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Tempo, Tempo. Der Rausch der einen ist die Gefahr der anderen.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Umstrittenes Strafgesetz: Bundesverfassungsgericht bestätigt Raser-Paragraf

Wer aufs Gaspedal drückt, um maximal Tempo zu machen, riskiert eine Haftstrafe. Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt, entschied das Gericht

Autofahrer können wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens bestraft werden, auch wenn sie das Rennen nur gegen sich selbst fahren. Eine entsprechende Vorschrift des Strafgesetzbuchs hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag als verfassungskonform bestätigt (Az.: 2 BvL 1/20). Der so genannte Raser-Paragraf 315d sei hinreichend konkretisiert und verletzte daher nicht das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot. Insbesondere sei es den Gerichten möglich, die umstrittene Formel „um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“ methodengerecht auszulegen.

Anlass für das Verfahren in Karlsruhe war eine Vorlage des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen, das den Inhalt des Paragrafen als zu unbestimmt kritisiert. Der juristische Hintergrund ist, dass Strafnormen exakt beschreiben müssen, welches Verhalten strafbar ist, weil die Justiz sonst für Bürgerinnen und Bürger unberechenbar wird und Gerichte den Tatbestand nicht mehr zielgerecht anwenden können. Entsprechende Vorwürfe wurden auch gegen den Raser-Paragrafen 315d erhoben, soweit dieser auch so genannte Einzel- oder Alleinrennen unter Strafe stellt.

Eingeführt wurde der Paragraf im Jahr 2017, nach dem Rennen auf dem Kudamm

Eingeführt wurde der Paragraf im Jahr 2017 als Reaktion auf verschiedene mit illegalen Autorennen in Zusammenhang stehende Unfälle, unter anderem auf dem Berliner Kudamm im Jahr 2016. Mit Haft bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe wird danach bestraft, wer ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen veranstaltet oder daran teilnimmt. Als dritte Variante nennt der Tatbestand, dass sich ein Fahrer „mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.“

Dem Amtsgericht Villingen-Schwenningen lag der Fall eines Fahrers vor, der auf der Flucht vor der Polizei teils in geschlossenen Ortschaften zwischen 80 und hundert Stundenkilometern schnell gefahren sein soll. Er ignorierte rote Ampeln und kollidierte wegen des hohen Tempos mit einem anderen Verkehrsteilnehmer. Sein Verteidiger hatte argumentiert, eine Strafbarkeit wegen Paragraf 315d komme nicht in Frage, da das Fluchtfahrzeug weit höhere Geschwindigkeiten hätte erreichen können.

Gerichte hatten mit der Formulierung Probleme

Auch andere Gerichte hatten mit der Gesetzesformulierung ihre Probleme. Ist Voraussetzung für eine Strafbarkeit, dass ein Fahrer die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit seines Autos voll ausfahren will? Oder muss es ihm darum gehen, das Tempo so hoch wie möglich zu halten?

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In seinem Beschluss stellt das Bundesverfassungsgericht nun fest, dass die Gerichte die Formel durchaus handhaben könnten. So könnte etwa die Gesetzesbegründung herangezogen werden, die auf Straßen- Sicht und Wetterverhältnisse verweise. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu sei beispielhaft. Gleiches gilt aus Sicht der Karlsruher Richterinnen und Richter für andere Tatbestandsmerkmale wie „grob verkehrswidrig“ und „rücksichtslos“ oder das Fahren „mit nicht angepasster Geschwindigkeit“. Im Ergebnis dürfte dies darauf hinauslaufen, dass Autofahrer bestraft werden können, die die nach den jeweiligen Umständen maximalen Geschwindigkeiten aus ihren Gefährten herauskitzeln wollen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) nannte den Karlsruher Beschluss ein gutes Zeichen: „Bei illegalen Autorennen oder Verfolgungsfahrten setzen die Fahrerinnen und Fahrer alles aufs Spiel – auch das Leben völlig Unbeteiligter.“

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