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Ein Freund von Trump: Der britische Premierminister Boris Johnson

© dpa/PA Wire/Leon Neal

Biden siegt bei US-Wahl: Für diese Staaten ist Trumps Machtverlust kein Grund zum Jubeln

Die Begeisterung über Bidens Erfolg ist nicht überall so groß wie in Deutschland. Nicht nur für Großbritannien steht viel auf dem Spiel.

Manche brauchen etwas länger. Angela Merkel und Emmanuel Macron gratulierten Joe Biden zum Sieg, kaum dass die US-Sender ihn verkündet hatten. Victor Orban ließ sich bis Sonntag Zeit. Sein Nachbar, der slowenische Regierungschef Janesz Jansa, verbreitete sogar noch in der Frühe Verschwörertweets über Wahlfälschung.

Für Europas Rechtsnationalisten ist das Aus für Donald Trump ein Menetekel. Alle anderen atmen einmal tief durch. Selbst die Diplomatin im Berliner Kanzleramt lässt ihre Erleichterung durchblicken. „Ich freue mich auf die künftige Zusammenarbeit“, twittert Merkel.

Dass nicht nur dieser Tweet am Samstag um Punkt 19 Uhr rausging, war kein Zufall. Die Kanzlerin als amtierende EU- Ratspräsidentin hatte sich mit Macron und anderen zum zeitgleichen Glückwunsch verabredet. 

In der schnellen Reaktion schon Stunden vor Bidens Siegesrede steckt eine klare Botschaft an den uneinsichtigen Verlierer. „S'isch over“ zitiert später Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sich selbst aus den Zeiten der Griechenland-Krise.

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Doch die Parallelaktion soll vor allem ein zweites Signal senden: Nicht Berlin, Paris oder Brüssel wollen jeweils für sich neue Partner für Amerika sein. Europa will von Anfang an gemeinsam auftreten. Das Ende von „schwierigen, ja zerstörerischen letzten vier Jahren“, wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Trump-Zeit in der FAZ ganz offen nennt, soll transatlantisch wie in Europa selbst einen Ruck zu engere Zusammenarbeit auslösen.

Angela Merkel traf schon öfters auf Joe Biden, zum Beispiel 2015 bei der Münchner Sicherheitskonferenz.
Angela Merkel traf schon öfters auf Joe Biden, zum Beispiel 2015 bei der Münchner Sicherheitskonferenz.

© imago images/ZUMA Press

Gemeinsames Auftreten wird dringend nötig sein. Unter Außen-, Verteidigungs- und Handelspolitikern ist unbestritten, dass Biden die Interessen Amerikas nicht mit rüpelhaftem Twitter-Gebrabbel, aber genauso entschieden vertreten wird.

Umgekehrt, sagt etwa Unionsvize Johann Wadephul, müsse Europa im eigenen Interesse in die Partnerschaft mit dem neuen Präsidenten einzahlen. „Es ist nicht mit guten Worten, freundlichen Gesten und Glückwünschen getan“, sagt der CDU-Politiker. „Wir müssen auch liefern.“

Es könnte bei den großen Linien der US-Bündnispolitik bleiben

Das kann im Wortsinn teuer werden. Auf dem Zwei-Prozent-Ziel für Verteidigungsausgaben hat schon Barack Obama bestanden. Biden-Berater haben erkennen lassen, dass es auch sonst bei den großen Linien der US-Bündnispolitik bleibt. Für Europa und die europäischen Nato- Partner heißt die: Kümmert euch um eure Hinterhöfe erst mal selbst – um eure Sicherheit, eure Nachbarschaften, eure Probleme mit Migration.

Wie weit die neue Führung in Washington konkrete Beschlüsse revidieren will oder – angesichts einer republikanischen Mehrheit im Senat – überhaupt kann, ist unklar. Bliebe es etwa beim massiven Truppenabbau in Afghanistan, müsste die Bundeswehr ebenfalls zurückschrauben. In der Oberpfalz, die unter Trumps Strafaktion besonders leidet, US-Truppen in Europa nach Osten zu verlegen, freuen sich manche vielleicht ebenfalls zu früh.

Auch mit Deutschland ist Streit programmiert

Auch in Handelsfragen dürfte es ziviler, aber inhaltlich ebenso hart zur Sache gehen. Die Besteuerung amerikanischer Giganten wie Apple oder Google bleibt umstritten. Umgekehrt wird gerade ein Präsident, der Trumps Wähler versöhnen will, sich mit Europas Restriktionen für die US-Landwirtschaft anlegen müssen.

Damit aber ist sofort wieder Streit in Deutschland programmiert. CDU-Mann Wadephul denkt schon laut darüber nach, die TTIP-Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen wieder aufzunehmen: „Je mehr Freihandelszonen wir schaffen können, umso besser.“ Das sehen nicht nur der aktuelle, sondern auch eventuelle künftige Koalitionspartner wie die Grünen bekanntlich anders.

Russland - vorbei die Zeiten von Putins Schoßhund

Kurz nach der Bekanntgabe des Wahlsieges von Joe Biden trafen die ersten Glückwünsche aus dem Ausland ein. Nur aus Moskau kam zunächst keine Reaktion. Dabei hatte der russische Präsident Wladimir Putin kürzlich versichert, sein Land werde mit jedem US-Präsidenten zusammenarbeiten. Allerdings kritisierte er Biden für dessen „scharfe antirussische Rhetorik“ und lobte, dass Trump bessere Beziehungen zu Russland wolle.

Doch auch für Biden fand Putin lobende Worte: Er hob dessen Bereitschaft hervor, den Abrüstungsvertrag „New Start“ zu verlängern. Der Vertrag läuft im Februar aus, Washington und Moskau konnten sich bisher nicht auf eine Verlängerung einigen.

Das Thema Russland prägte Trumps Präsidentschaft – aber nicht wegen politischer Ereignisse, sondern wegen der Einmischung Russlands in den Wahlkampf 2016 zugunsten von Trump. Russische Geheimdienstler hatten nach Erkenntnissen von US-Sicherheitsbehörden die Server der Demokraten gehackt, E-Mails der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton wurden später bei Wikileaks veröffentlicht.

In seiner gesamten Amtszeit kritisierte Trump den russischen Präsidenten und dessen Politik nicht ein einziges Mal. „Er ist Putins Schoßhund“, sagte Biden im Wahlkampf.

Traditionell gelten die Republikaner eigentlich als die Partei, die einen härteren Kurs gegenüber Russland verfolgt. Kritiklosigkeit oder gar Nachsicht im Umgang mit Russland sind vom künftigen Präsidenten allerdings nicht zu erwarten – im Gegenteil. Mit Biden könnten die internationalen Sanktionen gegen Moskau noch erweitert werden.

Mehr Druck aus Washington könnte helfen, im Ukraine- Konflikt nach mehr als sechs Jahren endlich eine Friedenslösung zu erreichen. Biden, der Putin aus seiner Zeit als Vizepräsident persönlich kennt, hat einen nüchternen Blick auf Russland. Im Wahlkampf bezeichnete er das Land als „größte Bedrohung“ für Amerikas Sicherheit.

Allerdings hat Bidens Sieg für den Kreml einen Vorteil: Die US-Politik wird wieder berechenbarer, wie das Beispiel des Abrüstungsvertrages „New Start“ zeigt.

Wladimir Putin, Präsident von Russland, hatte bis Sonntagnachmittag noch nicht Joe Biden gratuliert.
Wladimir Putin, Präsident von Russland, hatte bis Sonntagnachmittag noch nicht Joe Biden gratuliert.

© Alexei Nikolsky/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Großbritannien – wohl erstmal kein Freihandelsabkommen

Der Sieg Joe Bidens ist für den britischen Regierungschef Boris Johnson nicht unbedingt eine gute Nachricht. Biden und Johnson haben in Sachen Brexit ganz unterschiedliche Auffassungen. Das hat Auswirkungen auf die Gespräche zwischen der EU und Großbritannien über ein Handelsabkommen, die an diesem Montag wieder aufgenommen werden sollen. 

Mit einem US-Präsidenten Biden dürfte es für Johnson noch schwieriger werden, ein tatsächlich gewinnbringendes Handelsabkommen mit den USA zu schließen. Außerdem versucht Johnson ähnlich wie Trump gezielt Chaos und Regelbrüche einzusetzen, um ans Ziel zu gelangen. Als das Unterhaus ihm im vergangenen Jahr beim Ringen um den EU-Austrittsvertrag einen Strich durch die Rechnung zu machen drohte, schickte er es kurzerhand in eine Zwangspause.

In den USA gehörte die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, zu den Ersten, die das Binnenmarktgesetz als rechtswidrig kritisierten. Wenn das Vereinigte Königreich gegen das internationale Recht verstoße, gebe es „absolut keine Chance“, dass ein Handelsvertrag zwischen London und Washington die Zustimmung des Kongresses finde, so Pelosi.

Wenig später erklärte auch Biden im September, dass Johnson angesichts eines derartigen Rechtsbruchs nicht mit dem ersehnten Freihandelsabkommen rechnen könne. 

China – Trump war Gegner im Handelskrieg, dennoch profitierte die Volksrepublik von ihm

Chinas Parteichef und Staatspräsident Xi Jinping zählte bis Sonntagnachmittag zu den wenigen Staatsoberhäuptern, die Joe Biden noch nicht gratuliert hatten. Dabei kennt er den US-Amerikaner ziemlich gut, die beiden trafen sich mindestens acht Mal.

Von 2008 bis 2012 arbeiteten sie jeweils als Vizepräsidenten für ihre Länder, 2012 kürte dann die Kommunistische Partei Xi Jinping zu ihrem Generalsekretär und im Anschluss auch zum Staatspräsidenten. „Bevor ich das Vizepräsidentenamt verlassen habe, habe ich habe mehr Zeit mit Xi Jinping verbracht als jeder andere Staatsmann dieser Welt“, sagte Joe Biden im Wahlkampf. Er bezeichnet China nicht als Feind, sondern als „Wettbewerber“.

Die staatlich kontrollierte Zeitung „Global Times“ hofft auf eine Entspannung der zerrütteten Beziehungen. Es habe in diesem Jahr aus Wahlkampfgründen einige künstliche Blasen gegeben, weil die Trump-Regierung absichtlich Spannungen geschaffen habe, schreibt das Blatt. „Wir glauben, dass es möglich ist, diese Blasen platzen zu lassen.“ Peking solle so gründlich wie möglich versuchen, mit dem Biden-Team zu kommunizieren.

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China sieht der Biden-Präsidentschaft mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits hatte Trumps Handelskrieg dem Land wirtschaftlich massiv geschadet. Andererseits hatte dessen Isolationspolitik den weiteren internationalen Aufstieg Chinas auch begünstigt.

Chinas Parteichef Xi Jinping hofft auf eine Ende des Handelsstreits mit den USA.
Chinas Parteichef Xi Jinping hofft auf eine Ende des Handelsstreits mit den USA.

© Ju Peng/Xinhua/dpa

Die Volksrepublik stieß in die diplomatischen Lücken, die sich in internationalen Organisationen wie der WHO oder der UN durch den Rückzug der USA aufgetan hatten. Joe Biden will vieles davon rückgängig machen. Das innenpolitische Chaos, das Donald Trump mitunter verursachte, half China dabei, die Überlegenheit des „Sozialismus chinesischer Prägung“ gegenüber dem demokratischen System zu propagieren.

Besonders deutlich zeige sich das beim Versagen der USA in der Corona-Bekämpfung. Das dürfte sich nicht nur in Bezug auf das Coronavirus ändern. Auch das Thema Menschenrechte und Chinas Unterdrückung der Uiguren dürfte in den Beziehungen wieder eine größere Rolle spielen. Oder wie es die „Global Times“ ausdrückt: „Natürlich ist die demokratische Partei sturer, was die Werte betrifft.“

Nordkorea – was wird aus den Friedensbemühungen? 

Bis Sonntagnachmittag hatte Nordkorea noch nicht offiziell auf die Wahl des neuen US-Präsidenten Joe Biden reagiert. Vor einem Jahr hatte die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA allerdings deutlich gemacht, was sie vom damaligen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten hält.

„Jagdhunde wie Biden können viele Menschen verletzen, wenn sie frei herumlaufen dürfen“, schrieb die Agentur gewohnt martialisch. „Sie müssen mit einem Stock zu Tode geprügelt werden.“ Es war damals unklar, was den Zorn des Propagandaapparates verursacht hatte, möglicherweise ein Wahlwerbespot, in dem Joe Biden Trumps Außenpolitik verurteilt und kritisiert, dass dieser „Diktatoren und Tyrannen lobe“.

Das Wort „Tyrann“ könnte Nordkorea verärgert haben, weil zugleich ein Bild des Treffens von Trump mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un eingeblendet wurde.

Nordkoreas Diktator Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump trafen sich mehrfach.
Nordkoreas Diktator Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump trafen sich mehrfach.

© Reuters/Leah Millis/File Photo

Donald Trump hatte mit seinen historischen ersten Treffen mit Kim Jong Un außenpolitisches Neuland betreten. Der Nutzen ist unter Experten umstritten. Einerseits kam es erstmals zu einer persönlichen Verbindung auf höchster Ebene. Andererseits ist es seit dem Treffen im Februar 2019 in Hanoi – das Trump abgebrochen hatte – zu keinen nennenswerten diplomatischen Begegnungen beider Länder gekommen.

Auch Präsident Barack Obama war mit der Politik der „strategischen Geduld“ nicht weit gekommen. „Ich würde hoffen, dass das Biden-Team mit einer offenen Einstellung rangeht und das Für und Wider von Trumps Ansatz und der Obama-Zeit mit etwas Abstand beurteilt“, sagt Nordkorea-Experte John Delury von der Yonsei-Universität der Internetseite „NK News“.

Biden hat bereits angekündigt, dass er auf eine Denuklearisierung Nordkoreas drängen will. Zugleich hat er ein Treffen mit Kim nicht ausgeschlossen. „Unter der Bedingung, dass er zustimmt, seinen nuklearen Kapazitäten herunterzufahren“, sagte Biden. Die Formulierung lasse ihm sehr viel politischen Spielraum, sagt Delury. „Ich denke, er hat sich noch nicht entschieden.“

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