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Beppe Grillo kämpft nun auch gegen die traditionellen Medien Italiens.

© dpa

Beppe Grillo und die "Fünf-Sterne-Bewegung": Italiens Pegida

Die populistische "Fünf-Sterne-Bewegung" kämpft in Italien nun ebenfalls gegen die traditionellen Medien: Ihr Gründer Beppe Grillo fordert Volksgerichtshöfe, die über ihre Falschmeldungen urteilen.

Beppe Grillo hat einen neuen Feind ausgemacht. „Die Zeitungen und die TV-Nachrichten sind die wichtigsten Produzenten von Falschmeldungen im Land – sie dienen der Machterhaltung der herrschenden Klasse“, schrieb Beppe Grillo diese Woche in seinem Blog. Um die traditionellen Medien besser kontrollieren zu können, schlug der Ex-Komiker aus Genua die Einführung von Volksgerichtshöfen vor, welche den Wahrheitsgehalt der von den Medien verbreiteten Nachrichten überprüfen sollen. „Falls sich eine Meldung als falsch erweist, muss sich der Chefredakteur des betreffenden Mediums mit gesenktem Kopf öffentlich entschuldigen“, forderte Grillo. Die Volksgerichtshöfe sollen aus „normalen Bürgern“ bestehen, deren Namen ausgelost werden.

Anlass für Grillos Breitseite gegen die Medien war die Forderung mehrere Politiker gewesen, dass der massenhaften Verbreitung von „Fake News“ in den sozialen Netzwerken im Internet Einhalt zu gebieten sei. Dabei hat sich der 68-jährige Genuese vermutlich angesprochen gefühlt: Auf seinem Blog hat er im Lauf der Jahre schon die abstrusesten Theorien verbreitet – unter anderem, dass Aids eine Erfindung der Pharmakonzerne sei, die einzig dazu diene, Milliardenprofite mit teuren Medikamenten zu erzielen. Die Nachrichten- Website Buzzfeed ist nach einer umfangreichen Analyse unlängst zum Schluss gekommen, dass Beppe Grillo und seine Protestbewegung „Fünf Sterne“ über Blogs und soziale Netzwerke gezielt „Fake News“ verbreiteten, um beim „einfachen Bürger“ die Empörung gegen die „Mächtigen“ zu schüren.

Die Forderung nach Volksgerichtshöfen hat in Italien eine Welle der Empörung ausgelöst. Der italienische Zeitungsverlegerverband bezeichnete Grillos Äußerungen als „Lynchjustiz, die sich undifferenziert gegen alle Journalisten richtet“. Der Nachrichtenchef des Senders La7, Enrico Mentana, kündigte umgehend eine Klage gegen den Ex-Komiker an: „Uns als Produzenten von Falschmeldungen zu bezeichnen, ist beleidigend; Grillo wird sich sowohl straf- als auch zivilrechtlich für seinen Blog-Eintrag zu verantworten haben“, erklärte Mentana. Die zum Berlusconi-Imperium gehörende Zeitung „Il Giornale“ schrieb, Grillos Forderungen erinnerten an die Zensur im faschistischen Italien.

Der Rechtsdrall, den Grillos Protestbewegung in den vergangenen Wochen bekommen hat, ist jedenfalls nicht mehr zu übersehen. Dass Grillo das Wort „Lügenpresse“ noch nicht in den Mund genommen hat, dürfte einzig daran liegen, dass es dafür keinen vergleichbaren italienischen Ausdruck gibt – ansonsten unterscheidet sich seine Rhetorik kaum noch von derjenigen der deutschen Pegida. „Nicht wir sind Populisten – die wahren Idioten, Demagogen und Populisten sind die Journalisten und Intellektuellen des Regimes, die im Sold der großen Mächte stehen. Donald Trump hat sie alle zum Teufel gejagt: die Freimaurer, die großen Banken, die Chinesen“, jubelte Grillo nach dem Wahlsieg Trumps im November. Einer der prominentesten Parlamentsabgeordneten der „Fünf-Sterne-Bewegung“, Alessandro Di Battista, hat unlängst auch die Deportation aller illegalen Einwanderer gefordert.

Die Fünf-Sterne-Bewegung befindet sich derzeit in der schwierigsten Phase ihres Bestehens

Die Radikalisierung der Protestbewegung sowie Grillos Hass auf die Medien rühren auch daher, dass sich die „Fünf-Sterne-Bewegung“ derzeit in der schwierigsten Phase ihres Bestehens befindet. Die seit dem vergangenen Juli von der „Grillina“ Virginia Raggi angeführte Römer Stadtregierung liefert beinahe täglich Negativschlagzeilen: Die junge und unerfahrene Bürgermeisterin hat sich bisher von ihrem schwierigen Amt komplett überfordert gezeigt. Ihr wichtigster Vertrauter ist vor Weihnachten unter Korruptionsverdacht festgenommen worden – und es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis auch gegen Raggi offiziell ermittelt wird. Die Presse berichtet genüsslich über das römische Chaos – das Problem für Grillo ist bloß, dass es sich dabei nicht um Falschmeldungen handelt.

Eigentlich hätte Rom für die „Grillini“ zum Sprungbrett für die Machtübernahme auf nationaler Ebene werden sollen: Mit guter und transparenter Regierungsarbeit in der von den traditionellen Parteien in den vergangenen Jahren heruntergewirtschafteten Hauptstadt hätte die Bewegung von Grillo beweisen können, dass sie nicht nur protestieren, sondern auch regieren kann. Diesen Beweis sind die „Grillini“ bisher schuldig geblieben. Mehr noch: Die drohende Strafuntersuchung gegen die Bürgermeisterin wegen Amtsmissbrauch und Vetternwirtschaft hat Grillo in dieser Woche dazu bewogen, das wichtigste Ideal der Protestbewegung über Bord zu werfen – die „onestà“ (Ehrlichkeit).

Bisher war jeder Mandatsträger der „Fünf-Sterne-Bewegung“, der Probleme mit der Justiz bekam, sofort ausgeschlossen worden. Für einen Rauswurf reichte ein bloßes Ermittlungsverfahren; ein rechtskräftiges Urteil war nicht erforderlich. Mit dieser konsequenten Praxis, die freilich das rechtsstaatliche Prinzip der Unschuldsvermutung verletzte, wollte Grillo seine Bewegung von den anderen Parteien absetzen, nach dem Motto: Wir sind die Sauberen – die anderen sind die Korrupten, die Gangster, die Mafiosi. Angesichts der Probleme Raggis soll nun plötzlich auch in der „Fünf-Sterne-Bewegung“ die Unschuldsvermutung gelten. Oder vielmehr: Beppe Grillo wird künftig in jedem Einzelfall selber nach persönlichem Gutdünken entscheiden, ob die Vorwürfe gravierend genug sind für den Ausschluss eines Mitglieds oder nicht.

Die desaströse Vorstellung Virginia Raggis in Rom und Grillos Opportunismus beim Umgang mit den eigenen Idealen haben sich in den Umfragen allerdings bisher kaum niedergeschlagen – die „Fünf-Sterne-Bewegung“ liegt mit der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) von Regierungschef Paolo Gentiloni weiterhin fast gleichauf bei etwa 30 Prozent. Der Ex-Komiker bleibt in den Augen seiner Anhänger eben der einzige echte Außenseiter, der gegen das Machtkartell der alten Parteien und Oligarchen kämpft. Und so kann er sich – wie sein US-Vorbild Donald Trump – weiterhin darauf verlassen, dass ihm selbst seine gröbsten Ausfälligkeiten, offensichtlichsten Lügen und provokantesten Forderungen eher noch nützen als schaden.

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