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An der Humboldt-Universität zu Berlin ist ein Institut für Islamische Theologie geplant - nun vielleicht ohne Funktionäre der türkischen Ditib.

© Kitty Kleist-Heinrich

Exklusiv

Neugründung an der Humboldt-Universität: Berliner Islam-Institut offenbar ohne türkische Ditib

Die sunnitisch-konservativen Verbände fordern eine Art Sperrminorität im Gründungsvertrag des Instituts. Universität und Senat lehnen das ab. Jetzt ist die Frist für eine Einigung mit Ditib & Co. abgelaufen.

Das geplante Institut für Islamische Theologie an der Humboldt-Universität (HU) Berlin wird möglicherweise ohne Ditib errichtet. Das erfuhr der Tagesspiegel sowohl aus Wissenschaftskreisen als auch von Kennern der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, kurz Ditib. Am Sonntag, 1. April, war eine Frist abgelaufen, auf die sich die HU, der Berliner Senat und die fünf beteiligten Islamverbände geeinigt hatten, um den Gründungsvertrag abzusegnen.

Bislang stimmen nur Schiiten und Zentralrat der Muslime zu

Dem Vernehmen nach hat keiner der fünf Verbände den Vertrag bislang unterschrieben, wobei die Vertreter der Schiiten und der als moderat eingestufte, allerdings vergleichsweise kleine Zentralrat der Muslime ihre Zustimmung signalisiert haben sollen. Ditib gilt als Wortführer der drei sunnitischen Organisationen, die insbesondere die geplanten Abläufe im entscheidungsbefugten Beirat des Instituts ablehnen. Der Beirat kann Professuren ablehnen. Ihm sollen die fünf Verbände – die der türkischen Regierung unterstellte Ditib, die ebenfalls konservativ-sunnitische Islamische Föderation, der Verband der Islamischen Kulturzentren sowie der Zentralrat der Muslime und die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden – angehören. Dazu kommen vier von der HU bestellte Hochschullehrer.

Die HU besteht auf dem Vertragspassus, wonach Entscheidungen im Beirat mit Zwei-Drittel-Mehrheit fallen müssen – Ditib und Co. wollen davon abrücken, sie fürchten, sie könnten überstimmt werden. Die türkische Anstalt für Religion forderte deshalb eine Art Sperrminorität: Danach sollten drei Verbände die Entscheidungen des Gremiums blockieren können. In der Praxis hätten, so die Befürchtung in Wissenschaftskreisen, die drei sunnitisch-konservativen Vertreter alle anderen überstimmen können.

Gast in einer Ditib-Moschee in Hamburg. Bundesweit hatte es Debatten um die Ankara-nahen Religionsbeauftragten gegeben.

© Brandt/dpa

HU-Präsidentin Sabine Kunst sagte auf Anfrage, man warte noch ab – schließlich sei die Frist über die Osterfeiertage abgelaufen und deshalb unklar, welche Briefe die Universität noch erreichten. Unter Kennern allerdings heißt es: Ditib werde sich wohl nicht mehr einlassen, nach all dem „Pokern“ wäre der Gesichtsverlust für die Ankara-nahen Islamfunktionäre wohl zu groß. Ähnliches war auch in den rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen Berlins zu hören. Die Verbände waren Ostermontag nicht zu erreichen.

Einigt sich die Universität mit drei statt den fünf Verbänden?

Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) sagte dazu: Der Vertrag sei Ergebnis intensiver Verhandlungen, er habe den Verbänden nach fast einem Jahr nun über Wochen unterschriftsreif vorgelegen. „Änderungen in letzter Minute, ganz besonders bei den Abstimmungsmodalitäten im Beirat, sind weder für uns, noch für die HU tragbar“, sagte Krach. „Das Institut werden wir dennoch gründen, das steht fest.“ Die Hochschule würde das Institut auch mit drei statt wie geplant fünf Verbänden starten lassen – sollten nur noch zwei Vertreter übrigbleiben, werden sich HU und Senat unter den zahlreichen Moscheeverbänden andere Partner suchen. Unklar ist, ob die Islamische Föderation bis zuletzt der Ditib-Linie folgen wird. Eine Unterschrift vom Verband der Islamischen Kulturzentren gilt ebenfalls als unwahrscheinlich.

HU-Studenten hatten gegen Ditib protestiert

Aus der Wissenschaft, dem Abgeordnetenhaus und von Sicherheitsbehörden hatte es immer wieder Bedenken gegeben, ob und wie eine Zusammenarbeit mit den konservativen Verbänden gelingen könne. Deshalb hatte die HU-Spitze festgelegt, dass die Hochschule alle drei Jahre evaluieren solle, wie der Beirat arbeite. Für Streit sorgte auch, dass liberale Muslime, aber auch traditionellere Moscheen bosnischer oder kurdischer Herkunft an der Gründung nicht beteiligt waren.

Das Institut sollte den Einfluss ausländischer Prediger einschränken, indem es neue, deutschsprachige Studenten zu Gelehrten ausbildete. Studierendenvertreter hatten das HU-Präsidium aufgefordert, die Vereinbarung von sich aus nicht zu unterschreiben. Anlass war Kritik an Ditib-Funktionären, die Informationen über türkische Exiloppositionelle gesammelt und zum Gebet für türkische Soldaten beim Einmarsch ins syrisch-kurdische Afrin aufgerufen haben sollen.

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