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Karl Lauterbach ist Bundesgesundheitsminister.

© IMAGO/Bettina Strenske

Update

Bundesweite Razzien und Festnahmen: Rechtsextremisten planten offenbar Anschläge und Entführung von Lauterbach

Mitglieder der Telegram-Gruppe „Vereinte Patrioten“ wollten die Demokratie zum Einsturz bringen. Auch mit einem bundesweiten Stromausfall.

Von Frank Jansen

Ermittler sind in mehreren Bundesländern gegen Mitglieder einer Chatgruppe mit dem Namen „Vereinte Patrioten“ vorgegangen, die auf Telegram Sprengstoffanschläge und Entführungen „bekannter Personen des öffentlichen Lebens“ geplant haben soll. Das teilte die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz am Donnerstag gemeinsam mit dem Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz mit.

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Nach Informationen des ARD-Politmagazins Report Mainz sollte in einer Aktion namens „Klabautermann“ auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entführt werden. Lauterbach selbst erklärte nach Bekanntwerden der Ermittlungsergebnisse, sich von mutmaßlichen Entführungsplänen nicht einschüchtern lassen zu wollen. Das Bundeskriminalamt sagte dem Tagesspiegel, die Erkenntnisse aus den Ermittlungen „wurden bei den getroffenen Schutzmaßnahmen für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach berücksichtigt“. Man habe sich eng mit dem Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz und der Generealstaatsanwaltschaft Koblenz abgestimmt.

Den Angaben der Generalstaatsanwaltschaft zufolge gab es am Mittwoch Durchsuchungen in 20 Objekten. Schwerpunkt war Rheinland-Pfalz mit 5 Objekten, weitere Durchsuchungen gab es in Baden-Württemberg, Brandenburg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen. Im Einsatz waren rund 270 Beamtinnen und Beamte, darunter auch Spezialeinheiten.

Rechtsextremisten, Reichsbürger und Coronaleugner

Beschuldigt werden demnach zwölf Deutsche im Alter von 55, 54, 50, 42 und 41 Jahren, vorgeworfen werden ihnen die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Verstöße gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz.

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Bei den Durchsuchungen wurden 22 Schusswaffen, darunter ein Kalaschnikow-Sturmgewehr, Munition, Bargeld, Goldbarren und Silbermünzen sichergestellt. Vier Beschuldigte seien festgenommen worden, gegen sie seien Haftbefehle beantragt worden. „Wer Kriegswaffen besitzt, Anschläge plant und einen Systemumsturz anstrebt, muss die Konsequenz und volle Härte des Staats spüren“, sagte am Donnerstag der Innenminister von Rheinland-Pfalz, Roger Lewentz (SPD). „Wir dulden keine rechten Gewalttäter und Verfassungsfeinde. Die verabscheuungswürdigen Bestrebungen dieser Täter wurden im Keim erstickt.“

Faeser sieht neue Qualität der Bedrohung

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist entsetzt. „Die Ermittlungen offenbaren einen Abgrund“, sagte Faeser. „Sie zeigen eine schwerwiegende terroristische Bedrohung. Bewaffnete Reichsbürger und radikalisierte Corona-Leugner verbindet ein grenzenloser Hass auf die Demokratie, auf unseren Staat und auf Menschen, die für unser Gemeinwesen einstehen.“ Die Entführungspläne gegen Karl Lauterbach und die gewaltsamen Umsturzfantasien „zeigen eine neue Qualität der Bedrohung“, warnte die Ministerin.

Sie betonte aber auch, „Karl Lauterbach und wir alle als Demokratinnen und Demokraten lassen uns nicht einschüchtern.“ Faeser ist zudem genervt von Telegram. „Erneut haben sich gewaltbereite Extremisten und Corona-Leugner auf Telegram vernetzt und radikalisiert“, sagte die Ministerin. „Das zeigt, wie wichtig es ist, mit aller Konsequenz gegen extremistische und terroristische Bedrohungen auf dieser Plattform vorzugehen. Diese harte Gangart werden wir fortsetzen.“

Aufstand am „Tag X“

Nach Informationen des Tagesspiegels ist die Chatgruppe „Vereinte Patrioten“ offenbar eine typische Telegram-Gruppe aus einer Mischszene von Extremisten. Zu den Mitgliedern zählen Rechtsextremisten, Reichsbürger und fanatische Coronaleugner. Die Gruppe suchte noch Gleichgesinnte für einen gewaltsamen Aufstand am „Tag X“. In Sicherheitskreisen hieß es, auch das Bundesamt für Verfassungsschutz habe bei der Aufdeckung der Gruppe eine Rolle gespielt. Innenminister Lewentz verwies zudem auf einen Hinweis des Verfassungsschutzes von Rheinland-Pfalz auf die Chatgruppe.

Konkret soll die Gruppierung, zu der etwa 70 Mitglieder zählen sollen, zunächst geplant haben, mit einer „Aktion Blackout“ Anschläge auf Stromleitungen und Umspannwerke auszuführen und damit die Stromversorgung zusammenbrechen lassen wollen. Danach sollte bei der „Aktion Klabautermann“ Gesundheitsminister Lauterbach entführt werden.

„Damit sollten nach der Vorstellung der Beschuldigten bürgerkriegsähnliche Zustände verursacht und schließlich das demokratische System in Deutschland gestürzt werden“, hieß es in der Mitteilung. In einem dritten Schritt sei dann die Übernahme der Regierung angestrebt worden.

Die Ermittlungen gegen die Gruppe liefen seit Oktober vergangenen Jahres. Am Mittwoch hatten die Behörden in Rheinland-Pfalz die Festnahme mehrerer mutmaßlicher Mitglieder der Gruppe bekanntgegeben.

Schwerwiegende terroristische Bedrohung

Das Problem bei solchen Ermittlungsverfahren sei immer die Frage, ob man es lediglich mit „Spinnern“ zu tun habe, die sich im Internet profilieren und vor ihren Mitstreitern „großmäulig“ angeben wollten, erklärte der Koblenzer Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer. „In diesem Fall war es aber anders, nämlich in dem Moment, als es darum ging, die Waffen zu beschaffen.“ Die Gruppierung habe sich Geld und Waffen besorgt. „Da war für uns eben klar: Wir haben es nicht nur mit Spinnern zu tun, sondern mit gefährlichen Straftätern, die ihre Pläne auch umsetzen wollen und wahrscheinlich auch können.“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach von einer „schwerwiegenden terroristischen Bedrohung“. Die SPD-Politikerin fügte hinzu: „Die Ermittlungen offenbaren einen Abgrund.“ Bewaffnete Reichsbürger und radikalisierte Corona-Leugner verbinde ein grenzenloser Hass auf die Demokratie, auf den Staat und auf Menschen, die für das Gemeinwesen einstehen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte der „Rheinischen Post“: „Wer Anschlags- und Entführungspläne verfolgt, legt Axt an unsere freiheitliche Demokratie. Umso mehr bin ich froh, dass unsere Sicherheitsbehörden offenbar sehr gute Ermittlungsarbeit geleistet haben.“

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) sagte, es handele sich bei den Plänen um „Rechtsterrorismus“. Der Ermittlungserfolg sei von Rheinland-Pfalz ausgegangen, der dortige Verfassungsschutz habe die entscheidenden Hinweise gegeben. Der Fall zeige auch, dass die Bürger sich darauf verlassen könnten, vom Staat geschützt zu werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb auf Twitter: „Meine Solidarität gilt Karl Lauterbach: Jeder in Deutschland darf seine Meinung sagen. Aber unsere Freiheitsrechte haben Grenzen.“ Diese seien überschritten, wenn mit Gewalt gedroht werde. „Wir werden die Feinde unserer Demokratie mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpfen“, betonte der SPD-Politiker.

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Lauterbach will sich nicht beirren lassen

Bundesgesundheitsminister Lauterbach zeigte sich „bestürzt“ über den möglichen Entführungsplan gegen ihn. Er bedankte sich bei den ermittelnden Behörden und dem Bundeskriminalamt „für den guten Schutz und die Überwachung. Davon habe ich offensichtlich profitiert und dafür bin ich sehr dankbar“, sagte er. Der Vorgang zeige, dass sich die Corona-Proteste nicht nur radikalisiert hätten, sondern dass es mittlerweile auch darum gehe, den Staat und die Demokratie zu destabilisieren.

Beirren lassen will er sich nicht: „Manchen Covid-Leugnern geht es nicht um den Kampf gegen Impfungen oder Corona-Auflagen. Sie kämpfen gegen unsere demokratische Grundordnung“, sagte Lauterbach der „Bild am Sonntag“.

„Damit werden sie aber keinen Erfolg haben. Ich lasse mich dadurch nicht beirren, sondern setze mich weiter für die gesamte Bevölkerung ein. Dieses Beispiel zeigt die Zerrissenheit unserer Gesellschaft. Diese Spaltung zu überwinden und Vertrauen zurückzugewinnen, bleibt Ziel meiner Politik.“ Lauterbach hatte wiederholt von Drohungen gegen ihn berichtet.

Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen hatte im Jahresbericht 2021, der vergangene Woche vorgestellt wurde, massive Anfeindungen gegen den Bundesgesundheitsminister erwähnt. „Das Spektrum der Einschüchterungsversuche umfasst Drohungen per E-Mail, eine Kundgebung vor seiner privaten Wohnung, eine Sachbeschädigung an seinem Auto und das Einwerfen einer Fensterscheibe seines Kölner Bundestagsbüros“, hieß es im Report.

Fanatiker wollen Bürgerkrieg

Vergangene Woche waren die Bundesanwaltschaft und das Bundeskriminalamt mit einer Razzia in elf Bundesländer gegen mehrere rechtsextreme Gruppierungen vorgegangen. Dabei ging es unter anderem um Aktivitäten der „Atomwaffen Division“, die mit Terrorangriffen ebenfalls einen Bürgerkrieg auslösen will. (mit dpa)

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