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Joe Biden bei seiner ersten formellen Pressekonferenz als US-Präsident im Weißen Haus.

© Jim WATSON/AFP

Keine Frage zu Corona auf erster PK: Biden verteidigt Migrationspolitik – und will 2024 wieder antreten

Auf seiner ersten formellen Pressekonferenz als US-Präsident zeigt Joe Biden keine Glanzleistung. Allerdings patzt er auch nicht. Eine Analyse.

Joe Biden hat sich intensiv auf seine erste formelle Pressekonferenz als US-Präsident vorbereitet. Und das Medienberichten zufolge bereits seit Tagen, mit Ordnern voller Informationen, die er am Wochenende mit nach Wilmington genommen habe, und sogar einer Test-Pressekonferenz.

Der 78-Jährige weiß: Trotz seiner jahrzehntelangen politischen Erfahrung ist dieser Auftritt in weiten Teilen unkalkulierbar.

Seit seinem Amtsantritt hat Biden Reden in der Regel vom Teleprompter abgelesen und ab und an mal ausgewählte Einzelinterviews gegeben - alles in eher kontrollierter Atmosphäre. Doch an diesem Donnerstag, seinem 64. Tag im Amt, hat nicht er die Kontrolle, sondern die gut zwei Dutzend Korrespondenten des Weißen Hauses, die im East Room zugelassen sind.

Die größte Sorge seiner Berater war im Vorfeld, dass ihm unbeabsichtigt etwas herausrutscht, was ihm schaden könnte. So reagiert Biden zum Beispiel schnell aufbrausend, wenn seine Familie angegriffen wird. Auch verhaspelt er sich gerne, was unter anderem daran liegt, dass er als Kind stotterte, und schweift manchmal in Detailfragen aus.

Wichtig für einen gelungenen Auftritt auf solch einer Bühne ist aber eine möglichst einfache, nachvollziehbare Sprache, so dass die Zuhörer auch komplexe Themen verstehen können.

Keine Glanzleistung, aber auch keine größeren Patzer

Nach rund einer Stunde lässt sich festhalten: Dieser Auftritt ist keine rhetorische Glanzleistung, aber auch kein Fehltritt. Biden beantwortet manche Fragen ausweichend, manche etwas länglich, aber er patzt nicht. Und gleichzeitig macht er deutlich, warum es eben nicht seine erste Priorität ist, in allen Fragen stets der oberste Experte sein zu wollen.

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Unter seinem Vorgänger Donald Trump waren Pressekonferenzen von Beginn an zu einem Spektakel geraten, bei denen der Präsident sich gerne mit kritischen Journalisten anlegte und immer wieder so tat, als wisse er selbst alles ohnehin am besten. Sätze von Biden wie „Ich bin in dieser Frage kein Experte“ wirken da schon fast wohltuend.

Biden verspricht nun 200 Millionen Impfungen in seinen ersten 100 Tagen

Wenn der Demokrat allerdings gehofft hat, vor allem über seine weitgehend erfolgreichen Corona-Bekämpfungsstrategie und die sich aufhellende wirtschaftliche Lage sprechen zu können, wird er enttäuscht. Zwar kündigt er in seinem kurzen Eingangsstatement an, sein ursprüngliches Ziel von 100 Millionen Impfungen in seinen ersten 100 Tagen auf 200 Millionen zu erhöhen.

Aber von Seiten der Journalisten kommt dazu anschließend nicht eine einzige Frage. Genauso wenig wie zu Schulöffnungen, der wirtschaftlichen Entwicklung - und, was wohl im Sinne des Präsidenten ist, auch nichts zu seinem Sohn Hunter Biden, den rechte Medien im Wahlkampf immer wieder thematisieren wollten.

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Es ist, alles in allem, eine nach vier Jahren Trump ungewohnt unspektakuläre Pressekonferenz mit ein paar nachrichtlich relevanten Neuigkeiten, wie der, dass Biden erklärt, davon auszugehen, 2024 für eine zweite Amtszeit anzutreten.

Bisher hat der 78-Jährige eher den Eindruck erweckt, lediglich ein Übergangspräsident sein zu wollen. Auch darum wurde aufmerksam vermerkt, dass er seine Stellvertreterin Kamala Harris am Mittwoch mit der Lösung der angespannten Lage an der Südgrenze beauftragt hat.

Kritik wegen der Krise an der Grenze weist er zurück

Vorwürfe im Zusammenhang mit der zunehmenden Zahl von Migranten, die über Mexiko versuchen, in die USA einzureisen, weist Biden zurück. Trump habe wichtige Teile des amerikanischen Asylsystems demontiert, kritisiert er etwa mit Blick auf die unzureichende Zahl von Betten für unbegleitete minderjährige Migranten.

Außerdem nehme die Zahl der Migranten vor allem aus Zentralamerika an der Grenze jedes Jahr um diese Zeit zu. Die Behauptung, die Menschen kämen, weil er ein „netter Kerl“ sei, liefen damit ins Leere. Der Anstieg habe bereits unter Trump begonnen - und wer denke schon, dass der ein netter Kerl sei, sagt Biden.

Aus außenpolitischer Sicht ist vor allem zu vermerken, dass der US-Präsident weiter von dem von seinem Vorgänger gesetzten Ziel abrückt, bis zum 1. Mai alle US-Soldaten aus Afghanistan abgezogen zu haben. Das sei „aus taktischen Gründen“ schwierig, sagt Biden. Gleichzeitig macht er deutlich, dass ein Abzug stattfinden solle. „Es ist nicht meine Absicht, dort lange zu bleiben.“

Auch für Biden ist Nordkorea die größte außenpolitische Herausforderung

Auf die Nachfrage eines Reporters, ob US-Truppen auch noch im kommenden Jahr am Hindukusch stationiert sein würden, antwortet er eher vage, das sehe er nicht. „Wir werden abziehen, die Frage ist nur wann.“

Mit Blick auf Nordkorea erklärt er, die Einschätzung seines Vorvorgängers Barack Obama zu teilen, dass der Streit über das nordkoreanische Atomprogramm die größte außenpolitische Herausforderung darstelle. Er verurteilt Nordkoreas jüngsten Test ballistischer Raketen. Dies sei ein Verstoß gegen UN-Sanktionen gewesen.

Die US-Regierung werde sich mit ihren Partnern abstimmen und dann gegebenenfalls gemeinsam antworten. Er warnte, falls Nordkorea den Konflikt weiter eskalieren lassen sollte, „werden wir entsprechend antworten“. Biden zeigt sich aber auch offen für diplomatische Lösungsansätze.

Zum Umgang mit China, von vielen in Washington als zentraler Konflikt der kommenden Jahre betrachtet, sagt Biden, es gehe ihm nicht um „Konfrontation“, sondern um einen „scharfen Wettbewerb“. China müsse internationales Recht respektieren und einen fairen Wettbewerb ermöglichen. Um Europa geht es bei den Fragen von insgesamt zehn Journalisten ebenfalls nicht. Das transatlantische Verhältnis steht bei dieser US-Regierung derzeit nicht im Vordergrund. Und bei den nationalen Medien damit auch nicht.

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