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Alle Betten bleiben leer? Streiks in Kliniken werden zunehmen.

© Soeren Stache/dpa

Berliner Pflegestreik und Krankenhausbewegung: Das ist erst der Anfang von Arbeitskämpfen im Gesundheitswesen

Überalterung, Corona, politische Debatte – Pflegekräfte wissen, dass sie das gesellschaftliche Momentum auf ihrer Seite haben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hannes Heine

Einer der härtesten Arbeitskämpfe im deutschen Gesundheitswesen könnte bald enden. Ein Eckpunkte-Papier zwischen dem Charité-Vorstand und den Verdi-Verhandlern liegt vor. Doch das darf niemanden täuschen. In Berlins ebenfalls landeseigenen Vivantes-Krankenhäusern geht der Streik weiter.

Und selbst wenn auch dieser bald enden sollte: In Brandenburgs Asklepios-Fachkliniken werden die Pflegekräfte demnächst die Arbeit niederlegen, in anderen Kliniken stehen harte Verhandlungen bevor. Die Zeiten ändern sich dramatisch: Selbst umfangreiche Angebote der Arbeitsgeber reichen heute oft nicht. Die Pflegekräfte haben ihren gesellschaftlichen Wert erkannt – auch durch die Debatten in der Coronakrise.

[Lesen Sie auch: „Es hilft niemandem, wenn wir es verschweigen“: Diese Menschen liegen mit Corona auf Berlins Intensivstationen (T+)]

Über Jahrzehnte gab es keine Arbeitskämpfe am Krankenbett, sie waren schon aus Gründen der gesellschaftlichen Moral verpönt. Ein Helfer streikt nicht. Daher waren Pflegekräfte selten in einer Gewerkschaft organisiert. Es hat lange gedauert, aber werden Pflegekräfte, medizinisch-technische Assistenten und Hebammen so auftreten, wie man das bislang nur von Ärzten kannte. Streiks im Gesundheitswesen gehören nun dazu.

Personalnot steigt mit der Alterung der Gesellschaft

Warum wird jetzt gestreikt? In den letzten 15 Jahren sind die Löhne für Pflegekräfte in einigen Kliniken mit Zuschlägen um bis zu 1500 Euro gestiegen. Doch auf den Stationen schuften Pflegekräfte immer noch so hart wie früher, tragen immer noch so viel Verantwortung, müssen immer noch mit so viel Leid und Elend klarkommen. Die grassierende Personalnot kommt hinzu.

Der relative Wert der Pflegekraft steigt mit der Alterung unserer Gesellschaft – weniger Pflegekräfte müssen sich um mehr Patienten kümmern, zumal jeder Beschäftigte täglich Stunden mit der Abrechnungs- und Dokumentationsbürokratie verbringt. Die Vivantes-Kliniken, um nur ein Beispiel zu nennen, haben 7000 Euro Kopfpauschale für jede erfahrende Intensivpflegekraft geboten, die in eines der landeseigenen Krankenhäuser wechselt.

In der Zunft führt das dazu, dass nicht mehr nur der Lohn, sondern die Arbeitswelt als Ganzes ins Bewusstsein rückt. Von der Leistung auf den Lohn zu schließen, war ohnehin immer zu kurz gegriffen. Denn warum verdienen Frauen bei gleicher Arbeit oft weniger als Männer? Entscheidend ist das, was der alte Marx einst das „historische moralische Element“ nannte: Wer kämpft in welcher Epoche mit welchen Mitteln?

In der Arbeitswelt entscheidet also das politische, kulturelle Umfeld mit. Und das ist spätestens seit der Coronakrise favorabel gegenüber den Pflegeberufen. Diesen Moment nutzen die Pflegekräfte zu recht, denn sie wissen: Da geht noch was.

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