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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Update

Bund steigt mit 30 Prozent bei Uniper ein: Scholz stimmt auf höhere Energiekosten ein – und kündigt weitere Entlastungen an

Um der Energiekrise entgegenzuwirken, sagt der Kanzler der Bevölkerung Entlastungen zu: „You’ll never walk alone.“ Auch Uniper profitiert vom Rettungspaket.

Angesichts der sich abzeichnenden gewaltigen Mehrbelastungen für Bürger und Unternehmen bei den Energiekosten plant Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weitere milliardenschwere Entlastungen. „Wir werden alles Erforderliche tun“, sagte Scholz am Freitag im Kanzleramt.

Er unterbrach dafür seinen zweiwöchigen Wanderurlaub in Nesselwang im Allgäu. Die Aussage erinnert an die Worte des damaligen Chefs der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, der mit ähnlichen Worten 2012 ankündigte, dass alles getan werde, egal was es koste, um den Euro zu retten.

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Scholz kündigte unter anderem ab 2023 eine große Wohngeldreform an. „Wir wollen den Kreis der berechtigten Haushalte ausweiten“, sagte der SPD-Politiker bei der kurzfristig angesetzten Pressekonferenz.

Es sollten mehr Bürgerinnen und Bürger, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Rentnerinnen und Rentner davon profitieren können. Zudem solle eine Heizkostenpauschale dauerhaft integriert werden. Auch für Studenten solle es Heizkostenzuschüsse geben.

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Scholz sagte, die Koalition verpflichte sich zudem dazu, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Bürgergeldreform „definitiv zum 1. Januar kommenden Jahres“ umzusetzen. Damit ist eine Reform des Hartz-IV-Systems gemeint, die künftigen Sätze sind aber noch unklar.

Alle Details der weiteren Entlastungen sollen bis September geklärt werden. Es ist absehbar, dass dafür noch einmal ein Nachtragshaushalt mit höheren Schulden aufgelegt werden müsste.

[Lesen Sie auch: Russische Drohungen beim Gas: Ein Liefer-Aus für Europa könnte auch Gazprom in Bedrängnis bringen (T+)]

Auf die Frage, ob die Schuldenbremse des Bundeshaushaltes wegen der Ausgaben für Uniper und der Entlastungen der Bürger gelöst werden müsse, antwortet er: „Wir haben die Finanzierungsspielräume, die wir dafür brauchen.“ FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner hat ein erneutes Aussetzen für nicht verhandelbar erklärt.

Scholz: „Gemeinsam schwere Zeiten bewältigen“

Der Kanzler betonte, es gebe als Reaktion auf die russische Drosselung der Gaslieferungen ein klares Prinzip, nach dem seine Regierung handele. „You’ll never walk alone“, zitierte Scholz die berühmte Stadionhymne des FC Liverpool. „Dass wir gemeinsam diese schweren Zeiten bewältigen, dass wir zusammenhalten, niemand wird mit seinen Herausforderungen und Problemen alleine gelassen“.

Das gelte für alle Bürger, aber auch die Unternehmen. „Wir sind gemeinsam stark genug, das auch zu schaffen.“

Scholz, der in der Coronakrise mit ähnlichen Ankündigungen von einer „Bazooka“ gesprochen hatte, machte deutlich, dass er zu sehr großen Schritten bereit sei. „Und wir werden das so lange tun, wie es erforderlich ist.“

Staatseinstieg bei Energieversorger Uniper

In der Bundesregierung war zuletzt die Sorge gewachsen, dass die Stimmung kippen könnte, auch was die Unterstützung für die Sanktionen gegen Russland und die Solidarität mit der Ukraine betrifft. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte sogar vor „Volksaufständen“ gewarnt, wenn der Gashahn zugedreht wird.

[Lesen Sie auch: Russische Drohungen beim Gas: Dauer-Aufregung über Habecks Dusch-Tipps: Es ist richtig, die Bürger in der Energiekrise in die Pflicht zu nehmen (T+)]

Das Hauptverwaltungsgebäude von Uniper SE in Düsseldorf
Das Hauptverwaltungsgebäude von Uniper SE in Düsseldorf

© imago images/Rupert Oberhäuser

Offizieller Anlass des Kanzler-Auftritts war der Staatseinstieg beim Energieversorger Uniper, der seit Wochen vorbereitet und am Freitag finalisiert worden ist. Uniper gehörte früher dem Eon-Konzern und verkauft Strom und Gas an Großhandelskunden wie Stadtwerke und Industrieunternehmen.

Der Energieversorger ist stark im Gashandel mit Russland aktiv und war in Finanznöte geraten, da die ausbleibenden Lieferungen durch teure, woanders beschaffte Ersatzlieferungen aufgefangen werden mussten. Daraufhin hatte Uniper staatliche Hilfen beantragt.

Uniper sei von „überragender Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes, für die Energieversorgung der Bürger, aber auch vieler Unternehmen“, so Scholz. Unter anderem wird nun auch die Uniper eingeräumte Rahmenkreditlinie bei der staatlichen Förderbank KfW von zwei auf neun Milliarden Euro aufgestockt.

Aus Sicht des Bundeskanzlers sei Russland ein unsicherer Gaslieferant. Es werde nicht sicherer, als es sei, sagte Scholz. Er machte deutlich, Deutschland könne sich nicht mehr auf Russland verlassen. „Deshalb fahren wir lieber auf Nummer sicher.“

[Lesen Sie auch: Russland konsolidiert Eroberungen im Donbass: Droht eine Demoralisierung der Ukraine? (T+)]

Wie Uniper mitteilte, sieht das Stabilisierungspaket eine Kapitalerhöhung von rund 267 Millionen Euro zum Ausgabepreis von 1,70 Euro je Aktie unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre vor. Zum Zeitpunkt der Pressekonferenz lag der Aktienkurs von Uniper bei rund zehn Euro.

Die Kapitalerhöhung führe zu einer Beteiligung des Bundes an Uniper von rund 30 Prozent. Weiter solle ein sogenanntes Pflichtwandelinstrument in Höhe von bis zu 7,7 Milliarden Euro an den Bund ausgegeben werden, hieß es.

Bundesregierung steht für weitergehende Unterstützung bereit

Diese Papiere sind verzinsliche Papiere, bei denen die Wandlung in Aktien spätestens zum Ende der Laufzeit verpflichtend ist. Sie werden daher von Ratingagenturen als ähnlich zu Eigenkapital angesehen. Das für Uniper gewährte Darlehen über die staatliche Bank KfW solle von zwei Milliarden auf neun Milliarden Euro erhöht werden.

Bundeskanzler Scholz spricht bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt zu aktuellen Fragen der Energiepolitik.
Bundeskanzler Scholz spricht bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt zu aktuellen Fragen der Energiepolitik.

© Britta Pedersen/dpaa

Die Bundesregierung habe Uniper in den Verhandlungen erläutert, dass spätestens ab dem 1. Oktober 2022 ein allgemeiner Mechanismus zur Weitergabe von 90 Prozent der Ersatzbeschaffungskosten für alle Importeure infolge russischer Gaskürzungen eingeführt werden solle. Uniper hat ausschließlich gewerbliche Kunden, darunter Stadtwerke. Sie könnten die höheren Kosten in einem nächsten Schritt aber weitergeben.

Die Vereinbarung sehe vor, dass die Bundesregierung für eine weitergehende Unterstützung bereit stehe, sollten die Verluste wegen Ersatzbeschaffungen, die nicht durch operative Gewinne aus den anderen Geschäftsbereichen kompensiert werden können, einen Betrag von sieben Milliarden Euro übersteigen.

Trotz des Einstiegs beim Gasimporteur will Scholz keinen Eingriff des Bundes ins operative Geschäft. „Wir wollen nicht als Staat Unternehmer werden“ , sagt er. Man werde aber Obacht geben, dass mit dem Geld vom Staat gut umgegangen werde.

Zudem stellte er in Aussicht, der Bund solle nicht dauerhaft beteiligt sein. „Es muss nicht dabei bleiben, dass wir drin sind.“

Die Stabilisierungsmaßnahmen stehen unter anderem unter dem Vorbehalt einer beihilferechtlichen Genehmigung der EU Kommission. Uniper werde eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen, um die Zustimmung der Aktionäre zu den Stabilisierungsmaßnahmen einzuholen.

Bundestag und Bundesrat hatten kürzlich Änderungen des Energiesicherungsgesetzes beschlossen. Die Bundesregierung kann demnach eine Umlage über eine Rechtsverordnung erlassen. Das Umlagesystem soll ähnlich funktionieren wie bei der inzwischen abgeschafften EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms über die Stromrechnung.

Die heikelste Frage ließ Scholz jedoch unbeantwortet

Die enorm gestiegenen Kosten können für größere Haushalte Zusatzkosten von über 3000 Euro im Jahr verursachen.

Bisher richten sich die Entlastungspläne vor allem an Geringverdiener. Aber dies würde gerade auch die Mittelschicht erheblich treffen, zumal wenn kaum Rücklagen vorhanden sind.

Scholz räumte eine, dass auch die Umlage für die Haushalte spürbar sein werde. Für Familien bezifferte Scholz die Mehrkosten auf 200 bis 300 Euro pro Jahr, Experten rechnen aber mit weitaus höheren Zusatzkosten.

[Lesen Sie auch: „Politisches Albtraumszenario“: Putins Gas-Kalkül droht Gesellschaft und Industrie zu spalten (T+)]

Preissignal an Verbraucher

Mit der Umlage würde die Politik auch ein Preissignal an die Verbraucherinnen und Verbraucher senden, dass sich Energieeinsparungen lohnen. Wegen stark gestiegener Beschaffungskosten an den Märkten kommen ohnehin Preiserhöhungen auf die Verbraucher zu.

Bundeswirtschaftsminister Rober Habeck (Grünen)
Bundeswirtschaftsminister Rober Habeck (Grünen)

© REUTERS/Leonhard Foeger/File Photo

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Donnerstag ein neues Maßnahmenpaket zum Energiesparen angekündigt. Angesichts unsicherer russischer Lieferungen soll so die Vorsorge für den Winter verstärkt werden. Bei dem Paket geht es auch um das Energiesparen in öffentlichen Gebäuden, Betrieben, Büros sowie um einen verbindlichen „Heizungscheck“ in Wohnungen.

Habeck hatte gesagt: „Wir werden nicht zulassen, dass ein systemrelevantes Unternehmen in Insolvenz geht und infolgedessen der globale Energiemarkt in Turbulenzen gerät.“ Die Bundesregierung werde die Option wählen, die für den deutschen Steuerzahler die beste und günstigste und für die Versorgungssicherheit die sicherste sei. (mit dpa)

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