Jährigen stützen 88 Prozent die Aussage des Bundeskanzlers.

Aufgeteilt nach Wahlabsicht halten die Anhänger von CDU/CSU/, FDP und AfD mit einer Zustimmung von jeweils über 90 Prozent die Scholz-Kritik an der „Letzten Generation“ für richtig, bei den SPD-Wählern liegt sie bei 84 Prozent, während nur 37 Prozent der Anhänger der Grünen sie für richtig halten. 56 Prozent der Grünen-Anhänger halten diese Aussage für falsch. 

Wir merken, dass ganz, ganz viel Unterstützung gerade kommt. Wir wachsen und wir werden unseren Protest weiter ausweiten.

 Raphael Thelen, Aktivist der „Letzten Generation“

Scholz bekräftige seine Kritik. „Ich nehme da kein Blatt vor den Mund“, sagte er am Freitag dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Von allen Protestaktionen der vergangenen Jahre dürfte es diejenige sein, die wohl am wenigsten bewirkt hat – außer dass sich alle darüber aufregen, selbst die Wohlwollenden.“ Damit täten die Mitglieder der Gruppe dem Klimaschutz keinen Gefallen. „Diese Bundesregierung engagiert sich stärker für den Klimaschutz als jede Regierung vor ihr“, betonte der Kanzler nun.

Zugleich zeigte er Verständnis für die jüngste Razzia gegen die „Letzte Generation“ wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die Justiz handle unabhängig, sagte Scholz. „Erkennbar werden hier wiederholt Straftaten verübt, das kann der Rechtsstaat nicht ignorieren“, fügte er aber hinzu.

Am Donnerstag hatte CDU-Chef Friedrich Merz der Klimaschutz-Bewegung vorgeworfen, gegen Gesetze zu verstoßen. „Das sind Straftäter und keine Gesprächspartner“, sagte der CDU-Vorsitzende und Unions-Fraktionschef im Bundestag am Donnerstag den Fernsehsendern RTL und ntv.

Merz nennt Aktivisten der „Letzten Generation“ Straftäter

„Man darf protestieren, das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder gesagt, auch kurzfristige Blockaden des öffentlichen Lebens sind zulässig“, erklärte Merz. Zugleich verwies er aber auf „massive Sachbeschädigung, das Beschädigen von Kunstwerken, das Beschmieren von Gedenktafeln, die Kleberei auf den Autobahnen, mittlerweile auf den Autos selbst“: Das seien Straftaten, die mit legitimem Protest nichts mehr zu tun hätten.

Offen ließ der CDU-Politiker allerdings, ob die „Letzte Generation“ tatsächlich als kriminelle Vereinigung einzustufen sei. „Das habe ich hier nicht zu bewerten oder zu kommentieren“, sagte Merz in dem Interview und verwies auf die Münchner Staatsanwaltschaft, die die Durchsuchungen mit diesem Anfangsverdacht begründet hatte.

Wissing schließt nun weitere Treffen mit „Letzter Generation“ aus 

Ein Treffen mit der Gruppe lehnte Merz ab. „Nein, das werde ich sicherlich nicht tun. Und das Beispiel von Herrn Wissing zeigt mir, dass das völlig sinnlos ist.“

Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sieht keine Grundlage mehr für weitere Gespräche mit der Klimaprotestgruppe Letzte Generation. Wissing, der sich Anfang des Monats mit Vertretern der Gruppierung getroffen hatte, sagte am Donnerstag dem Sender Welt TV: „Es gibt für mich keinen Grund für weitere Treffen.“ Er habe den Aktivisten gesagt, dass er nicht mit ihnen über Klimaschutz verhandeln werde, „weil diese Dinge in den Parlamenten entschieden werden – in den Gremien, die demokratisch legitimiert sind“.

Wissing begrüßte in dem Interview die Ermittlungen der Münchner Generalstaatsanwaltschaft gegen die „Letzte Generation“ wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. „Ich halte es für richtig, dass die Justiz hier mit aller Härte des Gesetzes vorgeht“, sagte er. „Ich finde diese Gesetzesbrüche unerträglich.“

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Rund 170 Beamte hatten bei der Razzia am Mittwochmorgen 15 Wohnungen und Geschäftsräume der Klimaschutzgruppe in sieben Bundesländern durchsucht, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das bayerische Landeskriminalamt mitteilten. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bezweifelt, dass die Aktionen der „Letzten Generation“ den Klimaschutz in Deutschland entscheidend voranbringen. Nach vielen Monaten dieser Aktionsform hätten sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für energischeren, radikaleren Klimaschutz „eher nicht verbessert“.

„Und wenn das die Analyse ist, dann sollte man sich, glaube ich, die Frage stellen, ob man nicht vielleicht auf dem Holzweg mit den Aktionsformen unterwegs ist“, sagte Kühnert im Podimo-Podcast „Stand der Dinge“, der von der Deutschen Presse-Agentur produziert wird.

Kühnert fordert von Gruppe „Letzte Generation“ Bilanz

Er nehme Menschen sehr ernst, die für eine Sache in vollem Bewusstsein Regeln brächen und Konsequenzen in Kauf nähmen. Aber er rate dazu, nach vielen Monaten des Aktivismus „einfach mal einen Kassensturz“ zu machen und zu schauen, was sich in der Gesellschaft verändert habe, sagte der 33-Jährige.

Die Frage sei, ob Leute mit durchschnittlichem Einkommen und Wohnsituation jetzt anders auf ihr Auto, ihr Haus, ihren Konsum blickten und zu Veränderungen bereit seien. „Und das kann ich einfach nicht erkennen.“

Die bundesweite Razzia gegen die „Letzte Generation“ spiele für seine Bewertung keine größere Rolle, sagte Kühnert. Ob es sich um eine kriminelle Vereinigung handele, könne er nicht bewerten.  Der Podcast ist abrufbar über Apple Podcasts, Spotify, Amazon Music, Deezer, RTL+ und Podimo.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert rät der Gruppe „Letzte Generation“ dazu, einen „Kassensturz“ zu machen.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert rät der Gruppe „Letzte Generation“ dazu, einen „Kassensturz“ zu machen.

© Imago/Future Image/F. Kern

FDP-Bundesvize Johannes Vogel forderte eine stärkere politische Debatte über den Klimaschutz. Jede Aktion der Umweltaktivisten führe dazu, „dass eine wütende Bürgerin und ein wütender Bürger mehr in diesem Land entsteht und Menschen gegen das Ziel Klimaschutz aufgebracht werden“, sagte Vogel am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“. Das leiste dem Anliegen einen Bärendienst.

Wichtiger ist es aus Sicht des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers der FDP-Fraktion, mehr über die wirksamsten Maßnahmen zu reden, um in 22 Jahren klimaneutral zu sein.

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter hat kein Verständnis dafür, dass sich Politiker anmaßen, eine juristische Einordnung der Gruppe „Letzte Generation“ als kriminelle Vereinigung vornehmen zu können. Im TV-Sender der „Welt“ sagte Hofreiter: „Ich finde es, ehrlich gesagt, immer etwas albern, wenn Dinge, die am Ende Gerichte entscheiden müssen“ von einzelnen Abgeordnete bewertet würden, „als ob sie ganz genau wissen würden, wie die Gerichte entscheiden.“

600 Menschen drückten am Mittwoch ihre Unterstützung für die „Letzte Generation“ aus.
600 Menschen drückten am Mittwoch ihre Unterstützung für die „Letzte Generation“ aus.

© Imago/aal.photo/Jonas Gehring

Die Abgeordneten machten zwar die Gesetze, „aber wir haben zu Recht eine Gewaltenteilung“, so Hofreiter. Er selbst maße sich eine juristische Bewertung nicht an, habe aber Zweifel an einer Einstufung der „Letzten Generation“ als kriminelle Vereinigung.

Grüner Hofreiter kritisiert Politiker für juristische Einordnungen

„Mein Bauchgefühl ist: Sie sind anstrengend, sie helfen nicht so besonders viel für den Klimaschutz oder schaden ihm eher – aber eine kriminelle Vereinigung sehe ich erstmal nicht. Aber wenn, dann entscheiden es die Gerichte.“

Er verstehe, dass die Menschen von der „Letzten Generation“ genervt seien, aber das sei eben etwas anderes, so Hofreiter. „Ich glaube, dass die viele Menschen nerven. Auch fürchte ich, dass die in Richtung Klimaschutz eher polarisierend wirken (…). Aber ob es eine kriminelle Vereinigung ist, ist eine rechtliche Frage. Und ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, dass ziviler Ungehorsam und dass Nervigkeit genügt, um jemanden zur kriminellen Vereinigung zu machen.“

„Letzte Generation“ sieht sich durch Razzien gestärkt

Dennoch müsse man „die einzelnen Straftaten entsprechend verfolgen“, forderte Hofreiter. Aber auch das „machen am Ende die Gerichte“.

Die bundesweite Razzia gegen Aktivisten hat nach Angaben der Gruppe eine Welle der Unterstützung ausgelöst. Sie sei seit „gestern stärker als je zuvor“, schrieb die „Letzte Generation“ in einer Mitteilung. Nach den großangelegten Durchsuchungen am Mittwoch hatten die Aktivisten in vielen Städten zu Protestmärschen, unter anderem in Berlin und München, aufgerufen.

Die Demonstration in der Hauptstadt am Mittwochabend sei die größte bislang gewesen, hieß es weiter. Mehrere hundert Teilnehmer waren gekommen.

Zudem habe die Klimaschutzgruppe viele Spenden erhalten. Sie kündigte an, ihre Proteste wie geplant auszuweiten. „Wir merken, dass ganz, ganz viel Unterstützung gerade kommt. Wir wachsen und wir werden unseren Protest weiter ausweiten, weil wir machen das ja nicht zum Spaß“, sagte Raphael Thelen, Aktivist der „Letzten Generation“, im ARD-„Morgenmagazin“. (lem)

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