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Rund eine Million aus der Ukraine Geflüchtete leben aktuell in Deutschland.

© Imago/Zuma Wire/Sachelle Babbar

„Bürgergeld setzt falsche Anreize“: Politiker von CDU und FDP wollen Hilfen für Flüchtlinge aus der Ukraine überprüfen

Die vor dem Krieg Geflüchteten sind in Deutschland besser gestellt als Asylbewerber. Nun ist eine Debatte entbrannt, wie dies zukünftig aussehen soll.

Der Umgang mit Flüchtlingen und die staatlichen Hilfen für Migranten sind derzeit eines der Top-Themen in der politischen Debatte in Deutschland. Am Montag sollen bei einem Bund-Länder-Treffen voraussichtlich neue Maßnahmen beschlossen werden. Seit dem Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 haben auch Millionen Menschen das angegriffene Land verlassen. Rund eine Million aus der Ukraine Geflüchtete leben aktuell in Deutschland.

Diese erhalten in im Gegensatz zu allen anderen Geflüchteten automatisch Bürgergeld und sind damit bessergestellt. Einem Beschluss der Bundesregierung vom 1. Juni 2022 zufolge bekommen sie damit 502 Euro im Monat statt Asylbewerberleistungen in Höhe von 410 Euro.

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Rund 700.000 Geflüchtete aus der Ukraine beziehen zurzeit Bürgergeld. Nach Angaben von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) werden die Ausgaben dafür im Bundesetat für das nächste Jahr mit 5,5 bis sechs Milliarden Euro veranschlagt.

Angesichts der extrem ungleichen Verteilung der Flüchtlinge in Europa müssen wir über die konkrete Ausgestaltung der Hilfen noch einmal neu nachdenken.

Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsbundestagsfraktion (CDU)

Die Geflüchteten aus der Ukraine dürfen zudem von Anfang an in einer Wohnung statt in einer Gemeinschaftsunterkunft leben. Ukrainerinnen und Ukrainer müssen nach einer EU-Regelung auch keinen Asylantrag in Deutschland stellen.

Politiker von CDU und FDP haben nun eine Änderung der Leistungen für ukrainische Flüchtlinge in die Debatte eingebracht. „Angesichts der extrem ungleichen Verteilung der Flüchtlinge in Europa müssen wir über die konkrete Ausgestaltung der Hilfen noch einmal neu nachdenken“, sagte Thorsten Frei, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsbundestagsfraktion, dem „Spiegel“.

Man müsse der Frage nachgehen, „warum die Zahl der Kriegsflüchtlinge, die hierzulande einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen, so viel niedriger ist als in den anderen europäischen Ländern“.

19
Prozent der nach Deutschland geflüchteten erwerbsfähigen Ukrainer haben dem Bericht zufolge einen sozialversichungspflichtigen Job.

Die Bereitschaft der Bevölkerung, diesen Menschen zu helfen, werde nur erhalten bleiben, sagte der CDU-Politiker, „wenn sie den Eindruck hat, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine zunächst einmal alles versuchen, um sich selbst zu helfen“.

Dem Bericht zufolge haben etwa 19 Prozent der nach Deutschland geflüchteten erwerbsfähigen Ukrainer einen sozialversichungspflichtigen Job – in anderen europäischen Ländern liegt die Quote demnach teilweise deutlich höher. So lag sie 2022 in Polen bei 66, in den Niederlanden sogar bei schätzungsweise 70 Prozent, wie das Magazin unter Berufung auf eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung schreibt.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kritisierte, „dass das Bürgergeld an alle de facto bedingungslos gezahlt wird“. Es müsse „doch klar sein, dass jeder, der in Deutschland Sozialleistungen bezieht und arbeiten kann, auch arbeiten gehen muss“, sagte Linnemann.

Widerspruch aus anderen Parteien der Ampelkoalition

Unterstützung aus der Ampelkoalition bekommen die CDU-Politiker vom FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler. „Das Bürgergeld setzt falsche Anreize für Flüchtlinge – auch für die aus der Ukraine“, sagte er.

Widerspruch kommt dagegen aus den anderen Koalitionsparteien. „Was uns nicht helfen wird, sind Leistungskürzungen und Stimmungsmache gegen Geflüchtete“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh. Deutschland habe sich bewusst dazu entschieden, den Ukrainerinnen und Ukrainern beizustehen. „Das sollte man in so einer Debatte nicht leichtfertig revidieren“, so Lindh.

Die Grünenvorsitzende Ricarda Lang drückt es ähnlich aus. „In der aktuellen Debatte dürfen wir nicht in einen Überbietungswettbewerb um die vermeintlich härteste Forderung verfallen“, sagte sie dem Bericht zufolge. „Stattdessen gilt es das voranzutreiben, was den Kommunen vor Ort tatsächlich hilft.“

Migrationsexperte kritisiert Debatte um Geflüchtete aus der Ukraine

Herbert Brücker, Leiter des Bereichs Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, sieht dem Bericht zufolge keinen Zusammenhang zwischen Bürgergeld und Arbeitsquote. „Das Bürgergeld ist ja nicht mal sehr viel höher als die Leistungen, die Asylbewerber bekommen“, sagt der Experte. Dass die Differenz von 92 Euro „den großen Unterschied“ mache, könne er sich nicht vorstellen.

Etwa 70 Prozent der arbeitslosen Ukrainerinnen und Ukrainer besuchten derzeit Sprachkurse oder machten eine Ausbildung. „Diese Menschen stehen dem Arbeitsmarkt natürlich nicht wirklich zur Verfügung“, sagte er dem Blatt.

Sie könnten durch diese Kurse jedoch langfristig besser an Jobs gelangen, die ihrer Qualifikation entsprechen. Zudem seien etwa 80 Prozent der Geflüchteten Frauen, die Kinder oder ältere Angehörige versorgten.

Mit der Zeit würden außerdem deutlich mehr Ukrainer Jobs bekommen, sagte der Experte. So sei es auch bei Geflüchteten aus anderen Ländern gewesen.

„Nach sechs Jahren liegt Deutschland bei der Erwerbstätigenquote unter Geflüchteten mit 54 Prozent klar vor anderen Ländern.“ (lem)

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