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Was die Grundsteuer betrifft, bleibt Berlin weiterhin geteilt.

© picture alliance / Bernd Settnik

Grundsteuerreform: Bund und Länder starten ihre Beratungen

Am Mittwoch beraten Bund und Länder über eine Grundsteuerreform. Mehrere Berechnungsmodelle stehen zur Auswahl, die Debatte kommt gerade in Bewegung.

Sie kommt auf Hauseigentümer zu, auf Unternehmen, auf Mieter: Die Grundsteuer betrifft alle, und sie muss neu geregelt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht vor zwei Wochen entschieden, weil die bisherige Bewertungsgrundlage einen gravierenden Mangel hat: Sie steht nicht mehr im Einklang mit den tatsächlichen Werten von Grundstücken. Sie basiert auf völlig veralteten Maßstäben, nämlich Einheitswerten von 1964 (im Westen) oder sogar von 1935 (im Osten). Berlin ist daher, was die Grundsteuer betrifft, immer noch eine geteilte Stadt. Bald nicht mehr. Bis Ende 2019, so die Karlsruher Richter, muss eine Neuregelung stehen, spätestens 2024 muss sie umgesetzt sein. Am Mittwoch kommen Verantwortliche aus Bund und Ländern zusammen, um zu beraten, was machbar ist.
Zwar haben die Finanzminister in Aussicht gestellt, dass die Neuregelung aufkommensneutral sein soll – das Volumen der Grundsteuer, derzeit bei etwa 14 Milliarden Euro, soll nicht steigen. Aber die Steuer, die allein den Kommunen zusteht, die mit Hebesätzen auch die Höhe mitbestimmen können, wird individuell natürlich anders ausfallen als bisher. Es wird Gewinner geben und Verlierer (im Osten Berlins wird sie daher auch eher steigen als fallen). Bis eine Entscheidung steht, was noch Monate dauern kann, wird es darüber Ungewissheit geben. Dass in der Breite die Grundsteuerbelastung steigt, ist freilich nicht anzunehmen. Ralph Henger vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln warnt daher vor „Angstmache“.
Der Steuerexperte hat für den Tagesspiegel einmal die Situation in Berlin berechnet. Das ist nicht einfach, da Grund und Boden und jedes Gebäude separat zu sehen sind, je nach Modell, nach Alter, nach Nutzung. Das ist auch der Grund, warum die Länder für das Reformvorhaben, das sie 2016 mit großer Mehrheit im Bundesrat beschlossen haben, eine Vorbereitungszeit von mehreren Jahren reklamierten – alles muss neu bewertet werden in ihrem so genannten Kostenwertmodell. In ihm basiert die Grundsteuer auf dem Bodenwert, dem Gebäudewert, aber auch einer pauschalen Herstellungskostenkomponente, die zudem mit einem Wertminderungsfaktor je nach Alter kombiniert wird. In Konkurrenz dazu steht das Flächensteuermodell, das Bayern und Hamburg vertreten und bei dem die Fläche des Grundstücks und die Fläche der Gebäude ohne Bewertung pauschal besteuert wird. Und es gibt noch die reine Bodenwertsteuer, bei der Gebäude keine Rolle spielen und die auf den Bodenrichtwerten aufbaut, die regelmäßig aktualisiert werden.

Bisher galt das Kostenwertmodell als Favorit für eine Reform

Nimmt man Hengers Berechnungen (für ein typisches Einfamilienhaus und ein typisches Mehrfamilienhaus in Berlin jeweils Baujahr 1969), zeigt sich ein überraschender Effekt: Mit drastischen Steigerungen ist nicht unbedingt zu rechnen, wenn die Länder und Kommunen bei den Steuermesszahlen und den Hebesätzen entsprechend reagieren. Der IW-Experte hat zusammen mit seinem Kollegen Thilo Schaefer für jedes Modell einen aufkommensneutralen Hebesatz errechnet. Aktuell liegt er in Berlin bei 810 Prozent – beim Kostenwertmodell müssten es demnach 550 Prozent sein (der Senat müsste also Wertsteigerungen kompensieren), beim Bodenwertmodell müssten es 700 Prozent sein, beim wertunabhängigen Flächenmodell dagegen 1200 Prozent. Die Folge wäre, dass beim Kostenwertmodell für die 1969 bebauten Grundstücke eine deutlich geringere Grundsteuer anfiele, dagegen etwas mehr bei unbebauten Grundstücken. Freilich liegt das Problem hier bei der Kostenbewertung: Je neuer ein Gebäude ist, je höher fällt die Grundsteuer aus. Wer also nicht im Altbau wohnt, zahlt erheblich mehr – nicht gerade ein Anreiz für Wohnungsneubau. Henger weist zudem darauf hin, dass das Kostenwertmodell „besonders schlecht für Mieter“ sei. Er glaubt daher nicht, dass der Vorschlag überlebt. Eine massive Zunahme der Grundsteuer gäbe es für unbebaute Grundstücke bei der reinen Bodenwertsteuer, während das Einfamilienhaus kaum, das Mehrfamilienhaus dagegen klar besser wegkäme. Da sie ungenutzte Grundstücke deutlich höher belastet, gilt sie als Korrektiv gegen Bodenspekulation vor allem in Innenstädten. Dagegen hält Henger das Flächenmodell für eine „Begünstigung der Bodenspekulation“. In seiner Modellrechnung wäre hier die Entlastung für Eigentümer unbebauter Grundstücke stärker als die beim Mehrfamilienhaus – am stärksten aber wäre sie beim Einfamilienhaus, deren Eigentümer als eigentliche Nutznießer des Flächenmodells gelten. Bisher galt das Kostenwertmodell des Bundesrats als Favorit für eine Reform, weil 14 Länder es vorgeschlagen haben. Auch die SPD-Fraktion im Bundestag steht wohl noch dahinter. Dagegen scheint die Unions-Fraktion mehr dem Flächenmodell zuzuneigen, das Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zusammen mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vorgeschlagen hatten, als sie noch in der Ministerpräsidentenrunde saßen. Die reine Bodenwertsteuer scheint zunehmend Anhänger in den Parteien zu finden; neben dem IW in Köln und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin stehen auch der Mieterbund oder der Öko-Verband Nabu dahinter. Doch gibt es noch weitere Modelle, die Boden- und Gebäudewerte sowie Flächen anders kombinieren. In der Debatte kommt nun Bewegung. Die Grünen, die in acht Ländern mitregieren und bisher das Kostenwertmodell mittrugen, sondierten in einer Runde am Freitag in Berlin, wohin sie tendieren werden. Fraktionsvize Anja Hajduk sagte dem Tagesspiegel, Ziel müsse es sein, eine verfassungskonforme, bundeseinheitliche und aufkommensneutrale Grundsteuer zu schaffen. Scholz müsse jetzt zügig einen „zielführenden Dialog mit den Ländern“ einleiten. Die Grünen erwarteten „von allen Beteiligten - auch dem neuen Finanzminister selbst - Flexibilität und Kompromissbereitschaft in den Gesprächen".

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