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Vor der Küste Libyens sterben jedes Jahr Menschen.

© picture alliance/dpa/AP

Bundeswehr-Einsatz vor Küste Libyens: Bundesregierung bekennt sich zu Seenotrettung im Mittelmeer

Die Bundesregierung will den Einsatz der Bundeswehr im Mittelmeer verlängern. Die umstrittene libysche Küstenwache soll dabei nicht mehr ausgebildet werden.

Der Bundeswehr-Einsatz im Mittelmeer zur Durchsetzung des Waffenembargos gegen die Parteien im libyschen Bürgerkrieg soll verlängert werden. Das Kabinett beschloss am Mittwoch den Antrag auf Verlängerung des Mandats für die Teilnahme an der EU-Mission Irini um ein Jahr bis Ende April 2023, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitteilte. Über die Fortsetzung des Einsatzes entscheidet nun der Bundestag.

Von deutscher Seite sollen weiterhin bis zu 300 Soldatinnen und Soldaten entsandt werden können. Aktuell wird diese Obergrenze nach Angaben des Einsatzführungskommandos aber weit unterschritten, da kein deutsches Schiff im Rahmen der Mission im Einsatz sei.
Erstmals bekennt sich die Bundesregierung in dem Mandatstext dabei auch aktiv für die Seenotrettung im Mittelmeer. "Für alle im Rahmen von [...] Irini eingesetzten seegehenden Einheiten gilt die völkerrechtliche Verpflichtung zur Hilfeleistung für in Seenot geratene Personen", heißt es in dem gemeinsamen Schreiben des Auswärtigen Amts und des Verteidigungsministeriums. Weiter heißt es dort, die Bundesregierung werde sich auf europäischer Ebene "für eine staatlich koordinierte und europäische getragene Seenotrettung im Mittelmeer" engagieren.

Vor diesem Hintergrund haben die Ampel-Koalitionäre die umstrittene Ausbildung der libyschen Küstenwache aus dem Aufgabenkatalog gestrichen. Hintergrund sei "das wiederholt inakzeptable Verhalten einzelner Einheiten der libyschen Küstenwache gegenüber Flüchtlingen und Migranten und auch gegenüber Nichtregierungsorganisationen", sagte dazu eine Sprecherin des Auswärtigen Amts.

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Erst am Dienstag hatte die Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" in ihrem Jahresbericht scharfe Kritik auch an Libyen geübt. Demnach seien 2021 mehr als 30.000 Migranten im zentralen Mittelmeer von der libyschen Küstenwache gewaltsam nach Libyen gebracht worden.

Auch an den Wüstengrenzen in Libyen, die von vielen Migranten aus Süden kommend überquert wird, soll es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen durch den Grenzschutz kommen. Berichte von Misshandlungen und Massengräbern werden derzeit von UN-Ermittlern untersucht.

Grünen-Politiker: "Meilenstein" für Flucht- und Migrationspolitik

Julian Pahlke, früher selbst Seenotretter auf dem Mittelmeer und seit September Bundestagsabgeordneter für die Grünen, nannte die Änderungen im Irini-Mandat einen "Meilenstein" für die Flucht- und Migrationspolitik. "Die sogenannte libysche Küstenwache hat brutale und skrupellose Menschenrechtsverletzungen begangen, Menschen auf der Flucht abgefangen und sie zurück in libysche Foltergefängnisse gebracht", sagte Pahlke dem Tagesspiegel. Er sei erleichtert, dass die Ausbildung aus dem Mandat gestrichen wurde. "Sie war falsch und beschämend."

Früher Seenotretter, jetzt Bundestagsabgeordneter. Julian Pahlke sitzt für die Grünen im Parlament.
Früher Seenotretter, jetzt Bundestagsabgeordneter. Julian Pahlke sitzt für die Grünen im Parlament.

© promo

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums wies allerdings darauf hin, eine solche Ausbildung habe auch bisher schon de facto nicht stattgefunden. Insofern sei die Änderung im Mandat auch "eine Anpassung an die Realität". Theoretisch sind auch die Irini-Schiffe verpflichtet, Geflüchteten in Seenot Hilfe zu leisten. De facto wurde aber das Operationsgebiet so gewählt, dass Flüchtlingsrouten normalerweise nicht berührt werden.

Grünen-Politiker Pahlke hält das Bekenntnis zur Seenotrettung dennoch für einen "ersten Schritt weg von der menschenverachtenden Politik von CDU und CSU". Vor allem Ex-Innenminister Horst Seehofer (CSU) war in der Vergangenheit immer wieder von Seenotrettern für seine rigide Migrationspolitik kritisiert worden. "Dass es im Mandat nun ein klares Bekenntnis zur Seenotrettung gibt, ist eine grundlegende Veränderung", sagte Pahlke.

Die Mission Irini im Mittelmeer war 2020 mit dem Ziel gestartet worden, Waffenlieferungen nach Libyen zu unterbinden. Zudem soll die illegale Ausfuhr von Rohöl oder Ölprodukten aus Libyen verhindert werden. Die Mission solle "aktiv zum Friedensprozess des Landes beitragen", sagte Hebestreit. Weiteres Ziel der Mission bleibt demnach die Bekämpfung von Schleusernetzwerken. (mit AFP)

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