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Protest gegen die Abschiebeflüge nach Ruanda in London (am 13. Juni 2022)

© Imago/Zuma Wire/Vuk Valcic

Update

Britischer Pakt mit Ruanda: Gericht stoppt umstrittenen Abschiebeflug – London will Urteil anfechten

Großbritannien will illegal Eingereiste nach Ruanda ausfliegen. Doch ein europäisches Gericht schreitet ein. Die Regierung will aber an dem Plan festhalten.

Nach dem kurzfristigen Stopp eines Abschiebeflugs nach Ruanda mit Asylsuchenden an Bord will sich die britische Regierung nicht mit ihrer Niederlage vor einem europäischen Gericht abfinden.

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„Ich bin sicher, dass wir das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anfechten werden, denn britische Richter haben vorher entschieden, dass die Flüge abheben können“, sagte Arbeitsministerin Thérèse Coffey am Mittwochmorgen bei „Sky News“. Sie sei „sehr zuversichtlich“, dass kommende Flüge nach Ruanda stattfinden würden.

Der erste geplante Abschiebeflug nach Ruanda mit Asylsuchenden verschiedener Nationalitäten an Bord war kurz vor der Abreise am Dienstagabend gerichtlich gestoppt worden. London hatte mit dem Flug seinen umstrittene Ruanda-Pakt einläuten wollen, mit dem die konservative Regierung weitere Schutzsuchende von der Einreise ins Vereinigte Königreich abschrecken will.

Die Vereinbarung sieht vor, dass Schutzsuchende, die illegal nach Großbritannien gelangt sind, unabhängig von ihrer Nationalität oder Herkunft in das ostafrikanische Land gebracht werden und dort gegen Zahlungen der britischen Regierung die Möglichkeit für einen Asylantrag erhalten. Selbst wenn sie dort als Flüchtlinge anerkannt werden, soll es in keinem Fall eine Rückkehr nach Großbritannien geben.

Die Vereinten Nationen und viele andere Organisationen sehen darin einen Bruch internationalen Rechts und einen gefährlichen Präzedenzfall. Sogar der zur politischen Neutralität verpflichtete Thronfolger Prinz Charles soll sich Medienberichten zufolge „entsetzt“ über den Plan geäußert haben.

Andere Betroffene können sich auf Gericht berufen

Von britischen Gerichten gab es für den Flug zwar grundsätzlich grünes Licht, allerdings waren viele Einzelklagen erfolgreich, weshalb die Zahl der für Dienstagabend eingeplanten Passagiere in den Tagen zuvor immer kleiner wurde. In den Stunden vor dem geplanten Abflug sorgte die außergewöhnliche Intervention des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg dann dafür, dass die Zahl der Ausreisenden schließlich auf null sank und der Flug komplett gestrichen wurde.

Die Entscheidung des Straßburger Gerichts löste gewissermaßen eine Kettenreaktion aus: Die verbleibenden Betroffenen konnten sich auf die Entscheidung berufen und auch ihre eigene Ausreise zunächst erfolgreich verhindern. In gerade einmal gut einer Stunde sei der Plan für den ersten Ruanda-Flug „wie ein Kartenhaus“ in sich zusammengefallen, kommentierte der BBC-Korrespondent Dominic Casciani nach der Entscheidung.

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Straßburg hatte die britischen Behörden in einer sogenannten einstweiligen Maßnahme aufgefordert, einen irakischen Asylsuchenden, der ursprünglich an Bord sein sollte, frühestens drei Wochen nach einer finalen Entscheidung in seinem in Großbritannien laufenden Verfahren außer Landes zu bringen. Einstweilige Maßnahmen sind dem Gericht zufolge verbindlich und werden nur selten und bei unmittelbarer Gefahr eines irreparablen Schadens ausgesprochen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gehört zum Europarat. Gemeinsam setzen sich die von der Europäischen Union unabhängigen Organe für den Schutz der Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten ein. Bislang hat das Straßburger Gericht auch in Großbritannien in solchen Fragen das letzte Wort. Die jüngste Entscheidung dürfte die Debatte befeuern, ob dies so bleiben soll. Danach gefragt, deutete Premierminister Boris Johnson am Dienstag in einem Interview an, dass Änderungen nicht auszuschließen seien.

„Wir lassen uns nicht davon abschrecken, das Richtige zu tun und die Grenzen unserer Nation zu schützen“, sagte Innenministerin Priti Patel nach der seltenen Intervention des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit Sitz in Straßburg. Am Mittwoch wollte die Ministerin sich im Londoner Unterhaus äußern. (dpa)

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