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Umweltbewusstseinsstudie: Bürger wollen weniger Autos in Städten

Die Umwelt wird von den Deutschen nicht mehr als Problem wahrgenommen, sondern als Voraussetzung für Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft

Das Auto ist nicht mehr das Maß der Dinge; und das im Autoland Deutschland. Das ist eines der Ergebnisse der Umweltbewusstseinsstudie, die Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Montag in Berlin vorgestellt hat. Die „autozentrierte Stadt“ sähen die Deutschen inzwischen eher als Belastung, sagte Hendricks. Auf die Frage, ob Städte und Gemeinden so umgestaltet werden sollten, dass der Alltag mit kurzen Fußwegen, dem Fahrrad oder öffentlichem Nahverkehr zu bewältigen ist, antworteten 82 Prozent der mehr als 2000 Teilnehmer an der erstmals online erhobenen Umfrage mit Ja. Bei den 14- bis 17-Jährigen lag die Zustimmung bei 92 Prozent.

Indizien, dass sich diese Einstellung auch im Verhalten wiederfindet, sind der Erfolg von Carsharing-Firmen in den Städten und die stetige Zunahme von Ausleih-Stationen auch für andere „Gegenstände, die nicht ständig gebraucht werden“, sagte die Chefin des Umweltbundesamtes (UBA), Maria Krautzberger. Hendricks wies darauf hin, dass die Elektro-Fahrräder den Umstieg „vom Stau in den Sattel“ noch weiter erleichtern könnten. Im Ruhrgebiet sei sogar eine Art „Fahrrad-Autobahn“ von rund 100 Kilometer Länge geplant, um Pendlern den Umstieg schmackhaft zu machen.

Umweltprobleme stehen auf Platz fünf der wichtigen Themen

Die Studie zeigt eine grundlegende Verschiebung des Umweltthemas im öffentlichen Bewusstsein. Nur noch 19 Prozent der Deutschen halten den Zustand der Umwelt für ein großes Problem. Dafür ist eine größer werdende Mehrheit der Meinung, dass die Umweltpolitik eine Voraussetzung dafür ist, Zukunftsaufgaben wie beispielsweise die Globalisierung zu meistern. Das sehen 63 Prozent der Befragten so. 2012 waren es noch 40 Prozent. Umweltschutz gilt demnach nicht mehr als „Jobkiller“, wie die aktuelle Braunkohledebatte glauben machen könnte, sondern als Arbeitsplatzschaffer. Um Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu sichern, halten 56 beziehungsweise 48 Prozent Umweltpolitik für notwendig. Hendricks freut sich darüber, dass die Bevölkerung schon viel weiter ist, und Wirtschaft und Umweltschutz nicht mehr als Gegensatz wahrnimmt.

Das gilt aber nicht für sozialpolitische Fragen. Da gilt die Umweltpolitik eher als Hindernis. Lediglich 35 Prozent der Befragten halten Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit für vereinbar. Da dürfte die Debatte um die Kosten der Wärmedämmung die die steigenden Mieten in den Städten eine Rolle gespielt haben. Hendricks will darum kämpfen, dass "Umweltschutz auch als Thema der sozialen Gerechtigkeit wahrgenommen wird". Maria Krautzberger wies auf mehrere UBA-Studien hin, die nachgewiesen hatten, dass sozial schlechter Gestellte öfter unter Umweltbeeinträchtigungen zu leiden haben, als Leute mit mehr Geld. Sie müssen entlang stark befahrener Straßen leben und leiden unter dem Lärm aber auch unter der Feinstaubbelastung. Beides schadet der Gesundheit. Dennoch sehen die Deutschen den Umweltschutz bisher nicht als Beitrag zur Gesundheitsvorsorge.

In Großbritannien wird diese Verbindung bereits hergestellt. Der britische Energieeffizienzexperte Steven Fawkes berichtete vor kurzem in Berlin, dass Ärzte auf der anderen Seite des Ärmelkanals inzwischen die Verbesserung der Energieeffizienz in Häusern verordnen können. Fawkes sagte das bei einem Vortrag bei der Initiative für Energieeffizienz und Finanzierung Effin der Umweltstiftung WWF und der Effizienzinitiative der Wirtschaft Deneff.

Das gute Leben

Maria Krautzberger betonte in Berlin, dass Natur- und Umweltschutz für 30 Prozent der Befragten zum "guten Leben" dazu gehörten. Nur Gesundheit wird noch ein höherer Stellenwert zugemessen. Da Umweltpolitik in erster Linie Vorsorgepolitik sei, passten diese beiden Anliegen auch gut zusammen, sagte Krautzberger.

Mit dem Zustand der Umwelt in Deutschland sind die Befragten überwiegend zufrieden. Krautzberger wundert das nicht. Denn die Umweltprobleme, die Deutschland hat, könne man "nicht sehen und nicht riechen". Der Feinstaub ist so fein, dass er zwar in den Lungen der Betroffenen nachgewiesen werden kann, aber zu sehen ist er nicht. Fabrikschlote und Autoauspüffe stinken schon lange nicht mehr so, dass es stört. Nur vom Lärm sind viele Deutsche genervt, am meisten übrigens vom Autolärm.

Die Einschätzung der globalen Umweltlage ist deutlich pessimistischer. Die Deutschen sehen aber auch, dass die Lebensweise in den Industriestaaten zu Umweltproblemen insbesondere in Entwicklungsländern beiträgt. Diesen Zusammenhang bejahten 54 Prozent der Befragten. Was wohl beweist, dass Entwicklungsorganisationen und Umweltverbände mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit bei den Deutschen ankommen. Die Umweltverbände stehen auch in der zehnten Umweltbewusstseinsstudie hoch im Ansehen der Befragten.

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