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Am Karfreitag kam es im Gazastreifen an der Grenze zu Israel zu blutigen Unruhen. Mindestens 15 Palästinenser wurden dabei getötet, rund 1400 wurden verletzt.

© AFP/Mahmud Hams

Update

Naher Osten: Bundesregierung „äußerst besorgt“ über Gaza-Zusammenstöße

Die deutsche Regierung ruft angesichts der Gewalteskalation bei Protesten im Gaza-Streifen zur Besonnenheit auf. Die UN fürchten eine Verschlimmerung der Lage.

Nach den blutigen Zusammenstößen von Palästinensern und israelischen Soldaten am Rande des Gazastreifens hat die Bundesregierung alle Beteiligten zu Besonnenheit aufgerufen. Die Bundesregierung sei wegen der Zusammenstöße „äußerst besorgt“, teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Samstag mit. „Wir rufen die Beteiligten dringend dazu auf, alles zu unterlassen, was eine weitere Eskalation hervorrufen und erneut Menschen gefährden würde.“ Die Ausübung des Rechts auf Meinungsäußerung und friedlichen Protest dürfe nicht missbraucht werden, um die legitimen Sicherheitsinteressen Israels an der Grenze zu den palästinensischen Gebieten zu verletzen. Die Verteidigung dieser legitimen Interessen müsse gleichwohl verhältnismäßig erfolgen.

„Dieser Vorfall zeigt erneut, wie dringend nötig es ist, dass beide Seiten wieder Verhandlungen aufnehmen“, so der Außenamtssprecher. „Nur so kann eine Lösung gefunden werden, die allen Menschen zwischen Mittelmeer und Jordan ein Leben in Würde und Selbstbestimmung erlaubt.“

UN-Sicherheitsrat bespricht die Eskalation der Gewalt

Zuvor hatte sich schon UN-Generalsekretär António Guterres „zutiefst besorgt“ geäußert. Seine Gedanken seien bei den Angehörigen der Opfer, sagte ein Sprecher des Generalsekretärs am Freitag (Ortszeit) in einer Stellungnahme. Der UN-Sicherheitsrat trat wegen der Gewalteskalation in der Nacht zum Karsamstag in New York zusammen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas rief einen nationalen Tag der Trauer aus.

Bei den Massenprotesten hatten am Freitag israelische Sicherheitskräfte nach palästinensischen Angaben mindestens 15 Palästinenser erschossen. Mehr als 1400 wurden verletzt, die meisten davon durch Tränengas. Der Sicherheitsrat wollte sich in einer geschlossenen Sitzung über die Vorgänge informieren lassen, erklärte ein UN-Diplomat der Deutschen Presse-Agentur.

Palästinensischer Botschafter nennt Israels Vorgehen "Massaker"

Der palästinensische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Rijad Mansur, berichtete im Vorfeld der Sicherheitsratssitzung sogar von 17 Toten. Darunter seien auch Kinder. Sein Land betrachte die Handlungsweise Israels als „ein riesiges Massaker gegen unser Volk“, sagte Mansur. Er forderte den Sicherheitsrat zum Handeln auf. Das UN-Organ müsse sich ernsthaft darum kümmern, die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen.

Nach palästinensischen Medienberichten waren am Freitag mehr als 20.000 Menschen zu einem „Marsch der Rückkehr“ gekommen. Die radikal-islamische Hamas wollte mit der Aktion ihren Anspruch auf ein „Recht auf Rückkehr“ für palästinensische Flüchtlinge und deren Nachkommen in das Gebiet des heutigen Israels untermauern. Israel lehnt eine Rückkehr in das eigene Staatsgebiet ab.

Am Samstag blieben in den Palästinensergebieten und in Ost-Jerusalem die Läden geschlossen. Der Generalstreik bezog sich auch auf Privatschulen, die samstags offen sind. Am Samstag sollten die Toten in Gaza beerdigt werden. Die Bevölkerung wurde dazu aufgerufen, die Verletzten zu besuchen.

Israel bezeichnet das Vorgehen der Hamas als "organisierten Terrorakt"

Israel warf der Hamas eine gezielte Provokation vor. „Was wir gestern gesehen haben, war ein organisierter Terrorakt“, sagte der israelische Armeesprecher Ronen Manelis Journalisten am Samstag.

Nach Angaben des israelischen Militärsprechers waren alle Todesopfer Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren. „Die große Mehrheit von ihnen kennen wir als Terroraktivisten“, sagte Manelis. Insgesamt hätten an dem Marsch rund 30.000 Palästinenser teilgenommen, die große Mehrheit davon Frauen und Kinder. Doch nur wenige Tausend seien bis zum Grenzzaun vorgedrungen.

Der Militärsprecher warf der Hamas-Führung vor, auf zynische Weise Frauen und Kinder zu gefährden. Man könne keinesfalls von einer friedlichen Demonstration an der Gaza-Grenze sprechen. Viele Palästinenser hätten „pure Gewalt“ eingesetzt und Soldaten mit Steinen und Brandsätzen beworfen, Reifen in Brand gesetzt und versucht, den Grenzzaun zu beschädigen. Es habe auch Versuche gegeben, Raketen auf Israel abzufeuern. Nur aktive Gewalttäter seien getötet worden, keine friedlichen Demonstranten, betonte er.

Die Hamas sei nicht mehr in der Lage, die Bedürfnisse der Gaza-Einwohner zu befriedigen und versuche nun, deren „negative Energie gegen Israel zu kanalisieren“.

Es gebe auch Geheimdienstinformationen, dass militante Palästinenserorganisationen die Proteste für Anschläge auf israelische Ziele nutzen wollten. Israel werde keinerlei Grenzverletzungen dulden, sagte der Armeesprecher. „Wir werden kein Vordringen von Massen auf unser Gebiet erlauben.“ Sollten die Proteste wie angekündigt in den nächsten Tagen und Wochen andauern, „werden wir keine Wahl haben, als auch innerhalb des Gazastreifens zu reagieren“, sagte Manelis.

UN befürchtet Eskalation

Die Vereinten Nationen fürchteten, dass sich die Situation in Gaza in den kommenden Tagen verschlimmern könnte, sagte der stellvertretende Untergeneralsekretär für politische Angelegenheiten, Tayé-Brook Zerihoun, in einem Briefing des Sicherheitsrats. Er ermahnte Israel zur Aufrechterhaltung seiner Verantwortung unter humanitärem Recht. Tödliche Gewalt dürfe nur als letztes Mittel angewandt werden. Zivilisten dürften nicht zum Ziel werden, vor allem keine Kinder.

Der UN-Generalsekretär forderte „unabhängige und transparente Ermittlungen“ zu den Vorfällen. Zudem rief er die Beteiligten auf, auf jegliche Handlungen zu verzichten, die zu weiteren Todesfällen führen oder die Zivilbevölkerung gefährden könnten. Die Tragödie vom Freitag zeige die Dringlichkeit, mit der der Friedensprozess im Nahen Osten wiederbelebt werden müsse, um es Palästinensern und Israelis zu ermöglichen, in Frieden und Sicherheit als Nachbarn zu leben.

Die Proteste in Gaza sollen bis zum 15. Mai dauern. Anlass sind die Feiern zum 70. Jahrestag der Gründung Israels. Die Palästinenser begehen den 15. Mai als Nakba-Tag (Tag der Katastrophe), weil im ersten Nahost-Krieg 1948 rund 700.000 Palästinenser flohen oder vertrieben wurden. (dpa)

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