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Ein explodierter Böller liegt auf dem Gehweg in Berlin Schöneberg in der Nähe der Pallasstraße. Weil in den vergangenen Jahren in einigen Gebieten Berlins Gruppen junger Männer Böller auf Polizisten und Feuerwehrleute warfen, legte der Senat zusätzliche Verbotszonen fest. Auf dem Alexanderplatz und in mehreren Straßen an der Pallasstraße in Schöneberg darf niemand Feuerwerk dabei haben oder abfeuern.

© Kay Nietfeld/dpa

Böllerverbot: Knallerscham? Aber nicht an Silvester!

Warum ein allgemeines Böllerverbot 2020 so wahrscheinlich ist wie ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlin rüstet auf – als gäbe es nie wieder Silvester. Auch der letzte Drogeriemarkt hat sich, kaum ist der weihnachtliche Friede vorbei, über Nacht in ein knallbuntes Waffenlager verwandelt. Von der Wunderkerze bis zum XXL-Raketenset ist alles zu haben, um funkensprühend und von Feinstaub umnebelt ins neue Jahrzehnt zu starten. Die Berliner werden es mal wieder richtig krachen lassen. Von wegen Böllerpause!

Nur 16 Prozent der Berliner wollen Böller kaufen? Wer's glaubt!

Spätestens um Mitternacht wird dann das schlechte Gewissen, soweit es überhaupt vorhanden ist, wirksam betäubt. Die Böllerscham wird ein ähnliches Schicksal erleiden wie die Flugscham, die sich in Vorfreude auf die kanarische Sonne auflöst, sobald man im Terminal an der Sicherheitsschleuse steht. Laut einer aktuellen Umfrage wollen nur noch 16 Prozent der Berliner Feuerwerkskörper kaufen. Wer’s glaubt. Aber selbst dann, wenn diese Zahl stimmen sollte, wird die Hauptstadt mit Jahresbeginn 2020 ganz bestimmt nicht im Dunkel versinken.

Natürlich gibt es auch in Berlin viele vernünftige Menschen, die berechtigte ökologische und Sicherheitsbedenken gegen den Böllerwahnsinn äußern und sich damit begnügen, den Korken der Sektflasche knallen zu lassen. Vielleicht nimmt die Zahl dieser Vernünftigen sogar etwas zu. Doch im Großen und Ganzen funktioniert der Mensch anders, gerade in Ausnahmezuständen ist die Ratio nicht so gefragt. Und Silvester ist nun mal ein Ausnahmezustand, in dem die Lebensfreude, nicht selten suffgesteuert, dominiert.

Es wird Silvester in Berlin wieder zischen, krachen und rauchen

Im Ergebnis wird es also wieder zischen, krachen und rauchen. Wahrscheinlich auch am Alexanderplatz und in der Schöneberger Pallasstraße, wo vor einem Jahr der Kriegszustand herrschte und die Polizei an diesem Silvester mit einem massiven Aufgebot wenigstens Waffengleichheit herstellen will. Ob das wirklich funktionieren wird, darf bezweifelt werden. Zumal es in Berlin genügend Ausweichflächen gibt, auf denen der Bürgerkrieg simuliert werden kann. Mit den tapferen Polizisten und Feuerwehrleuten möchte man auch in diesem Jahr um Mitternacht nicht tauschen.

Und für die Zukunft dürfen wir gespannt sein, ob das schon mehrfach angekündigte Machtwort des Gesetzgebers tatsächlich ausgesprochen wird. Kommt 2020 das – von einer Mehrheit der Bürger angeblich unterstützte – bundesweite Böllerverbot? Das ist ebenso wahrscheinlich wie ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen.

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