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Ab 1. Januar Präsident Brasiliens: Jair Bolsonaro

© AFP/Mauro Pimentel

Jair Bolsonaro übernimmt die Macht: Brasilien wird ein Land der Vergangenheit

Am 1. Januar tritt der Ultrarechte Jair Bolsonaro in Brasilien das Amt des Präsidenten an. Verlieren werden die Umwelt - und die Wahrheit. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Philipp Lichterbeck

Am Dienstag übernimmt Jair Bolsonaro die Macht in Brasilien. Er ist ein weiterer Scharfmacher in der Riege der rechten Politiker, die derzeit die Welt plagen: von den USA über Ungarn bis zu den Philippinen. Natürlich hat der Konservatismus seinen Platz in der politischen Landschaft. Aber Bolsonaro ist kein Konservativer, sondern die Perversion konservativer Werte. Er steht wie Trump für: Vulgarität, Brutalität und Lügen. Und schlimmer noch: Anti-Intellektualität, Anti-Wissenschaft und Anti-Aufklärung.

Mit Bolsonaro ist Brasilien auf dem Weg in die Vergangenheit. Er will der traditionellen Familie, Gott, der Nation und dem Militär wieder Geltung verschaffen. Sein Kulturkampf dürfte die wirklich wichtigen Themen verdrängen, etwa den Klimawandel. Brasiliens neuer Außenminister Araújo hält den Klimawandel für ein „kultur-marxistisches“ Komplott und Bolsonaro hält Araújo für einen „brillanten Intellektuellen“. Es scheint, als ob der Welt mit Brasilien eines der wichtigsten Länder im Kampf gegen die Erderwärmung abhanden kommt.

Dabei wäre sein Engagement so notwendig. Die Abholzung des Regenwalds hat zwischen 2017 und 2018 den höchsten Stand seit zehn Jahren erreicht. Aber unter Bolsonaro werden voraussichtlich noch mehr Kettensägen heulen, weil sich Holzfäller, Goldsucher und Großbauern von ihm ermutigt fühlen. „Keinen Zentimeter mehr“ für Indio-Schutzgebiete, hat Bolsonaro verkündet. Er werde mit dem „schiitischen Öko-Aktivismus“ Schluss machen, der die Produktion behindere. Brasiliens Ureinwohner und der Amazonas dürften die tragischsten Verlierer der nächsten Jahre sein.

Das Twittern hat Bolsonaro bei Trump abgeschaut

Verlieren wird auch die Wahrheit. Bolsonaros wichtigstes Werkzeug ist Twitter. Das hat er von Trump gelernt. Dort wettert er gegen politische Gegner und die traditionellen Medien. Bolsonaros Söhne, auch sie Politiker, tun es ihm gleich, das Lügen und Diffamieren ist für sie tägliche Routine. Ohne Beweise insinuieren sie etwa, dass nach der Amtsübernahme ein Mordanschlag auf ihren Vater geplant gewesen sei. So schafft der Bolsonarismus den andauernden Alarmzustand, von dem er sich nährt.

Größter Feind des Bolsonarismus ist der Marxismus, der Brasilien angeblich unterwandere. Die Paranoia führt soweit, dass Eltern in einer Schule in Brasília dafür sorgen, dass ein Bilderbuch vom Lehrplan genommen wird, in dem Solidarität zwischen den Generationen gezeigt wird. Der Grund: Das 20 Jahre alte Werk stammt von einem Mann, der heute Abgeordneter einer kleinen linken Partei ist.

Bolsonaro, der ehemalige Oberst, hat ein halbes Dutzend Militärs in seine Regierungsmannschaft berufen. Er hat das Umweltministerium unter Leitung eines Mannes gestellt, der auf Kleinbauern schießen lassen möchte. Das Kulturministerium hat er abgeschafft. Das Familienministerium leitet künftig eine Frau, die gegen Gleichberechtigung ist. Der neue Justizminister hat Bolsonaros Hauptrivalen kurz vor den Wahlen ins Gefängnis gebracht. Und die designierte Agrarministerin will mehr Pestizide auf die Felder sprühen lassen.

Wirtschaftlich dürfte Brasilien von der neuen Regierung jedoch profitieren

Obwohl es angesichts dieses Horrorkabinetts paradox klingen mag, ist es gut, dass in Brasilien nicht mehr die Arbeiterpartei regiert. Brasilien bedarf der wirtschaftlichen Öffnung. Diese ist unter Wirtschaftsminister Paulo Guedes zu erwarten, eine der wenigen technischen Besetzungen. Ökonomisch dürfte Brasilien wieder zulegen. Im Spannungsfeld von Wirtschaftswachstum und gesellschaftlichem Rückschritt hätte die Linke dann endlich die Möglichkeit, ihre Position neu zu bestimmen und Bolsonaro mehr als nur Lamento entgegenzusetzen.

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