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Luigi Di Maio, Giuseppe Conte und Matteo Salvini

© REUTERS/Remo Casilli

Streit um Italiens Haushalt: Brüssel zeigt den Populisten die Grenzen auf

Italien testet seit Monaten seine Macht gegenüber Brüssel und den EU-Partnern aus. Doch früher oder später wird Rom wohl einlenken. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Es ist eine Premiere, die sich am Dienstag in Brüssel abgespielt hat. Nie zuvor hat die EU-Kommission gegenüber einem Mitgliedstaat in der Haushaltspolitik derart hart durchgegriffen, wie die Brüsseler Behörde dies gerade im Fall Italiens getan hat. Die Entscheidung, den umstrittenen Etat der Regierung in Rom zurückzuweisen, ist vor allem eins: eine Selbstbehauptung der Europäischen Union angesichts des immer weiter anschwellenden Populismus in Europa.

Seit Juni regiert in Rom die Rechts-Links-Allianz der Lega-Partei und der Fünf-Sterne-Bewegung. Von Anfang an war klar, dass es die neue Regierung auf eine Kraftprobe mit der ungeliebten EU ankommen lassen würde. Als erstes machte sich Italiens Innenminister Matteo Salvini, der starke Mann in der Regierung, an eine Neujustierung der europäischen Migrationspolitik.

Flüchtlingsboote, die von der Küste Nordafrikas in See stechen, sollen nach dem Willen Salvinis künftig möglichst nicht mehr in italienischen Häfen anlegen. Gelöst hat sich seither in der europäischen Flüchtlingspolitik kein einziges Problem – weder bei der Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Transitstaaten noch in der Frage der Verteilung innerhalb der Europäischen Union. Aber immerhin wissen nun alle EU-Partner Italiens: Rom sagt „no!“

Auch wenn er wie ein Bulldozer durch den EU-Laden fährt, mag man Salvini in der Flüchtlingspolitik immerhin zugute halten, dass sein Land in der Migrationspolitik tatsächlich jahrelang keine Unterstützung durch die Gemeinschaft der Europäer erhielt. Anders liegen die Dinge in der Haushaltspolitik – dem zweiten Feld, auf dem Salvini und der Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio nun die Auseinandersetzung mit der EU suchen.

Die beiden Vize-Regierungschefs setzen alles daran, um vor ihren Landsleuten das Bild einer haushaltspolitischen Knechtschaft auszumalen, in die Italien angeblich durch die Zwänge des Euro-Stabilitätspakts geraten ist. Ihr Haushaltsentwurf für das Jahr 2019, so lautet die vollmundige Ansage des Populisten-Duos aus Rom, soll nun endlich mit dem jahrelangen „Brüsseler Diktat“ brechen.

Selbst der Finanzminister gibt den Verstoß gegen EU-Regeln zu

Wahr ist daran lediglich, dass Italien in der Vergangenheit durch die Brüsseler Vorgaben in einen überharten Schrumpfkurs gezwungen wurde. Aber das liegt lange zurück. Seitdem der damalige italienische Regierungschef Mario Monti zu Beginn des Jahrzehnts seinem Land unsinnige Sparmaßnahmen verordnete, haben beide Seiten – Brüssel und Rom – dazugelernt. Hinzu kommt, dass in der gegenwärtigen Wachstumsphase die Zeichen eher auf Schuldenabbau stehen. Eine exorbitante Neuverschuldung, wie sie von Italien für das kommende Jahr geplant ist, verstößt klar gegen den Stabilitätspakt. Selbst Italiens Finanzminister Giovanni Tria gibt dies zu. Hinzu kommt, dass der Etatentwurf gar nicht so sehr auf die tatsächlich dringend benötigten Wachstumsimpulse setzt, sondern auf plumpe Klientelpolitik.

Italiens Regierung könnte unter dem Druck der Märkte einlenken

Nach der Zurückweisung des Etats durch die EU-Kommission spricht einiges dafür, dass die italienische Regierung im Streit mit Brüssel früher oder später einlenken wird. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass sich die Verantwortlichen in Rom spätestens dann zu Nachbesserungen an ihrem Zahlenwerk bereit erklären dürften, wenn die Finanzmärkte die Geduld verlieren – und die Zinsen für italienische Staatsanleihen in die Höhe schnellen.

Auf der anderen Seite hat die EU-Kommission die Kritiker, die ihr zuletzt ein windelweiches Auftreten bei der Durchsetzung des Stabilitätspaktes vorwarfen, eines Besseren belehrt. Wenn die Brüsseler Behörde sieben Monate vor der Europawahl zeigt, dass sie gegenüber Politikern wie Salvini, Orban oder Kaczynski einen klaren Kurs halten kann, dann lässt sich das auch als Botschaft an die Bürger interpretieren: Die EU ist in erster Linie eine Gemeinschaft, die auf der Einhaltung ihrer Regeln fußt – auch in Zeiten des Populismus.

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